Die Mutation einer Nachricht oder öffentlich-rechtliche Meinungsmache
Medienwirkungstheorien weisen Medien in der Regel Effekte auf den öffentlichen Diskurs zu. Medien strukturieren den öffentlichen Diskurs, in dem sie eine Agenda setzen ( die sie, nolens volens aus der Agenda des öffentlichen Diskurses entnommen haben). Medien geben bestimmten Themen Prominenz oder “Sichtbarkeit” (Salience), sie betonen bestimmte Themen vor anderen (Priming) und haben eine Gatekeeping-Funktion. Besonders die Gatekeeping-Funktion ist sehr interessant, denn die Forschung, die sich dahiner versteckt, fragt danach, wie bestimmte Themen in die Medien kommen, genauer: Wie Redakteure in Medienanstalten (Anstalten!) aus der Flut der Informationen diejenigen aussortieren, die sie für berichtenswert halten. Untersuchungen in diesem Bereich, die in den USA eine lange Tradition haben, erbrachten dabei regelmäßig Ergebnisse, die die Hoffnung auf “objektive Medien” oder den Glauben an “objektive Medien” heftig erschüttert haben, in dem sie die Auswahl der Themen als Ergebnis von Vorlieben eines bestimmten Redakteurs, Weisungen, von Vorurteilen und Stereotypen, die besonders bei Medienschaffenden in endemischem Ausmaß vorhanden zu sein scheinen, ausgewiesen haben (dazu gibt es gute Abhandlungen in Kepplinger, 1989, S.9-15 und in Jäckel, 2005, S.185-210). Diese Ergebnisse bitte ich die Leser bei der nun folgenden Reise, deren Ziel darin besteht, die Mutation einer Nachricht nachzuvollziehen, im Kopf zu behalten (Übrigens gehen alle angesprochenen Theorien davon aus, dass die Nachricht, die von Medien veröffentlicht wird, irgendwie mit der Realität, über die berichtet wird, übereinstimmt. Eine Annahme, die nicht immer zutreffen muss, wie sich gleich zeigen wird.)
Ausgangsmeldung
Die Reise beginnt mit einem Informationsblatt für Medienvertreter, das auf den Seiten der “Drogenbeauftragten der Bundesregierung” zu finden ist, und mit hoher Wahrscheinlichkeit (es kommen Zahlen darin vor) von Mitarbeitern des Bundeskriminalamts erstellt wurde. Darin finden sich unter “Zahl der Drogentoten”, die folgenden Angaben:
Im Jahr 2012 sank die Zahl der drogenbedingten Todesfälle auf 944 (minus 4 Prozent gegenüber 2011 mit 986) und damit auf den niedrigsten Stand seit 1988 (1988: 670).
Haupttodesursache: Überdosis von Heroin/Morphin in Verbindung mit anderen Substanzen.
Der männliche Anteil der Drogentoten betrug 81 Prozent.
Der Altersdurchschnitt der Drogentoten lag mit über 37 Jahren leicht über dem des Vorjahres.
Mutation 1
Wie immer wenn Zahlen, die etwas über einen Ausschnitt der Realität in Deutschland aussagen, veröffentlicht werden, müssen sich “Beauftragte” oder Politiker zu Wort melden, die die Daten mit ihrer jeweiligen Ideologie mischen, um die daraus entstehende Pampe “den Bürgern” servieren zu können. Im vorliegenden Fall hat sich Mechthild Dyckmans, die Rechtswissenschaft studiert hat und von der deshalb niemand erwartet, dass sie mit Zahlen oder mit Realität umzugehen vermag, an den oben dargestellten Informationen, dem darin enthaltenen Datenmaterial, versucht. Das Ergebnis steht in einer “Gemeinsamen Presseerklärung” und lautet:
“Es ist erfreulich, dass immer weniger Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums sterben. Das zeigt, dass unsere Beratungs- und Hilfsangebote sowie die zur Verfügung stehenden Angebote wirken. Aber jeder Drogentote ist einer zu viel. Deshalb müssen wir alles tun, damit diese Angebote erhalten bleiben und noch besser auf Risikogruppen zugeschnitten werden. Besonders über die Gefahren des Mischkonsums muss noch besser aufgeklärt werden. Sorge bereitet mir, dass die Zahl der verstorbenen Frauen angestiegen ist”.
Mutation 1 enthält zunächst einmal einen Fehlschluss, denn ob der Rückgang der Drogentoten etwas mit den Hilfsangeboten zu tun hat, wäre zu klären. Auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten könnte man auch davon ausgehen, dass die Zahl der Drogentoten trotz der Hilfsangebote zurückgegangen ist. Über die Wirkung von Hilfsangeboten sagen die vorhandenen Daten nämlich schlicht nichts aus. Aber der Drogenbeauftragten ist diese Wertung besonders wichtig, haben doch soziale Probleme, die geringer werden, die unangenehme Konsequenz, dass die Steuermittel, die zur Beseitigung der nämlichen sozialen Probleme eingesetzt werden, reduziert werden könnten. Und die Angst, dass die finanziellen Mittel für die eigene Organisation reduziert werden könnten, hat noch jeden Funktionär auf die Beine gebracht und seiner Phantasie Flügel verliehen. Entsprechend fliegt Dyckmans auf die Erhaltung der Angebote auch bei geringerer Nachfrage und, ja, eigentlich sind trotz Rückgang mehr Mittel notwendig, denn die Angebote müssen noch besser auf Risikogruppen zugeschnitten werden.
