Gutmenschen Hysterie: Sexueller Missbrauch von Kindern (§176 StGB)

Können Sie es eigentlich noch hören? Dieses ständige Lamento aus den Ministerien besorgter Frauen, deren Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, anderen zwischen die Beine zu schauen und dann in vollster Entrüstung ihre eigenen Phantasien öffentlich auszubreiten und zu verarbeiten? Diese Obsession mit Sexualität, die man eigentlich nur von davon Deprivierten erwartet und dann auch nicht öffentlich ausgebreitet, hat die Grenze der Normalität bereits seit langem überschritten. Die einzigen Fragen, die mich daher noch interessieren sind: Wie weit kann man den Wahnsinn eigentlich treiben und wie viel wird es die Steuerzahler kosten?

Das neueste Beispiel in der langen Reihe von Gutmenschen-Hysterien ist die bundesweite Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs, die gerade vom Ministerium für Wahnvorstellungen aller Art und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (!sic) gestartet wurde. Kern der Aktion ist das “interaktive Theaterstück ‘Sag mal …’ der deutsch-schweizerischen Künstlergruppe ‘Kompanie Kopfstand’ zum Thema Kinderrecht und Missbrauch. Das Theaterstück soll Schülerinnen und Schüler informieren und motivieren, sich im Falle eines Missbrauchs an Personen ihres Vertrauens zu wenden”. 40 Aufführungen eines – wie man sagen könnte – spielerischen sexuellen Missbrauchs mit impliziter Aufforderung zur Denunziation sind deutschlandweit geplant, und der ganze “Spass” kostet 4 Millionen Euro. Ich vermute, es gibt eine ganze Reihe von “Künstlergruppen”, die für 4 Millionen Euro auch einen Kopfstand in sexuellem Missbrauch machen.

Zur Begründung der neuerlichen Hysterie dienen wie immer, falsch interpretierte Daten: “Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2011 zeigt einen Anstieg auf mehr als 12.000 Fälle sexuellen Missbrauchs. Zudem ist von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen, da es in den meisten Fällen gar nicht erst zu einer Strafanzeige kommt”. Das sagt die Bundesministerin für FSFJ. Die Aussage lässt jedem Kriminologen die Nackenhaare zu Berge stehen, und sie würde sich, wenn man sie denn qualifizieren wollte, problemlos als Brunnenvergifterei bezeichnen lassen – wie gesagt, wenn man die Aussage denn qualifizieren wollte.

Fangen wir doch der Einfachheit halber mit der Tatsache an, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik ein Arbeitsnachweis der Polizei ist, in die alles aufgenommen wird, was der Polizei so gemeldet wird und was nach Ansicht des aufnehmenden Beamten in die Nähe von einer Straftat kommen könnte. Dass viele der gemeldeten “Straftaten” keine Straftaten sind und sich bei näherem Hinsehen als nichts, nichts, was man strafrechtlich verfolgen müsste oder als sonstwas erweisen, ist unter Kriminologen eine Binsenweisheit, die seit Jahrzehnten bekannt ist und die nicht zuletzt darin ihren Niederschlag findet, dass zwischen den polizeilich ermittelten Tatverdächtigen und den tatsächlich Verurteilten eine erhebliche Diskrepanz besteht. Dies gesagt, muss man die Hysterie über den Anstiegs des sexuellen Missbrauchs auf über 12.000 Fälle zunächst dahingehend dämpfen, dass es sich nicht um über 12.000 Fälle, sondern dass es sich um über 12.000 wie auch immer geartete Verdachtsfälle handelt. Aber damit nicht genug, auch der Anstieg der Verdachtsfälle ist nur dann ein Anstieg, wenn man die letzten drei Jahre betrachtet, wie die Abbildung zeigt.

Betrachtet man die Anzahl der Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch von Kindern, die der Polizei bekannt geworden sind, dann ist deren Anzahl im Trend und über den Zeitraum von 1991 bis 2011 um 174 Anzeigen jährlich zurückgegangen. Gemessen an diesem Trend und gewichtet mit der Tatsache, dass die Anzahl der bei der Polizei gemeldeten Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch von Kindern in 17 der 21 hier betrachteten Jahre höher war als im Jahr 2011 kann man den Aktivismus aus dem BMFSFJ nicht anders als als Hysterie werten. Doch nicht nur deshalb, wie deutlich wird, wenn man die Anzahl der Anzeigen, der Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen und der Anzahl der Verurteilten gegenüberstellt.

Sexueller Missbrauch ist ein klassisches “Beziehungsdelikt”, das unter Bekannten und Freunden oder in Familien stattfindet, d.h. Täter und Opfer kennen sich meistens sehr gut (dazu: Mosser, 2008, S.26 bzw. Schwindt, 2011, S.403). Entsprechend hoch ist die Aufklärungsquote, die sich in der Regeln bei 80% bewegt. Interessanter Weise zeigt die Abbildung oben einen Anstieg der ermittelten Tatverdächtigen, während die Anzahl der Verdachtsfälle und die Anzahl der Verurteilten zurückgeht. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Anzahl der Anzeigen, denen keine Strafttat zu Grunde liegt, die sich bei näherer Betrachtung durch einen Staatsanwalt als belanglos oder gar mutwillige Falschbeschuldigung herausstellen, in den letzten Jahren vermutlich in dem Maße gestiegen ist, wie dem Thema “sexueller Missbrauch von Kindern” hysterisch gesteigerte Aufmerksamkeit zuteil geworden ist.

