Schandfleck Sachsen: Schämen im Bundestag

Wir haben eine kleine Analyse der Bundestags-Debatte über Sachsen durchgeführt. Hier sind die Ergebnisse der Schandfleck-Diskussion.

Schande und schämen:

Dr. Dietmar Bartsch, DIE LINKE

“Diese Vorfälle in Clausnitz und Bautzen sind verabscheuungswürdig, sind widerlich und sind eine Schande für unser Land.”

Dr. Anton Hofreiter, Bündnis90/Die Grünen

“Es ist eine Schande für unser Land, was in Clausnitz passiert ist und was jeden Tag an vielen Orten in Deutschland passiert.

Caren Lay, Die LINKE

politics“Wir haben in Sachsen allein in diesem Jahr 33 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 15 Körperverletzungen gehabt. Das ist eine einzige Schande.”

Erschrocken, bestürzt und erschüttert sein:

Dr. Günter Krings, parlamentarischer Staatssekretär

“In den letzten Tagen haben uns die erschreckenden Vorfälle in den sächsischen Orten Clausnitz und Bautzen bestürzt.”

Caren Lay, Die LINKE

“Diese Pogromstimmung gegen Flüchtlinge, meine Damen und Herren, ist nicht vom Himmel gefallen. Schauen wir doch einmal in den Landkreis Bautzen, wo dieser schreckliche Anschlag am Wochenende stattfand.

Marian Wendt, CDU/CSU

“Noch am vergangenen Donnerstag habe ich in der Debatte gesagt: „Die
gesellschaftliche Entwicklung zu einem Mehr an Gewalt in unserem Land sehe auch ich mit großer Sorge.“ Jetzt muss ich leider hinzufügen, wie sehr mich die Verrohung
erschreckt. Wir sind anscheinend an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Solchen Menschenfeinden wie denjenigen vom Wochenende müssen wir entgegentreten.”

Dr. Johannes Fechner, SPD

“Der Brandanschlag von Bautzen und die widerlichen Krawalle bei der Busblockade in Clausnitz sind weitere Tiefpunkte aus den vergangenen Tagen. Sie zeigen, dass es leider immer mehr Menschen in Deutschland gibt, die Flüchtlinge auf menschenverachtende Weise angreifen. Es ist abstoßend und bestürzend, dass über 100 Menschen in Clausnitz Flüchtlinge eingeschüchtert und bedroht haben, unter ihnen Familien, etwa Frauen und Kinder, die schlimme Verfolgung und einen gefährlichen
Fluchtweg hinter sich haben, die niemandem irgendetwas getan haben, die zu uns gekommen sind, weil sie Schutz vor Terror und Verfolgung suchen. Deshalb ist es
beschämend, dass über 100 Menschen diese Flüchtlinge bedroht und eingeschüchtert haben.

Schandfleck Sachsen:

Caren Lay, Die LINKE

“In Sachsen herrscht eine Pogromstimmung gegen Flüchtlinge.”

Dr. Dietmar Bartsch, Die LINKE

“… es ist kein Zufall, dass diese Vorfälle in Sachsen geschehen – erst Heidenau und Freital, dann Bautzen und Clausnitz, jeden Montag Pegida in Dresden.
All das ist auch Ergebnis einer verhängnisvollen Politik, die unter CDU-Verantwortung in Sachsen über 25 Jahre hinweg gemacht wird.”

Uli Grötsch, SPD

“Schauen Sie sich einmal die Karte der Amadeu Antonio-Stiftung zu Brandanschlägen an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für mich ist das die Karte der Schande. Die roten Punkte markieren rechte Übergriffe seit Januar 2015. Sachsen ist als einziges Bundesland komplett übersät mit roten Punkten. Jeder sechste Anschlag
auf Asylunterkünfte im letzten Jahr fand in Sachsen statt. Diese Orte in Sachsen, die ich eben aufgezählt habe, haben in den letzten Wochen und Monaten sehr zweifelhaften Weltruhm – kann man fast schon sagen – erlangt. Diese roten Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, markieren Dunkeldeutschland.

Uli Grötsch, SPD

“Es ist Sachsen, wo das LfV Pegida gewähren lässt, obwohl dort zur Exekution von Menschen an den Grenzen aufgerufen wird, obwohl dort Galgen hochgehalten werden und Parolen gegrölt werden, die anderswo undenkbar sind.

