Volkserziehung: Deutsche sollen die richtige Zivilcourage lernen
Vor einigen Tagen haben wir über die neue Online-Stasi berichtet, deren Ziel darin besteht, Deutschen Zivilcourage und Counterspeech beizubringen. Bereits diese Beschreibung macht deutlich, dass es nur eine richtige Form von Zivilcourage gibt, die Zivilcourage, die von den Online-IMs als einzig richtige Zivilcourage vorgegeben werden soll, die Zivilcourage, die bestimmte ideologische Inhalte umfasst und andere geiselt. Ein Mensch, der in aller Öffentlichkeit Stellung gegen politisch-korrekten Unsinn bezieht, der sich z.B. namentlich bei seiner Universität darüber beschwert, dass Genderismus betrieben, Wissenschaft verunmöglicht und Männer benachteiligt werden, hat entsprechend keine Zivilcourage.
Dieser Versuch, Zivilcourage vor einen ideologischen Karren zu spannen, rechtfertigt einen genaueren Blick darauf, was Zivilcourage eigentlich sein soll. Und wenn man diesen Blick in vermeintlich wissenschaftliche Texte richtet, dann landet man schnell bei Gerd Meyer und einer Gattung von Text, einem Genre, das man nicht mehr als wissenschaftlichen Text beschreiben kann, vielmehr dem Genre der Volkserziehung zurechnen muss, jenem Genre, zu dem Wissenschaft in Teilen verkommen ist.
So wie sich manche, die es auf wissenschaftliche Positionen geschafft haben, immer noch einbilden, sie hätten eine statushohe Position erreicht, so bilden sich manche ein, weil sie diese angeblich statushohe Position erreicht hätten, könnten sie andere belehren, erziehen, nudgen oder in welcher Form auch immer die Volkserziehung daherkommt.
Gerd Meyer gehört dazu. Er hat seine Bestimmung von “Zivilcourage” in einem Sammelband veröffentlicht, der unter dem Titel “Demokratie-Kompetenz” veröffentlicht wurde – ein Titel, der schon Schlimmes ahnen lässt. Man kann sich die Möchtegern Volkserzieher, wie sie dem dummen Mann von der Straße und seinen Kindern “Demokratie-Kompetenz” beibringen wollen, richtig bildlich vorstellen. Sie, die keinerlei Toleranz dafür haben, dass in einem demokratischen System unterschiedliche Meinungen vorhanden sind (hätten sie diese Toleranz, sie müssten nicht von “Demokratie-Kompetenz” reden). Die Erzieher zur Demokratie, sie entpuppen sich regelmäßig als Autokraten, die keinerlei Abweichung von ihrer Vorstellung davon, was Demokratie ist, zulassen – denn merke: Es gibt nur eine wahre Form von Demokratie, die Form, die ich vorgebe – wodurch Demokratie zu Totalitarismus wird, aber das nur nebenbei.
Gerd Meyer hat eine Definition von Zivilcourage vorgelegt, der man Anhaltspunkte dafür entnehmen kann, warum es Organisationen wie die neue Online-Stasi gibt, die von sich denken, sie könnten Menschen die einzig richtige Zivilcourage beibringen:
Für Meyer ist Zivilcourage ein “Typus sozialen Handelns”, aber “keine Eigenschaft einer Person” (Meyer, 2005: 52).
Zivilcourage hat also für Meyer nichts mit Mut oder mit Engagement eines Einzelnen zu tun. Zivilcourage ist eine Form kollektiver Körperertüchtigung, die man im Zivilcourage-Studio erlernen kann, direkt von Big Brother mit den großen Zivilcourage-Muskeln.
Und so wie Zivilcourage keine Eigenschaft eines Individuums ist, sondern ein frei flottierendes Agens, das sich über Big Brother auch dem letzten Feigling mitteilt, so ist Zivilcourage inhaltlich sehr eng bestimmt und liegt nur dann vor, wenn – wie Meyer weiter ausführt – die folgende Bedingung erfüllt ist:
“Eine Person (oder seltener eine Gruppe) tritt – orientiert an humanen und demokratischen Prinzipien – ein für die legitimen, primär nicht-materiellen Interessen und die Integrität vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst” (Meyer, 2005: 52-53).
Ein vom frei flottierenden Agens der Zivilcourage (zuweilen auch gegen seinen Willen) besetzter Akteur, er ist nach der seltsamen Vorstellung von Meyer das wandelnde Gute, voller reiner Motive, voller demokratischer Absicht, er ist ein St.Martinesker Altruist, der mit gezogenem Mantel durch die Welt zieht, um Letzteren zu teilen und “humane und demokratische Prinzipien” zu verteidigen – gegen Angreifer.