Dass dem so ist, zeigt der Blick auf die Anzahl der Verurteilten, die über den betrachteten Zeitraum nur einen Bruchteil der Tatverdächtigen umfasst und über den betrachteten Zeitraum zurückgeht. Wie der folgenden Abbildung (links) zu entnehmen ist, ist der Anteil der Verurteilten unter den ermittelten Tatverdächtigen in den letzten Jahren gesunken. Über den betrachteten Zeitraum wurden im Schnitt weniger  als 25% der Tatverdächtigen auch verurteilt und im selben Zeitraum ist der Anteil der Tatverdächtigen, die auch verurteilt wurden, zudem jährlich um ein Drittel Prozent zurückgegangen. Abermals zeigt sich das Ergebnis von Hysterie, das darin besteht, dass Verdächtigungen ausgesprochen werden, die zwar dem Verdächtigten erheblichen Schaden zufügen, die aber ganz offensichtlich nicht strafrechtlich relevant sind und zu keiner entsprechenden Verurteilung führen.

Die rechte Grafik zeigt einen ganz anderen Erfolg, den die Hysterie über sexuellen Missbrauch zu verzeichnen hat: Der Anteil der Kinder (Kinder sind Personen zwischen 6 und 14 Jahren, die noch nicht strafmündig sind; die Polizeiliche Kriminalstatistik weist Kinder im Alter von bereits 6 Jahren als Täter aus!) die des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden, ist über die letzten Jahre kontinuierlich gestiegen. Darauf können die Hysteriker in der selben Weise stolz sein, wie die Streetworker, wenn sie die Ursache dafür sind, dass Jugendbanden dauerhaft werden und sich nicht nach kurzer Zeit wieder auflösen.

Wie nun, kann man diese Ergebnisse erklären? Die Antwort liegt auf der Hand. Das manische Verhältnis zu Sexualität, das manche mit diesen hysterischen Aktionen ausleben, schafft Aufmerksamkeit. Die Tatsache, dass Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren mit den Phantasien von Erwachsenen darüber, wie ein sexueller Missbrauch aussieht und was man sich darunter vorzustellen hat, konfrontiert werden, schafft Aufmerksamkeit. Die entsprechenden Kinder erfahren von der Existenz von etwas, es wird ihnen ein Möglichkeitsraum eröffnet, den sie, wie die rechte Abbildung oben zeigt, auch füllen. Ob dieses Füllen darin besteht, dass bereits 6jährige sexuellen Missbrauch ausüben, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist es, dass die tatverdächtigen Kinder weitgehend das Opfer von anderen Kindern werden, die ihre Phantasie in die Bahnen lenken, die ihnen durch Kampagnen aus dem BMFSFJ vorgegeben werden. Was man vor diesem Hintergrund von Aussagen zu halten hat, wie: Es ginge mit der Kampagne gegen sexuellen Missbrauch darum, 8 bis 12jährige über ihre “Rechte zu informieren, ihr Selbstbewusstsein zu stärken” und sie dazu zu bewegen, sich im “Falle eines Missbrauchs an Personen ihres Vertrauens zu wenden”, ist klar: Sie sind ein Aufruf, seine eigene Phantasie zum Schaden anderer in das Gewand einer Denunziation zu kleiden.

Die Daten zu sexuellem Missbrauch, die oben dargestellt sind, lassen kaum einen anderen Schluss zu. Die Opfer derartiger Phantasien sind dann die Kollateralschäden der Gutmenschen-Hysterie, deren Ziel wohl darin besteht, Kinder dazu zu befähigen, die selbe manische Haltung zu Sexualität einzunehmen, die eine Gruppe mittelalter Frauen auszuzeichnen scheint, die in ihrer eigenen “Sexualität” nichts Normales zu erblicken im Stande sind und ihre eigenen Probleme öffentlich bearbeiten.

Ich hatte über dieses Thema heute eines dieser sehr interessanten Frühstücksgespräche mit Dr. habil. Heike Diefenbach und ich hoffe, Sie davon überzeugen zu können, dass es sehr wichtig wäre, einen Beitrag über das, was man die missglückte Verarbeitung sich ändernder Geschlechtsrollen bei einer bestimmten Gruppe von Mittelschichtsfrauen nennen könnte, zu verfassen. Bis dieser Beitrag vorhanden ist, muss ich die Leser auf die beste Darstellung dessen, was damit angesprochen ist und auf die mich abermals Dr. habil. Heike Diefenbach hingewiesen hat, vertrösten:

Die Novelle: The Turn of the Screw
von Henry James, in deutscher Übersetzung: Die Drehung der Schraube
(grausame Übersetzung) und die hervorragende Verfilmung der Novelle in: The Innocents [UK Import]

P.S.

Die Ministerin für FSFJ sagt zu sexuellem Missbrauch: “Zudem ist von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen, da es in den meisten Fällen gar nicht erst zu einer Strafanzeige kommt”. Das ist Unsinn. Eine Dunkelziffer ist deshalb eine Dunkelziffer, weil ihre Höhe nicht bekannt ist, auch der Ministerin für FSFJ nicht. Wäre das anders, kein Zweifel, wir hätten die entsprechende “Hellziffer” längst zu hören bekommen. Wenn man entsprechend nicht weiß, wie hoch die Dunkelziffer ist, wie viele tatsächliche sexuelle Missbräuche an Kindern nicht angezeigt werden, dann kann man auch nicht sagen, dass es in den meisten Fällen gar nicht zur Anzeige kommt. Wenn man etwas nicht weiß, dann weiß man es nicht, auch wenn man es noch so gerne behaupten würde – daran führt kein Weg vorbei.

Literatur

Mosser, Peter (2008): Wege Aus Dem Dunkelfeld: Aufdeckung und Hilfesuche bei sexuellem Missbrauch an Jungen (German Edition) Wiesbaden: VS-Verlag.

Schwindt, Bernd (2011): Kriminologie: Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen (Grundlagen der Kriminalistik). Heidelberg: Kriminalistik-Verlag.

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