Günther Baumann, CDU/CSU

“Der Ruf Sachsens und Deutschlands ist durch einzelne Bürger, die sich außerhalb des Gesetzes befinden, zu Schaden gekommen.”

Susann Rüthrich, SPD

“Ich komme zum Schluss. Ihr Pöbler, die ihr unsere Heimat in den Dreck zieht: Ihr seid nicht Sachsen; ihr seid nicht das Volk. Ihr nicht! Eure brutalen Rückzugsgefechte werden eine offene, demokratische Gesellschaft nicht verhindern. Auch wenn es uns wehtut: Ihr werdet keinen Erfolg haben. Dafür können wir alle sorgen, jeder und jede in seiner und ihrer Verantwortung.”

Marian Wendt, CDU/CSU

“Die Pauschalisierungen und Anfeindungen haben jeden Sachsen getroffen. Lesen zu müssen, alle Sachsen seien im Grunde Nazis, ist gerade gegenüber den vielen
engagierten Menschen dort zutiefst ungerecht.”

Michael Leutert, Die LINKE

“Sturm 34 – 2006, 2007 in Mittweida. In Mügeln – wer sich noch daran erinnert; so lange ist es noch nicht her – prügelte 2007 ein aufgebrachter Mob von 50 Leuten mehrere Inder durch die Stadt und skandierte: Hier herrscht der nationale Widerstand. – Das ist sächsische Realität. Im Übrigen: Auch der NSU hat in Sachsen Unterschlupf gefunden.”

Und schließlich:

Volker Beck, Bündnis90/Die Grünen

“Herr Kretschmer, ich habe das Gefühl, dass wir so, wie Sie das Thema in Ihrer Rede betrachten und beschreiben, noch keinen wirksamen Kampf gegen die rechten Hetzer, die wir in Sachsen und anderen Teilen unserer Republik auf den Straßen sehen, führen, dass wir hier noch nicht wirklich vorankommen.”

Die Debatte vom 24. Februar, bei der Sachsen, alle Sachsen, manche Sachsen, manche Sachsen, die nicht das Volk sind, Hetzer und Rassisten, Rechtsextreme und Pöbler auf der Anklagebank saßen, sie hat im Wesentlichen die folgenden Ergebnisse erbracht:

  • Sachsen ist ein besonderer Nährboden, ein brauner Sumpf, darin sind sich die Abgeordneten weitgehend einig. Warum? Weil in Sachsen relativ die meisten Straftaten gegen Flüchtlinge oder Flüchtlingsunterkünfte registriert werden.
  • Schuld daran ist die CDU, für die LINKE und die Grünen, die DDR-Vergangenheit, für einen Staatssekretär und zu wenig Geld, das für Projekte zur Verfügung steht, die gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder sonstiges Unerwünschtes arbeiten, für deren Lobbyisten.
  • Schuld daran, ist der Abbau von Polizeistellen in Sachsen oder auch nicht…
  • Schuld daran ist das Landesamt für Verfassungsschutz, das die Pegida gewähren lässt.
  • Alle Abgeordneten sind betroffen, beschämt, erschreckt, entrüstet, bestürzt, mehr Adjektive gibt das Handbuch emotionaler Tangiertheit nicht her.
  • In Sachsen herrscht eine Pogromstimmung, und die ist nicht vom Himmel gefallen.
  • Es gibt Menschenfeinde, die selbst Menschen sind und Menschen auf menschenverachtende Weise angreifen.
  • Sachsen ist Dunkeldeutschland.
  • Alle Sachsen sind Nazis.
  • Manche Sachsen sind Nazis.
  • Viele Sachsen sind Nazis.
  • Einzelne Sachsen sind Nazis.
  • Michael Leuter schließt gerne fehl (individualistischer Fehlschluss, unzulässige Verallgemeinerung).
  • Volker Beck hat ein Gefühl.

Die Ergebnisse sind nicht unbedingt das, was man kohärent nennt, so dass man sich fragt, zu welchem Zweck Debatten wie die vom 24. Februar eigentlich stattfinden. Sie finden sicher nicht zu dem Zweck statt, eine Erklärung dafür zu finden, dass in Bautzen Menschen applaudieren, wenn eine leere Flüchtlingsunterkunft in Brand steht. Es scheint sich eher um eine Art Happening zu handeln, bei dem es zur Etikette gehört vorzugeben, man sei betroffen, bestürzt, erschreckt, erschüttert usw. über das, was dort geschehen sei.

