Wählen macht Schule? Oder sind es eher Betrug und Manipulation, die Schule machen?

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Idee. Das soll ja vorkommen, dass man eine Idee hat. Die Idee besteht darin, auf die Wahlbeteiligung wetten und den Wetteinsatz einer Grundschule zugute kommen zu lassen. Kommen genug Wetteinsätze für eine Grundschule zusammen und liegt die Wahlbeteiligung im Wahlkreis der Grundschule um 6% höher als bei der letzten Bundestagswahl, dann gibt es Geld, wenn nicht, geht der Wetteinsatz in einen Jackpot, der unter allen Schulen, auf die gewettet wurde, aufgeteilt wird.

Soweit die Idee.
Nun zur Umsetzung.
Sie benötigen Mitstreiter.
Sie benötigen einen Webauftritt.
Sie benötigen Publicity, denn die Aktion lebt davon, dass viele sich daran beteiligen.
Sie benötigen Geld.

Wie stellen Sie es an, mit Ihrer Idee einen Hund vor hinter dem Ofen hervorzulocken?
Seltsamerweise gelingt es manchen Ideen, und seien sie noch so verschroben, innerhalb kürzester Zeit in Medien zu gelangen. So ist es der Aktion „Wählen macht Schule“ schnell gelungen, bei SZ-Online, Deutschlandfunk, Berliner Woche und Weser Kurier kostenlose Werbung zu erhalten. Auch die Webpräsenz ist schnell zusammengestellt, die entsprechenden Programmierer und Gestalter waren wohl bei der Hand und Kosten kein Problem. Mitstreiter sind auch schnell gewonnen, sieben an der Zahl. Und damit sind wir in der Realität angekommen, denn die Idee, von der wir berichtet haben, sie ist in die Tat umgesetzt. Man kann sie hier bewundern.

Verantwortlich dafür ist Jan Peter Schemmel, der wiederum ein Angestellter des Bundes ist, wenn er nicht gerade Fellow der „Stiftung Neue Verantwortung“ ist, ist er nämlich Direktor der internationalen Klimainitiative, die beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beheimatet ist. Zudem ist Schemmel Projektträger bei der GIZ, einer anderen Bundesbehörde, die eigentlich die internationale und nicht die nationale Zusammenarbeit im Namen trägt und beim Ministerium für ebensolche angesiedelt ist. Man sieht, eine Hand wäscht hier die andere und vielleicht ist das der Grund dafür, dass zwei der sieben Mitstreiter bei Wählen macht Schule, ebenfalls mit der GIZ in einem Vertragsverhältnis stehen. Ob dieses Vertragsverhältnis die Entwicklung der Wahlbeteiligung in Deutschland umfasst, konnten wir auf die Schnelle nicht prüfen, können daher nur feststellen, dass es etwas anrüchig ist, wenn öffentliche Bedienstete auf Basis von unklarer Finanzierung ein Projekt in die Welt rufen, dessen Ziel darin besteht, eine Wettbörse zur Erhöhung der Wahlbeteiligung zu betreiben. Dieser unzweideutige Anflug, dieses Bouquet von Korruption hat uns veranlasst, die Gründe dafür, die Wahlbeteiligung durch Wetten zu erhöhen, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Hier die Gründe:

“• Wer wählen geht, setzt ein Zeichen für unsere Demokratie und Gleichberechtigung.
• Nur wer wählt, nimmt Einfluss auf seine Zukunft. Sonst tun es andere.
• Bei Wahlen kann jede/r mitentscheiden, wohin sich das Land entwickeln soll und seinen / ihren Vorstellungen einer lebenswerten Zukunft Ausdruck verleihen.
• Wahlergebnisse haben erhebliche Auswirkungen auf unser tägliches Leben, denn sie entscheiden, wofür unsere Steuergelder eingesetzt werden.
• Wahlen tragen zur Kontrolle der Regierenden bei und stellen sicher, dass der Wille der Wahlbürger/innen auch umgesetzt wird.
• Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt unsere Demokratie, denn sie gibt der Regierung ein starkes Mandat – zuhause und in der Welt.”

Sechs Gründe, keiner davon korrekt.

(1) Wer wählen geht, mag für sich ein Zeichen setzen, vielleicht auch für Demokratie, aber mit Sicherheit nicht für Gleichberechtigung, denn Gleichberechtigung hat mit Wählen nichts zu tun. Die Wahl ist frei und gleich, nicht gleichberechtigt.

(2) Es gibt unendlich viele Lobbyisten, Politiker und Bürokraten, nichtzuletzt in Brüssel bei der EU, die mit Sicherheit mehr Einfluss auf das Leben von Hans S. in K. nehmen, als er mit der Teilnahme an allen Wahlen, die in seinem volljährigen Leben anfallen, je Einfluss auf sein Leben nehmen könnte.

(3) Das ist die einzige ansatzweise richtige Behauptung: Jeder kann seinen Präferenzen Ausdruck verleihen. Ob allerdings das Kreuz auf einem Zettel dazu führt, dass nach der Wahl auch die Interessen dessen, der das Kreuz gemacht hat, berücksichtigt werden, ist eine andere Frage, eine ganz andere Frage.

(4) Wenn Wahlergebnisse einen Einfluss auf die Verwendung von Steuergeldern hätten, dann wäre mit Sicherheit im Verlauf der rund 70 Jahre Bonner und Berliner Republik einmal jemand auf die Idee gekommen, die Steuern zu senken. Tatsächlich hat die Steuerbelastung stetig zugenommen, was zeigt, die Besteuerung ist vollkommen unabhängig davon, ob gewählt wird oder nicht bzw. wer gewählt wird oder nicht.

(5) Die Kontrolle der Regierung erfolgt nicht durch Wahlen, sondern durch den Bundestag und den Bundesrat. Wahlen sind gerade das Vehikel, die Regierung zu bestimmen, nicht, sie zu kontrollieren.

(6) Können Sie sich noch erinnern? Damals, als Michail Gorbatschow Helmut Kohl gefragt hat, wie hoch die Wahlbeteiligung war und mit welcher Legitimation er entsprechend an den zwei plus vier Verhandlungen teilnehmen will? Wir auch nicht. Die Behauptung ist Quatsch. Das einzige, was eine hohe Wahlbeteiligung nach sich zieht, ist eine Regierung, die bei jeder Entscheidung, die auf Opposition in der Bevölkerung stößt, auf ihre Legitimation durch eine hohe Wahlbeteiligung hinweisen kann.

Wir haben somit ein Projekt, das von Angestellten des Bundes ins Leben gerufen wurde, und zwar mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung positiv zu beeinflussen. Es liegt damit der Verdacht nahe, dass eine Bundesbehörde mit finanzieller oder immaterieller Unterstützung das tut, was ihr eigentlich verboten ist: In die freie Meinungsbildung der Bevölkerung einzugreifen und zu versuchen, den Ausgang einer Wahl in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Der Geruch politischer Korruption, er wird stärker. Das Bouquet wird zur Geruchsbelästigung.

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