Menschenopfer – Kollateralschäden im Kampf für das “Gute”

Kardinalinquisitor Don Fernando Niño de Guevara

Matthias Holland-Letz, ist ein Kämpfer für das Reine und Gute. Deshalb war er schon Gegenstand auf diesem Blog, denn Holland-Letz ist der Großinquisitor, der sich im Dienste (oder Auftrag?) der GEW um die Reinheit der Wissenschaft sorgt. Die Reinheit der Wissenschaft sieht Großinquisitor Holland-Letz vor allem durch Privatisierung in Frage gestellt, und entsprechend richtet sich seine ganze Wut gegen Privatisierungstendenzen im Bildungssystem, denn, so muss man die Logik dahinter wohl rekonstruieren, private Unternehmen, die sich über Stiftungen oder die Vergabe von Drittmitteln in (Hoch-)Schulen und Universitäten engagieren, beschmutzen die Reinheit der Wissenschaft. Private Investitionen tragen den Virus des Bösen in die heiligen Hallen der objektiven Erkenntnis. Und wie immer wenn heilige Kriege geführt werden, heiligt der Zweck die Mittel oder anders formuliert: Das Gute, die reine Wissenschaft wird auf einem Weg erkämpft, auf dem man auf Kollateralschäden keine Rücksicht nehmen kann.

Matthias Holland-Letz ist nicht allein in seinem wackeren Kampf gegen den Teufel “Privatisierung”, Professorin Dr. Andrea Liesner leistet ihm dabei tatkräftig Unterstützung. Dr. Andrea Liesner ist seit 2007 UniversitätsprofessorIN für Erziehungswissenschaft mit dem Arbeitsschwerpunkt ‘Bildungsprozesse im Kontext ökonomischer Transformation’, einem Arbeitsschwerpunkt, der sie auch gelegentlich und gemeinsam mit der GEW gegen die Privatisierung  und Kommerzialisierung von Bildung kämpfen lässt. Denn, nicht vergessen, Privatisierung ist schlecht, aus Sicht der GEW. Warum ist Privatisierung schlecht aus Sicht der GEW? Nun, die Gewerkschaft lebt davon, eine große Zahl von Mitgliedern ins Feld führen zu können, Mitglieder sind ihr Verhandlungspotential, ohne Mitglieder vor Ort, kein Einfluss der GEW. Alle Versuche, z.B. die schulischen Nachteile von Jungen in Abrede zu stellen, wären nur die Versuche, einer irrelevanten Sekte von Eiferern, verfügte die GEW nicht über eine Mitgliederbasis, die man immer dann, wenn es gerade opportun ist, auf die Straße schicken kann. Privatisierung ist gleichbedeutend mit einem Einflussverlust der GEW, und entsprechend bekämpft die GEW die Privatisierung. Großinquisitor Matthias Holland-Letz ist in diesem Kampf ein nützliches Mittel.

Selbstverständlich hat der Kampf von GEW und Holland-Letz eine göttliche Weihe, denn während der Einfluss privater Organisationen schlecht ist, ist der Einfluss der GEW gut. Das ist nun einmal so, der Gott der Gewerkschaft hat das gesagt. Mehr lässt sich dazu auch nicht sagen, denn obwohl ich mich wirklich bemüht habe, ist es mir nicht gelungen auch nur eine konkrete Aussage darüber zu finden, worin denn nun der negative Einfluss privaten Engagements im Bildungsbereich besteht. Also: Werden Kinder durch die Investitionen von z.B. Müller Milch in der Schule gezwungen, morgens, mittags und abends Reisbrei zu essen, natürlich von Müller? Werden Studenten durch die Unterstützung von Apple dazu gezwungen, morgens, mittags und abends Hip Hop im Applet zu hören, natürlich aus dem Apple Store? Derart konkrete Fragen bleiben unbeantwortet; das beste Zeichen dafür, dass hier von GEW und Holland-Letz ein heiliger Krieg geführt wird, in dem es ausschließlich darum geht, die eigenen Interessen zu schützen.

