Rechtsextreme, Zombies und Studienplätze für Hingabe
Drei Themen haben wir heute zu einem post verwoben, die in gewisser Weise etwas gemein haben. Es geht um die Wähler rechtsextremer Parteien, Zombies und die Studienplätze, die es für Hingabe gibt.
Rechtsextreme Wähler
Die Frage, wie die ethnische Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet, die Wahl rechtsextremer Parteien beeinflusst, hat Verena Dill auf Grundlage von Daten des Sozio-Ökonomischen Panels, auf Basis von Daten des Statistischen Landesamts für Rheinland-Pfalz (Anteil der ausländinschen Wohnbevölkerung für die Gemeindeebene), auf Basis von Reichtstags-Wahlergebnissen, die auf hoffentlich derselben Gemeindeebene basieren und den Anteil der NSDAP bzw. DNVP Wähler für die Jahre 1924 (DNVP-Anteil) sowie 1928 bis 1933 (NSDAP-Anteil) angeben sowie auf Basis von Daten, die, hoffentlich abermals für die selben Gemeindeebenen angeben, ob im Jahre 1349 ein Judenpogrom in der entsprechenden Gemeinde stattgefunden hat, untersucht.
Es ist dies ein ambitioniertes Unterfangen, das nicht zuletzt auf der interessanten These basiert, dass es zwischen 1349 und 2009 keine Gebietsreform auf dem Gebiet, das heute Deutschland ist, gegeben hat. Aber sei’s drum. Nehmen wir an, es habe weder Gebietsreform noch eine sonstige Veränderung in der Bevölkerung gegeben und dementsprechend gebe es fremdenfeindliche oder fremdenfreundliche Kulturen, die sich seit 1349 im identischen Gebiet halten. Nehmen wir weiter an, dass man mit Aggregatdaten wie den vorliegenden die gute alte Kontakthypothese (je mehr Kontakt man mit Ausländern hat, desto weniger ausländerfeindlich ist man) prüfen kann.
Nehmen wir also alles das an, was kommt bei der Forschung von Frau Dill heraus? Zwei Dinge:
“Using an instrument variable procedure, I show that an endogeneity bias exists and that taking into account this endogeneity leads to a significant effect of ethnic concentration on extreme right-wing voting behaviour. The effect of ethnic concentration on foreigners is now significantly negative and thus provides evidence for the interethnic contact theory” (29).
Man muss sich das Hirn ein wenig verbiegen, um das zu verstehen. Endogenität meint schlicht, dass Ausländer und Inländer dazu tendieren, sich voeinander zu segregieren und wenn man Gebiete hat, in denen 99% Deutsche leben und andere Gebiete, in denen 99% Ausländer wohnen, dann ist es mit dem Kontakt zwischen beiden, unter der Annahme, dass beide nicht aus ihren Wohngebieten herauskommen, versteht sich, nicht so weit her. Wenn man diese Endogenität kontrolliert, dann zeigt sich, dass mit zunehmender Durchmischung von Inländern und Ausländern die Wahl rechtsextremer Parteien seltener wird. Und deshalb, und das ist das zweite Ergebnis, empfiehlt die Autorin der Politik, ethnische Segregation zu reduzieren. Wie? Keine Ahnung. Vielleicht durch eine Wohnquote, die in jedem Wohngebiet einen Anteil von 8% Ausländern vorschreibt, wobei jeder Deutsche mindestens einen ausländischen Nachbarn haben muss – quasi als Heilmittel gegen rechtsextremes Wahlverhalten.
Nebenbei bemerkt ist die Arbeit von Frau Dill unterirdisch was methodische Standards angeht. Ich habe vergeblich versucht herauszufinden, wie viele Wähler von DVU, NPD und Republikanern sich im Datensatz finden. Nach meiner Erfahrung sind es eher wenige Wähler solcher Parteien, die man mit der Sonntagsfrage ermitteln kann. Darüber hinaus fehlt jegliche Angabe dazu, wie die räumlichen Gebiete, die für die Analyse so wichtig sind, gebildet wurden, wie sichergestellt wurde, dass die Wahlkreise von 1924 bis 1933 mit den räumlichen Gebieten, für die das Statistische Landesamt Daten der ethnischen Zusammensetzung geliefert hat, identisch sind usw. Methodisch ist die Arbeit absolut unzureichend. Aber dem vollmundigen Formulieren von Vorschlägen an die Politik tut dies scheinbar keinen Abbruch.