Die inhaltliche Bindung von Zivilcourage an demokratische und humane Prinzipien, die unbestimmt bleiben, sie macht es möglich, Zivilcourage als kollektive Eigenschaft, die sich dem korrekt lernenden Menschen mitteilt, als adelnden Agens der Richtigkeit und des Guten zu bestimmen, als Mittel, mit dem man – schwubs – einen Teil der Bevölkerung von der Tischkante stoßen kann.
Zivilcourage gibt es nur, wenn die Motive des Zivilcouragierten, die richtigen sind, wenn er human und demokratisch ist, wobei z.B. Online-Wächter bestimmen, was human und demokratisch und was nicht human und demokratisch ist, was von einem Monster gesprochene Hassrede ist. Und damit auch ganz klar ist, dass die so beschriebenen Zivilcouragierten die richtigen, die wahren, reinen und einzig demokratisch-humanen Zivilcouragierten sind, darf natürlich der Verweis auf die “nicht-materiellen Interessen” nicht fehlen.
Willkommen im Kindergarten der Phantasie.
Zunächst: Zivilcourage ist natürlich eine individuelle Eigenschaft. Was sonst sollte es sein? Wer kann Courage haben und im täglichen Leben zeigen? Wer handelt, wenn nicht der Einzelne? Die Zivilcourage handelt sicher nicht.
Dann: Handeln gibt es nur als soziales Handeln, denn Handeln setzt voraus, dass es auf andere gerichtet ist. Ist es nicht auf andere gerichtet, dann ist es Verhalten und nicht Handeln. Von einem Sozialwissenschaftler sollte man verlangen können, dass ihm diese in der Soziologie verbreitete Unterscheidung bekannt ist – er sein Handwerkszeug also beherrscht.
Wenn Handeln immer auf andere gerichtet ist und nur Einzelne, nur Individuen handeln können, dann ist klar, dass die Motive des Handelns keine kollektiven, sondern nur individuelle Motive sein können. Man kann Menschen vielleicht einreden, dass sie zivilcouragiert sind und dass sie dann zivilcouragiert sind, wenn sie böse Rechte hauen und arme Linke beklatschen, aber man wird nicht für die entsprechenden Menschen zuhauen oder klatschen können. Das müssen diese schon selbst tun. Entsprechend ist die Vorstellung davon, dass Zivilcourage ein kollektives Agens sei, das sich denen mitteilt, die auf dem richtigen Pfad von Humanismus und Demokratie, also auf dem sind, den z.B. Online-Wächter wie Kahane und Konsorten weisen wollen, vollkommener Unsinn – vollkommener ideologisch motivierter Unsinn.
Denn natürlich hat die Vorstellung, man könne Menschen zu bestimmten Handlungen manipulieren, sie zu Marionetten an der Schnur richtig vorgegebenen Humanismus’ oder richtiger vermeintlich demokratischer Werte machen, etwas. Wer möchte nicht der Zampano sein, der sagt, was Zivilcourage ist und woran man sie erkennt. Wer möchte nicht Macht über andere ausüben, altruistische Macht natürlich, so wie sie die Mitarbeiter der Amadeu-Antonio-Stiftung jeden Tag auszuüben versuchen, wenn sie die Welt der Aussagen in richtige und falsche teilen und andere dazu bringen wollen, ihre Einteilung, ihre vollkommen undemokratische, weil totalitär verordnete, weil nicht begründete Einteilung zu teilen.
Es ist schon verständlich, dass Menschen, die sonst nichts haben, keine Zivilcourage z.B., um etwas anderes als Abhängiger von staatlichen Zuwendungen zu werden, davon träumen, Macht über Dritte ausüben zu können, ihnen den Mund verbieten zu können, sie zu Zombies der politischen Korrektheit machen zu können, die Zivilcourage unnötig macht. Es mag gelingen, manchen, vielleicht auch vielen einzureden, dass sie bessere Menschen und zivilcouragierte Menschen sind, wenn sie Büros der AfD beschädigen und die vorgegebene Bestimmung von Humanismus und Demokratie inhalieren.