Schon komisch, dass dann, wen offensichtlich nicht gut zugeschnitte “Angebote” zu einem Rückgang von Drogentoten führen, die entsprechenden Angebote noch besser zugeschnitten werden müssen. Das ist zumindest legitimationsbedürftig, und was wäre besser, um Ausgaben im heutigen Klima zu legitimieren als Frauen zu instrumentalisierung und einmal mehr zu viktimisieren? Folgerichtig machen Frauen der Drogenbeauftragten Sorgen (den Anlass zur Sorge hat Ihr offensichtlich ein williger Referent aus einer Tabelle, die dem Informationsblatt für Medienvertreter angehängt ist, beschafft) und nicht etwa die 944 Drogentoten, ja nicht einmal die 177 weiblichen Drogentoten machen Frau Dyckman Sorge, sondern der Anstieg um 33 weibliche Drogentote macht ihr Sorgen. Gerechnet auf die Anzahl aller Drogentoten ist dies ein Anstieg um rund 4%, ein Anstieg, den man nicht groß genug reden kann und neben dem die Tatsache, dass 81% der Drogentoten im Jahre 2012 männlich sind, natürlich verblasst und keinerlei Anlass zur “Sorge” bereitet.
Mutation 2
Medien, einst von Politikwissenschaftlern als vierte Gewalt aufgebaut und zum Kontrollorgan von politischen Parteien und Herrschaftssystem stilisiert, haben seither regelmäßig und in deutlicher Weise gezeigt, dass sie nichts von beidem sind. Weder kontrollieren Medien noch sind sie eine vierte Gewalt, bestenfalls eine vierte Kolonne. Dafür können Medien jedoch nichts, denn Medien sind einfach nur Begriffshüllen, die von Medienschaffenden bewohnt werden. Und unter diese Medienschaffende verirren sich ganz offensichtlich kaum mehr kritische Geister oder Personen, die versuchen, Nachrichten an die Öffentlichkeit zu vermitteln. Die meisten Medienschaffenden scheinen ihre Aufgabe nicht in der Information, sondern in der Desinformation zu sehen, in der Vermittlung um ideologische Bewertungen angereicherter und sinnentstellter “Inhalte”. Entsprechend dieser “Agenda” ist bei der ARD aus der hier berichteten Meldung, Folgendes geworden:
Mehr Frauen sterben an Drogen. … Dramatisch allerdings ist die Situation bei den Frauen. Im vergangenen Jahr starben 177 und damit 33 mehr als im Jahr zuvor. Drogenbeauftragte Dyckmans (FDP) äußerte sich besorgt: “Hier müssen wir sehen, ob die Angebote nicht ausreichend sind.”
Ich bin mittlerweile zu der Ansicht gelangt, dass Genderismus ein Krankheitsbild darstellt. Personen, die mit Genderismus infiziert sind, zeichnen sich durch eine psychopathologische Fixierung auf das weibliche Geschlecht aus, sehen in Veränderungen von 4% dramatische Situationen und sind permanent im sozialtechnologischen Hilfemodus unterwegs. Ich habe bereits über das Frauenbild dieser selbsternannten Gutmenschen geschrieben und will mich hier nicht wiederholen. Allerdings kann ich es mir nicht verkneifen, einmal mehr darauf hinzuweisen, dass derartige Formen von Wahnsinn, wie sie der Genderismus hervorbringt, früher zur Institutionalisierung oder doch zumindest zur Ruhigstellung der Befallenen geführt haben, während sie heute munter in öffentlich-rechtlichen Sendern herumzuspringen scheinen. Der von mir so gerne zitierte Bertrand Russell hat es einst furchtbar gefunden, dass die einzige Möglichkeit, den Irren, der sich für ein Rührei hält, als irr beurteilen zu können, sich daraus ergeben könnte, dass er sich in der Minderheit befindet. Was er wohl sagen würde, wäre er heute und nur für kurze Zeit deutschen öffentlich-rechtlichen Medien ausgesetzt? – Kaum vorstellbar.
Literatur
Jäckel, Michael (2005). Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
Kepplinger, Hans Mathias (1989). Theorien der Nachrichtenauswahl als Theorien der Realität. Aus Politik und Zeitgeschichte B15: 3-16.
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen.
ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden.
Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:
Vielen Dank, dass Sie ScienceFiles unterstützen! Ausblenden
Wir sehen, dass du dich in Vereinigtes Königreich befindest. Wir haben unsere Preise entsprechend auf Pfund Sterling aktualisiert, um dir ein besseres Einkaufserlebnis zu bieten. Stattdessen Euro verwenden.Ausblenden
Liebe Leser,
seit 2011 sind wir als zentrale Stelle zur Prüfung von nicht nur wissenschaftlichen Informationen für Sie da -
Unentgeltlich in all den Jahren.
Bislang sind wir in der Lage, unseren Aufwand über Spenden zu decken.
Damit das auch weiterhin so bleibt, benötigen wir Ihre Hilfe:
Reblogged this on As live scribes und kommentierte:
Das sind höchst bedenkensqerte Fakten auch in der Arbeit mit und für die #Piraten!