Und, wie gesagt, wenn heilige Kriege geführt werden, gibt es Kollateralschäden. Das letzte Menschenopfer, das dem Gott der Reinheit der Universität dargebracht wurde, ist eine Studentin von Frank Thissen, die eine Arbeit mit dem Titel “Das IPad im Schuleinsatz – Möglichkeiten und Grenzen für die didaktische Nutzung im Grundschulunterricht” verfasst hat. Und so wie der nächtliche Alptraum eines Schaafhirten im Mittelalter den Inquisitor auf den Plan gerufen hat und ihn nicht hat ruhen lassen, bis die Seele des Schaafhirten endlich durch die reinigenden Flammen des Scheiterhaufens vom Teufel befreit wurde (Behringer, 1994), so hat diese Arbeit, nach der man im Internet wirklich intensiv suchen muss, bis man sie findet, Matthias Holland-Letz auf den Plan gerufen. Und nicht nur ihn, Lehrstuhlbesetzerin Andrea Liesner kommt die Arbeit auch gelegen, um zu sagen, was sie schon immer einmal sagen wollte: das besagte Werk bestätige “den aktuellen Trend zur Gefährdung durch eine zu große Wirtschaftsnähe”. Man soll nicht voraussetzen, dass eine Erziehungswissenschaftlerin Deutsch kann. Gemeint ist natürlich eine Gefährdung durch den aktuellen Trend zu großer Wirtschaftsnähe”. Worin dieser Trend besteht, welches Ausmaß er hat, ob es ihn überhaupt gibt, warum Wirtschaftsnähe gefährlich ist, gefährlicher z.B. als GEW-Nähe, derartige Fragen werden natürlich nicht beantwortet. Es handelt sich hier um einen heiligen Krieg, den muss man nur führen, nicht begründen.

Eine Bacherlorarbeit, geschrieben an einer eher peripheren Hochschule hat demnach den Effekt des Urknalls. Und so wehren Holland-Letz und Liesner den Anfängen dieses gefährlichen Trends, wenn sie auch offensichtlich keine Vorstellung haben, worin die Effekte bzw. die Folgen dieses “gefährlichen Trends” bestehen. Wie gesagt, derartige Fragen sind hinderlich, im heiligen Krieg für die Reinheit der Universitäten, für die unbefleckte Empfängnis von wissenschaftlicher Erkenntnis. Unbefleckte wissenschaftliche Erkenntnis hat z.B. Andrea Liesner, die Kämpferin gegen “den aktuellen  Trend zur Gefährdung …”, wenn sie feststellt: “Die fachwissenschaftliche Literatur ist extrem dünn” und die “forschungs-methodischen Überlegungen seien “schwach”. Gegenstand dieses Verdikts ist wieder die oben bereits erwähnte Bachelorarbeit, die – wegen der Reinheit der Wissenschaft – nicht zu tolerieren ist. Ich frage mich allerdings, was darunter zu verstehen ist, wenn die fachwissenschaftliche Literatur als zu “dünn” angesehen wird. Ist fachwissenschaftliche Literatur erst “gut” wenn sie, sagen wir, mehr als 500 Seiten umfasst, und entsprechend “dick” ist? Und was um aller Götter Willen sind forschungs-methodische Überlegungen? Allein die Nutzung dieses Begriffspaars “forschungs-methodisch” zeigt die Fremdheit mit der  Professorin Dr. Liesner  methodischen und methodologischen Standards gegenübersteht. Scheinbar ist die unbefleckte Empfängnis wissenschaftlicher Erkenntnis auch eine Empfängnis, die bar wichtiger Kenntnisse ist. Aber das schlimmste Verdikt der Erziehungswissenschaftlerin aus Hamburg lautet: “Die Arbeit liest sich in weiten Teilen als Werbetext für die Firma Apple”. Abermals ist unsere Erziehungs-Professorin des Deutschen nicht ganz mächtig, meint sie doch, “wie ein Werbetext” und nicht “als”. Scheinbar ist der Eifer, an besagter Studentin ein Exempel zu statuieren, mit ihr durchgegangen. Und wenn man heilige Kriege führt, kann man auf so nebensächliche Dinge wie die Grammatik keine Rücksicht nehmen.