Es wird aber immer Menschen wie uns geben, die die Zivilcourage aufbringen darauf hinzuweisen, dass Online-Wächter die Totengräber von Demokratie sind, weil sie nämlich zerstören, was sie angeblich schützen wollen; die darauf hinweisen, dass ein materiell motivierter Zivilcouragierter, der sich gegen die Beseitigung von Meinungsfreiheit stellt, für der Erhalt einer Demokratie mehr wert ist als 1000 ideologische Zombies, die sich als Kämpfer für das zivilcouragierte Paradies fühlen und ihr Mütchen in so herausragenden Aktionen wie Denunziation und Verleumdung zur Schau stellen.
Versuche, wie der von uns vor einigen Tagen beschriebene Versuch, eine Online-Stasi zu etablieren, sind umsonst, denn sie ziehen nur die Claqueure an, diejenigen, die auf Führung gewartet haben und darauf angewiesen sind, von anderen bestätigt zu bekommen, dass sie gute Menschen sind, die auf der richtigen Seite stehen, Menschen also, denen jede Zivilcourage fehlt.
Zivilcourage erfordert es, eigenen Prinzipien zu folgen und zuweilen oder oft gegen den politisch-korrekten Mainstream zu kämpfen, weil der politisch-korrekte Mainstream intolerant ist, Andersdenkende nicht akzeptiert und weder human noch demokratisch ist. Er ist nicht demokratisch, weil er denen demokratische Rechte verweigern will, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Er ist nicht human, weil er die eigenen Anhänger enthumanisiert, sie zu Zombies macht, die hinter Vorgaben hertrotten, ihnen das Recht abspricht, eigene Entscheidungen zu treffen und alle, die von den Vorgaben abweichen, als Feinde zum zivilcouragierten Abschuss freigibt.
Der Versuch, den Begriff “Zivilcourage” zu hijacken, er ist ein weiterer Versuch in der zwischenzeitlich schon längeren Reihe der Versuche, die Gesellschaft in zwei Teile zu spalten, in Wutbürger und Gutbürger, Problembürger und Bravbürger, in Fieslinge und Zivilcouragierte. Insofern der Versuch, eine Gesellschaft zu zerteilen und Teile von Ressourcen und Mitsprache auszuschließen, ein anti-demokratisches, totalitäres Unterfangen ist, erweisen sich die Prediger der Zivilcourage, die Online-Wächter als würdige Nachfolger des letzten deutschen Versuches, eine Gesellschaft in ein Gefängnis zu verwandeln und ihre Mitglieder mit gegenseitigem Misstrauen zu infizieren.
Insofern Pamphlete wie das von Gerd Meyer in wissenschaftlichen Verlagen erscheinen und in Büchern, die den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, muss man zudem konstatieren, dass einmal mehr der Versuch, gesellschaftlichen Widerspruch durch eine Instrumentalisierung der Wissenschaft, dieses Mal nicht im Namen von Marx und Lenin, sondern im Namen von vermeintlich Humanismus und Demokratie zu unterbinden, im Gange ist. Ist am Ende Zivilcourage notwendig, Zivilcourage, zu der sich auch oder gerade Wissenschaftler aufraffen müssen?
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Hallo!
Und immer wieder wird “vergessen” zu erläutern, worin eigentlich die Courage dann besteht, wenn ausschließlich der mainstream bestätigt wird….
Bei “Demokratie-Kompetenz” hat sich mir bereits so der Magen umgedreht, dass ich vorläufig erst einmal aufgegeben habe, den Text weiter zu durchforsten.
Zum Thema Zivilcourage: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umstrittenes-urteil-in-ludwigsburg-amtsgericht-bestraft-helfer.0e912ce4-0806-486e-9f32-86239c65dee6.html
Solcher Art “Urteile” häufen sich in letzter Zeit. Aber was soll`s… In einem Land, in dem sich eine vergewaltigte Frau(lt. ihrer Aussage) mit inbrunst bei ihren Vergewaltigern entschuldigt, ist mehr zu vermissen als Zivilcourage. Ich muß wohl nicht erwähnen das dieses Mädel Sprecherin der Linksjugend ist. Einem Verein der von der Selbstdarstellung her vor Couragiertheit nicht laufen kann. Bei Licht betrachtet “kämpfen” die gegen alles mögliche, nur nicht gegen etwas wozu tatsächlich Mut gehört: nämlich gegen die alles erdrückende politischen Korrektheit.
Im Gegenteil. Grüne und Linke sind heute Synonyme für Gleichschaltung und vorauseilendem Gehorsam.
