Ziviler Ungehorsam

Wir schreiben das Jahr 2013. Ganz Europa ist von der EU besetzt. Ganz Europa? Nein. Ein kleiner Flecken Irland, Monivea, leistet beharrlich und konsequent Widerstand gegen die eurokratischen Usurpatoren, die jahrhundertelange Traditionen mit einem Federstrich beseitigen wollen.

ireland_monivea_0713Die EU ist bekanntlich eine Organisation, die sich um das Wohl vor allem der Umwelt sorgt, und entsprechend sind die Eurokraten ausgezogen, um das Moorland im Co. Galway, Ireland, zu schützen. Eine so genannte EU Habitats Directive verbietet menschliche Eingriffe u.a. im Moor von Monivea. Dummerweise haben die Menschen (, die ja auch zur Umwelt gehören, auch wenn die EU-Kommission das als eher störend zu empfinden scheint), die in Monivea leben, seit Jahrhunderten nicht nur Torf im Moor gestochen und als Brennstoff benutzt, nein, sie haben auch ein eingetragenes Recht, dies zu tun, ein Recht, das die EU-Kommission mit einem Federstrich beseitigt hat. Sehr zum Unmut der betroffenen Iren.

Landbesitz ist in Irland eine heikle Sache, vor allem aus historischen Gründen, die sich aus der Zeit ableiten, als Irland zum Vereinigten Königreich gehörte und wenige Großgrundbesitzer sich das irische Land aufteilten. Entsprechend ist Ladung in der Angelegenheit:

“The EU and the environmentalists are imposing their value system on us. We’ve a right to live by our value systems – which we’ve done for generations and hundreds of years”, sagt z.B. Luke Flanagan, Mitglied des Irischen Parlaments.

Abweichende Wertvorstellungen und andere Werthierarchien, das ist nun etwas, von dem man in der EU-Kommission, in der bekanntlich die Harmonisierung herrscht, noch nie etwas gehört hat, und entsprechend hat man versucht, den betroffenen Iren ihre Rechte abzukaufen – mit wenig Erfolg:

“They think it’s all about money and that they can buy us off. They can’t. This is about our rights to use our land as we wish”, sagt Luke Flanagen.

Und deshalb üben sich die Iren in Galway in zivilem Ungehorsam. Obwohl die EU-Direktive jeden Eingriff in das Moorland in Monivea verbietet, stechen die Iren ihren Torf, das wenige, was sie benötigen, um im Winter mit Brennmaterial versorgt zu sein. Und während sie ihren Torf stechen, stehen Polizeibeamte dabei und betrachten das Treiben. Einen Versuch, den Bruch der EU-Direktive zu unterbinden, machen sie nicht. EU-Recht hat offensichtlich in Monivea keine Legitimität, und damit komme ich zur Frage, unter welchen Umständen ziviler Ungehorsam ein Mittel darstellt, um sich gegen die Rechtssetzung der Politklasse zu wehren.

Rent Seeking SocietzDazu bedarf es zunächst der Einführung der Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität. Legalität bezieht sich auf das Recht, den Prozess, der zur Rechtssetzung führt. Legitimität bezieht sich auf Gerechtigkeit, das Ergebnis, das mit einer Rechtssetzung einhergeht. Demokratien stehen in der ständigen Gefahr, von Gruppen usurpiert und zur Rechtsprechung in deren Sinne missbraucht zu werden. Die entsprechenden Gesetze passieren zumeist ungeschoren die Instanzen der Demokratie und können für sich reklamieren, auf legalem Weg und dem demokratischen Prozedere entsprechend zu Stande gekommen zu sein.

Erm'chtigungsgesetyDas Ermächtigungsgesetz der Nazis, die meisten Gesetze, die im Dritten Reich erlassen wurden, konnten für sich reklamieren, legal zu Stande gekommen zu sein, aber dennoch betrachten wir viele von ihnen (außer offensichtlich den Gesetzen, die in die BRD übernommen wurden, wie z.B. dem 1937 verabschiedeten Aktiengesetz) als nicht legitim. Nicht-legitimen Gesetzen fehlt die Zutat “Gerechtigkeit”, sie widersprechen dem Prinzip der Fairness, das – trotz der Herrschaft der Mehrheit in der Demokratie geachtet werden soll und sich darin niederschlägt, dass Minderheiten nicht mit Gesetzen überzogen werden, die sie kriminalisieren, wie dies im Dritten Reich mit den Juden der Fall war.

Damit sind die idealen Annahmen beschrieben, wie sie in einer idealen Demokratie vorhanden sind, in der tatsächlich der demokratische Prozess sicherstellt, dass mit der Duldung der Mehrheit Politik im Sinne der Mehrheit gemacht wird. Und von dieser idealen Demokratie geht John Rawls mit seiner Konzeption des zivilen Ungehorsams aus.