Zombies
Zombies haben britische Forscher in einem Spiel am Science Museum in London eingesetzt, um Fluchtverhalten zu simulieren. Teilnehmer am Spiel wurden mit einer einfachen Situation am Computer konfrontiert, in der sie aus der Vogelperspektive einen rechteckigen Raum mit zwei sich gegenüberliegenden Ausgängen und eine ganz Menge von Punkten sahen, die sich vor dem jeweiligen Ausgang drängten. Aufgabe der Spieler war es zunächst, sich ganz normal aus dem Raum zu entfernen und dann so schnell wie möglich, wobei sie die schnellste Zeit eines Konkurrenten am Computer mitlaufen gesehen haben. Auf diese Weise wollten die Forscher Stress simulieren.
Mit diesem einfachen Design gelang es den Forschern unter Messung der Reaktionszeit Folgendes herauszufinden:
Die Spieler tendierten dazu, den Fluchtwege zu nutzen, der ihnen bereits bekannt war.
Selbst wenn der bekannte Fluchtwege bereits verstopft war und der zweite aus der Vogelperspektive als deutlich weniger verstopft erkennbar war, benötigten etliche Spieler lange Zeit, um ihr Verhalten an die Umstände anzupassen, einige waren gar nicht in der Lage, ihr Verhalten entsprechend anzupassen.
Am schnellsten konnten Männer und jüngere Sieler ihr Verhalten anpassen, am langsamsten waren Frauen und ältere Spieler.
Die Ergebnisse wollen die Forscher dazu nutzen, um Fluchtwege effizient zu planen und dafür zu sorgen, dass es im Notfall mit hoher Wahrscheinlichkeit zu keiner Panik kommt.
Hingabe und Eignung
Panik kann einem, ganz unabhängig von Zombies, befallen, wenn man einen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung liest, auf den uns Peter Mühlberg aufmerksam gemacht hat. Hingabe statt Einser-Abitur, so ist der Beitrag überschrieben, der am Beispiel beschreibt, wie man an der Ludwig-Maximilians Universität München einen Studienplatz in Landschaftsarchitektur ergattern kann, nämlich durch Hingabe an die Esoterik. Der entsprechende Bericht ist der Aufmacher zu einem Text, in dem es im Wesentlichen darum geht, dass die LMU vom Kultusministerium dazu gezwungen wird, Eignungstests bei der Vergabe von Studienplätzen abzuschaffen und statt dessen auf den guten alten Numerus Clausus zu vertrauen.
Der Zeitungstext hat sicher bei vielen Lesern dieselbe Wirkung, die er auch bei mir hatte. Man denkt nach den ersten Zeilen, um Gottes Willen, jetzt werden Esoterik-Spinner schon mit einem Studienplatz dafür belohnt, dass sie hingebungsvoll “Kraftorte” um München auflisten. Ein gut gesetzter affektiver Aufreger zu Beginn eines Textes, in dem es darum geht mitzuteilen, dass die Flut von Studienplatzbewerbern bitte nur mit Numerus Clausus bekämpft werden darf, denn, wie sagen nicht näher benannte Verwaltungsrichter, die im Beitrag zitiert werden: “Die Richter erklärten, die [Eignungs-]Tests höhlten den Wert des Abiturs und vergleichbarer Abschlüsse, die die ‘allgemeine Hochschulreife’ bescheinigen, aus”.
Mit anderen Worten: Es ist Schluss mit akademischer Selbstbestimmung und Auswahl hat nach Notenschnitt zu erfolgen. Dabei geben sich die Richter, die dies formulieren, als absolute Laien der deutschen Bildungslandschaft zu erkennen, die z.B. nichts davon wissen, dass ein Durchschnitt von 1.0 im Abitur aus Bremen mit demselben Schnitt, erreicht an einem Gymnasium in Bayern überhaupt nicht zu vergleichen ist. Mit seinem Beharren auf der allgemeinen Hochschulreife und dem Numerus Clausus institutionalisiert das Bayerische Kultusministerium somit eine Bildungsungerechtigkeit des föderalen Systems, von der man sich fragen muss, ob sie weniger Schaden anrichtet als die Vergabe eines Studienplatzes an einen Esoterik-Freak, der hoffentlich recht bald merkt, dass er mit Esoterik an einer Universität nur dann vorankommen kann, wenn er sich an einem Gender-Lehrstuhl bewirbt.
Literatur
Bode, Nikolai W. F. & Codling, Edward A. (2013). Human Exit Route Choice in Virtual Crowd Evacuations. Animal Behaviour (online first).
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Ihr Gedanke: ” eine Wohnquote, die in jedem Wohngebiet einen Anteil von 8% Ausländern vorschreibt, wobei jeder Deutsche mindestens einen ausländischen Nachbarn haben muss“, gefällt mir. Ich kann zwar nicht berechnen, wie ein Wohngebiet, sagen wir mit 1000 Wohneinheiten, nach dieser Vorgabe aussehen könnte. Allerdings denke ich, dass sich da schöne Cluster bildeten, die die derzeitige Kasterlarchitektur auflösen würden.
Servus M. M.
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Servus M. M.