Ziel des heiligen Krieges, der auf dem Rücken der Studentin von Frank Thissen ausgtragen wird, ist überigens, Drittmittelförderung in Bausch und Bogen zu bekämpfen. Drittmittel machen in den Augen von Holland-Letz Universitäten unabhängig von staatlicher Förderung, und wo kämen wir denn hin, wenn Universitäten selbständig und ohne staatliche Vorgaben, am Ende ohne Intervention des Kultusministeriums über ihre Mittel und Ziele bestimmen könnten? Nicht auszudenken, am Ende hätten wir eine freie Wissenschaft, eine Wissenschaft, die sich einfach staatlicher und GEW-Kontrolle entziehen kann – erschreckend! Aber, wie meist, so ist Holland-Letz auch mit Blick auf die Drittmittel ein Ahnungsloser unter den Unwissenden (als Inquisitor muss man keine Fakten kennen, die sind nur hinderlich, wenn man die eigene “Wahrheit” mit dem Schwert verbreiten will). Deshalb will ich an dieser Stelle ein wenig zur Illumination von Matthias Holland-Letz beitragen. Die Abbildung zeigt für die Jahre 2009 und 2010 die Höhe und den Ursprung der Drittmittel. Wie sich zeigt, ist alle Angst unbegründet, die staatliche Einflussnahme auf die “freie” Wissenschaft über die Drittmittel ist bestens gesichert, zeigen doch die Daten, das die Drittmittel aus öffentlichen Quellen gestiegen sind, während Drittmittel aus privaten Quellen gesunken sind. An der Beforschung und Verbreitung gendergemainstreamter und politisch korrekter Irrelevanzen und der Verhinderung relevanter Forschung durch staatlich begünstigte Engstirnigkeit, wie sie regelmäßig in den Auftragsarbeiten des BMFSFJ zu Tage tritt, wird also auch in Zukunft kein Mangel bestehen. Wenn also überhaupt von einem Trend gesprochen werden kann, dann von einem Trend der die staatliche Drittmittel-Finanzierung von Universitäten in ihrer Bedeutung zunehmen sieht – ein gefährlicher Trend, der der Suche nach intersubjektiv prüfbarem Wissen einen Bärendienst erweist.

Epilog

Es ist schon interessant, dass eine Lehrstuhlbesetzerin in Hamburg Zeit hat, eine Bachelorarbeit aus Stuttgart zu lesen. Es ist noch interessanter, dass besagte Lehrstuhlbesetzerin sich für kompetent hält, die entsprechende Bachelorarbeit zu beurteilen. Aber am interessantesten dürfte es sein, die von der Hamburger Lehrstuhlbesetzerin bewerteten Bacherlor- und sonstigen Arbeiten zu analysieren und die Bewertung derselben zu bewerten.

Es zeugt von einem eher ungesunden Eifer, wenn Holland-Letz offensichtlich durch das Internet surft, immer auf der Suche nach dem verderblichen Einfluss, den private Finanzierung auf universitäre Forschung hat. Es zeugt von Verzweiflung, wenn er als Ergebnis einer Netzüberwachung nichts anderes als eine Bachelorarbeit vorzuweisen und zu exemplifizieren hat. Und es zeugt von geistiger Verwirrung, wenn er eine Verbindung zwischen dem Titel einer Bacherlorarbeit, dem verderblichen Einfluss von Drittmitteln aus der Wirtschaft und – ja was eigentlich, Armaggedon (?) herstellt.

Behringer, Wolfgang (1993). Chonrad Stoeckhlin und die Nachtschar. Eine Geschichte aus der frühen Neuzeit. München: Piper.

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