Dabei ist es nicht schwierig zu erklären, warum Menschen klatschen, wenn ein Haus in Brand gesteckt wurde, das für sie ein Symbol dafür ist, dass ihre Stimme nicht gehört wird. Ebenso wenig ist es ein Problem, eine lokale Häufung von Straftaten zu erklären. Die kriminologische und die sozialpsychologische Forschung tut dies seit mehreren Jahrzehnten und mit großem Erfolg unter dem Stichwort des Hotspots.

Demnach werden in Sachsen nicht deshalb mehr Straftaten gegen Flüchtlinge oder Flüchtlingsunterkünfte gezählt, weil Sachsen ein brauner Sumpf ist, ein Land, in dem Pogromstimmung herrscht oder ein Land ist, in dem die CDU seit 1990 an der Regierung ist. Sachsen hat deshalb relativ viele Straftaten zu verzeichnen, weil Sachsen in der Rangliste der Medienberichterstattung spätestens seit den Vorfällen in Heidenau eine besondere Bedeutung erlangt hat und tatsächlich zeigt sich, dass nach Heidenau eine Zunahme von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen zu verzeichnen ist.

Wer öffentlichkeitswirksam brandstiften will, der tut dies am besten in Sachsen. Beleg? Wer hat schon etwas von der Brandstiftung in Herxheim gehört? Wer weiß überhaupt, wo Herxheim liegt? Medien haben somit einen nicht geringen Anteil daran, dass Sachsen in Deutschland die relative Rangliste der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte und Flüchtlinge anführt. Stiftungen, wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, für die es gar nicht genug Straftaten mit “rechtsextremem Hintergrund” geben kann, weshalb sie Sturm laufen gegen offizielle Statistiken, die angeblich zu wenige Straftaten auflisten, sie tragen ebenfalls eine Mitschuld daran, dass Sachsen so prominent ist, wenn es darum geht, einen Brand zu stiften, der medienwirksam wird.

Was braucht es noch zum Hotspot?

Wirtschaftlichen Erfolg: Sachsen ist das wirtschaftlich erfolgreichste der neuen Bundesländer. Die Sachsen haben mehr zu verlieren als z.B. die Thüringer oder die Brandenburger. Entsprechend reagieren sie empfindlicher, wenn sich ihre Repräsentanten in den Parlamenten (oder die, die vorgeben es zu sein) weigern dann zuzuhören, wenn sie ihre Meinung zu Flüchtlingen oder Flüchtlingspolitik zum Ausdruck bringen.

Kurz:

Felson CrimeDie Ausgrenzung von Kritik an der Flüchtlingspolitik, die Aufmerksamkeit, die Sachsen durch Medien gewidmet wird und die vielen negativen Berichte, die in Medien über Sachsen im Zusammenhang mit Rechtsextremismus, Rassismus, Pegida und Flüchtlingen zu finden sind, sie schaffen nicht nur Aufmerksamkeit dafür, dass Sachsen der Ort ist, an dem man seinen Widerstand deutlich machen muss, sie starten auch einen sich-selbst-verstärkenden Prozess, denn mit jedem medienwirksamen Anschlag, der von vielen aufgebrachten Gutmenschen zum Anlass genommen wird, Sachsen zum El Dorado der Rassisten und Menschenfeinde zu stilisieren, steigt der Wert von Sachsen für diejenigen, die ihren Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik – die Bundes-Flüchtlingspolitik – auf spektakuläre Weise zum Ausdruck bringen wollen.

Insofern sind die kollektivistischen Politiker, die im Bundestag Sachsen in Pogromstimmung sehen und alle Sachsen über den Kamm des Rechtsextremismus scheren wollen, Teil des Problems, das sie selbst sehen: Sie sind gerade diejenigen, die Sachsen herausheben, zu etwas Besonderem stilisieren, die Nachricht verbreiten: Wenn Du öffentlichkeitswirksam mit Straftaten werden willst, geh’ nach Sachsen und steck’ eine leere Flüchtlingsunterkunft an!

Sie sind Trendsetter, jene selbstdeklarierten guten und entrüsteten Menschen aus dem Bundestag

 

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