“Demokratie” und “Humanismus” (mir kommt gleich das Abendessen wieder hoch) dienen hier lediglich als gesellschaftlich legitimierte aber substanzlose Vehikel für Meyer’s kollektivistisches Ansinnen. Lebte und “forschte” er in einer nahöstlichen islamischen Gesellschaft, so wäre für einen wie ihn ganz gewiß die ISIS die reinste Form von “Zivilcourage”. Und ich sage das mit Bedacht, denn wie er und seine zahllosen Gesinnungsgenossen sich mittlerweile äußern und verhalten, ist eine Form der Raserei, deren Dynamik nicht selten in Bürgerkrieg und Genozid enden.
das sehe ich auch so
An sich ließe sich ein Problem wie diese Online-Stasi und die damit verknüpften Nichtregierungsorganisationen recht einfach aus der Welt schaffen, indem die Regierung derartige primär nicht-materiell interessierte nicht mehr mit Steuergeldern finanziert; dann würde denen ihre Zivilcourage schnell vergehen, da sie sich Arbeit suchen müssten um wie die normalen Bösen ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
ui! die unterscheidung zwischen verhalten und handeln war mir neu. gilt diese unterscheidung nur im soziologischen kontext oder ist sie allgemeiner natur? ich frage einmal ganz naiv, da ich mir gerade einen tee zubereitet habe 😀
falls sie diesbezüglich literatur empfehlen können, würde ich mich freuen.
Die Unterscheidung ist nicht nur alt (geht im Wesentlichen auf Max Weber 1908 zurück), sondern auch sinnvoll, denn wenn Sie sich unbewusst am Ohr kratzen, dann ist das etwas anderes als wenn Sie einem Gegenüber die Hand geben. Ersteres ist Verhalten, zweiteres Handeln. Sagt Ihnen jemand, dass es ekelig ist, sich vor anderen am Ohr zu kratzen, dann erhält das Verhalten eine soziale Komponente und sie können nunmehr entscheiden, ob sie weiter “sich verhalten”, also agieren, ohne Rücksicht auf soziale Kosten oder handeln wollen, indem Sie das Kratzen am Ohr in Zukunft auf private Stunden verschieben.
Max Weber (1988). Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre.
Ich danke ihnen Herr Klein. Ich frage mich nur gerade, wie es mit Fällen aussieht, die durchaus bewusstes Vorgehen beinhalten aber nicht an jemand anderen gerichtet sind. Was ist beispielsweise wenn ich mir ein Abendbrot zubereite. Das wäre demnach auch Handeln, weil die Kunst ein Abendbrot zuzubereiten im Laufe meines Lebens mit allerlei sozialen Komponenten angereichert wurde (irgendjemand hat es mir ja mal beigebracht und somit ist die Zubereitung gewissen gesellschaftlichen Konventionen unterworfen), stimmts?
Falls sie sich über meine Fragerei wundern sollten. Ich hatte letztens mit einem Bekannten darüber gestritten, was nun Verhalten von Handeln unterscheidet.
Vielen dank für die Literaturempfehlung. Ich denke den Euro fürs E-Book hab ich noch über. hihi
“…Zubereitung gewissen gesellschaftlichen Konventionen unterworfen), …..”
Darüber musste ich sehr schmunzeln. Da habe ich auch gleich eine Frage an Sie. Was macht den Unterschied aus: Sich etwas zu essen zu machen ohne oder mit gesellschaftlicher konventionellen Zubereitung?
Aber wo Zivilcourage hinführen kann, ist uns ja an Hand dieses Jugendlichen vorgeführt worden. Also, ich wäre da vorsichtig, wenn da auch immer Preise für so einen Waghalsigen von XY vergeben werden.
Meine ganz eigene Meinung dazu ist,(das Wort persönlich mag ich gar nicht) sich nicht zu verbiegen, sondern seinen Weg zu gehen ohne dabei zu denken, was wohl die anderen dazu sagen würden. Das ist für mich Zivilcourage.
Wie kommen sie auf diese Frage?
Ich gehe davon aus, dass niemand hier in der Lage ist sich “zu essen zu machen” ohne bereits eine lange Liste gesellschaftlicher Konventionen Rechnung zu tragen. Das heißt auch wenn sie sich lediglich selbst “zu essen machen”, dann geschieht das auf Basis von ehemaligen Handlungen, die einmal auf andere (auf Sie) zielgerichtet waren ohne das die Handlung sich selbst etwas “zu essen machen” auf andere zielgerichtet zu sein braucht. Wäre dem nicht so, dann wäre sich etwas “zu essen zu machen” Verhalten, was recht kontraintuitiv wäre, außer sie verstehen unter “sich etwas zu machen” mit Nahrungsmitteln herumzupanschen und es sich dann anschließend mit den Händen in den Mund zu schieben.