RawlsUnter zivilem Ungehorsam versteht er eine gewaltlose, vom Gewissen bestimmte und gesetzeswidrige Handlung, die darauf zielt, die Änderung eines Gesetzes herbeizuführen oder Gehör in der Regierungspolitik zu finden. Ziviler Ungehorsam ist dann statthaft, wenn die Kluft zwischen Legalität und Legitimität zu groß geworden ist, wenn zu offensichtlich ist, dass Gesetze gegen Minderheiten oder gegen Grundfreiheiten verstoßen, die in Demokratien heilig sind. Wenn z.B. in einer Demokratie, die sich der Freiheit des Unternehmertums verschrieben hat, denn alles andere wäre keine Demokratie, sondern Sozialismus, der als solcher mit Demokratie nicht vereinbar ist, wenn also in einer solchen Demokratie Eingriffe in die unternehmerische Freiheit vorgenommen werden, die Grundfreiheiten, wie z.B. die Freiheit eines Unternehmers, einzustellen, wen er will, zu entlassen, wen er will oder seinen Aufsichtsrat mit 100% Männern zu besetzen, wenn ihm danach ist, einschränken, dann ergibt sich daraus zwangsläufig die Berechtigung, ja nach Rawls eigentlich die Verpflichtung zum zivilen Ungehorsam.

kingZivile Ungehorsame sind für Rawls Personen, die den Grundsätzen der Demokratie verpflichtet sind, die der Beschneidung von Freiheit, dem Missbrauch der Macht durch die Mehrheit in seiner idealen Demokratie, gegenübertreten und die Demokratie verteidigen. Wohlgemerkt, Rawls entwickelt seine Konzeption für eine Gesellschaft, in der die demokratischen Prozedere tatsächlich und nicht nur symbolisch oder zum Schein eingehalten werden. Überträgt man seine “ideale Konzeption” auf den grauen Alltag dessen, was derzeit als demokratisches Regierungssystem gilt, ein Regierungssystem, in dem Gesetze erlassen werden, von denen die meisten Bürger nichts wissen, ein Regierungssystem, in dem eine kleine Clique von Eurokraten und Parteiideologen ihren Günstlingen und Launen entsprechend Gesetze erlassen und verändern kann, dann wird das Recht zum zivilen Ungehorsam zur Pflicht des zivilen Ungehorsams.

Hobbes ReclamThomas Hobbes, weithin bekannt für seinen Leviathan, jenes staatliche Monster, das Eigentum, Freiheit und Sicherheit in seinem Staat sichern soll, hat explizit vorgesehen, dass diejenigen, die der Herrschaft des Monsters unterworfen sind, dann, wenn sie zum Gegenstand illegitimer und klar partikularistischer Gesetze werden, das Recht haben, ihrem Souverän die Gefolgschaft zu verweigern. Damit wäre der Souverän illegitim geworden, denn er ist das Ergebnis einer Übertragung von Rechten, den Rechten Einzelnern auf alles, wie Hobbes das nennt. Wie Rawls, so ist auch Hobbes der Ansicht, dass letztlich Menschen die Souveräne sind, die sich Regierungssysteme schaffen, um ihr Zusammenleben zu optimieren und zu koordinieren. Macht sich der Souverän selbständig, wird das Regierungssystem zu einer Günstlingsversorgungsmaschine, die einzig und allein dem Nepotismus und der Durchsetzung von ideologischem Firlefanz dient, dann geht die Wahrnehmung von Freiheitsrechten wieder auf den Einzelnen über, denn nur Individuen, nicht Organisationen oder gar Staaten können Träger von Rechten sein.

Das haben die Iren in Monivea erkannt, und deshalb haben sie sich zum Souverän ihrer eigenen Rechte gemacht und der EU die Legalität ihrer Rechtssetzung entzogen. Es ist nicht auszudenken, was passieren würde, wenn das Beispiel Monivea Schule macht, aber eines steht fest, es ist der einzige Weg, um sich gegen den immer größer werdenden Moloch in Brüssel, der Freiheitsrechte beseitigt, Nepotismus zu neuen Höhen trägt und sich so weit von der Idee einer europäischen, demokratischen Gesellschaft entfernt hat, wie man sich nur davon entfernen kann, zur Wehr zu setzen und Veränderungen herbeizuführen. Diese Einsicht gilt nicht nur für die EU, denn die Herrschaft einer Politklasse, deren erstes Ziel die Versorgung der eigenen Günstlinge und die Durchsetzung der eigenen Ideologie ist, ist nicht auf die EU beschränkt (dazu mehr demnächst).

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