Ich wollte nur den Unterschied hervorheben, zwischen kochen, was ja durchaus mit Zeremonie verbunden sein kann bis zum servieren.
Auf der anderen Seite – “sich etwas zu essen zu machen” Sie können das auch panschen nennen, in gewisser Form kann ist es das auch, aber so weit würde ich nicht gehen.
Man sucht sich unter den Dingen, die man hat, etwas zusammen, z. B. gekochten Reis, eine Karotte, Zucchini, Zwiebel und Tofu, Pfeffer et cetera.
Das schmeisst man in die Pfanne, lässt es ein bisschen brutzeln, löscht es mit etwas Wasser ab und schon kann man es, wenn man will, aus der Pfanne essen.
Ohne jede gesellschaftlich Konventionen.
Konnte ich Ihnen hiermit den Unterschied zwischen kochen und etwas zu essen machen verständlich machen?
Auf diesen Unterschied bin ich aufmerksam geworden, weil man mich oft fragte, was kochst du dir heute und ich immer antwortete, ich kann nicht kochen, aber ich mache mir was zu essen. Das hat manche sehr irritiert.
Übrigens zu meinen barbarischen Koch- und Essgewohnheiten möchte ich zu meiner Entschuldigung noch hinzufügen, dass ich niemals Dosen verwende.
Was sie schreiben ist eher Zeugnis davon ein gewandter Koch zu sein. Ab einem bestimmten Grad gewinnt die Intuition über das Abarbeiten von Regeln (oder in diesem Fall Rezepten) sodass das, was man sich in die Pfanne schmeißt auch etwas wird. Ich koche auch so, wie sie es beschrieben haben.
Dennoch sind da Reste angelernter Kniffe von Oma und Mutti inbegriffen. Würden wir jemals wissen, dass Reis weich wird, wenn man ihn kocht, wenn wir es nicht einmal gelernt haben? Also ich würde das nicht “Verhalten” nennen. Sie etwa? Für mich sind da “kochen” und “essen machen” ein und das Selbe. Degradieren Sie doch nicht ihre Kochkünste so 😀
Ich denke Hubert Dreyfus hat die Entwicklung der Kompetenzen beim Menschen vom Regeln ausführenden Anfänger bis zum, auf seinen Intuitionen vertrauenden, Experten recht gut beschrieben.
http://www.amazon.de/K%C3%BCnstliche-Intelligenz-Hubert-L-Dreyfus/dp/3499181444/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1455487754&sr=1-2
Der Titel mag irreführend sein, da das Buch als Kritik an diejenigen gerichtet ist die allen ernstes glauben man könne alles bewusstes Handeln und Entscheidung die auf lang erworbenen Erfahrungswerten fußen einfach so programmieren.
Danke für das Kompliment. Ich “koche” ohne jede Regel, sondern aus dem Bauch heraus,
also nur meiner Intuition folgend.
Ich habe diese angelernten “Kniffe” von meiner Mutter, an deren “Kochkünste ich mich bis zum heutigen Tage erinnere.
Vor allem Wirsingeintopf und Kohlroladen – und jeden Sonntag wurde so ganz nebenher noch ein Napfkuchen gebacken.
Und das unter einfachsten Bedingungen. 1945 – wir wurden mit der “Berliner Storch nach Ostfriesland evakuiert – nur Frauen und Kinder. Mein Vater musste in Berlin bleiben.
Dort wohnten wir dann bei einer Familie, in deren Einfamilienhaus wir ein Zimmer bewohnten, wo alles stattfand. Das kann sich heute überhaupt kein Mensch vorstellen.
Das tolle um uns herum war die Natur und das natürliche Essen, auch gab es um uns herum viele Bauernhöfe.
Ich erinnere mich z. B. an den Augustapfel, ein Riesenapfel auf relativ kleinen Bäumen, mit auch nur wenig Früchten; den wir dann auch oft noch klauten, denn da gab’s nicht viele von. Diesen Duft – einmalig.
Aber um das eigentliche Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren:
Zivilcourage wurde uns in der Kindheit bereits in die Kinderschuhe gelegt. Eine ganz spezielle “Kinderccourage”, denn wir lebten fast nur draussen. Und da ging es heiss her.
Obwohl wir kaum etwas hatten, hatte ich eine glückliche Kindheit, allerdings mit der großen Sehnsucht nach meinem Vater.
In das empfohlene Buch schaue ich rein, sobald ich mehr Zeit habe.