Italienische Philosophen nehmen Stellung zum grünen EU-Impfpass
Ärzte, Pfleger, Juristen, Politikwissenschaftler, andere Sozialwissenschaftler, Philosophen und besonders ihre Berufsverbände – sie alle wären aufgrund einer Berufsethik (die sie haben sollten, aber anscheinend nicht immer haben) besonders dazu aufgerufen, kritisch zu Politiken Stellung zu nehmen, die sich dessen, was Kelman „environmental manipulation“ nennt, bedienen und die Gesellschaft in verschiedene Grade von Bürgern aufteilen.
Aber kritische Stimmen aus ihren Reihen bleiben bislang die Ausnahme, und sofern es mehr dieser Stimmen gibt, erfahren wir nicht davon, denn sie werden – so gut es geht – in den mainstream-Medien ignoriert oder zensiert. Soweit ich es sehe, ist das – was deutschsprachige mainstream-Medien betrifft und sogar englischsprachige, während die Stellungnahme in der italienischen Presse weithin berichtet wurde – auch mit der Stellungnahmen passiert, die zwei der bekanntesten zeitgenössischen italienischen Philosophen, Massimo Cacciari und Giorgio Agamben, die beide auf eine lange universitäre Lehrkarriere und Publikationskarriere zurückschauen, inzwischen beide über 70 Jahre alt sind und politisch fraglos, sagen wir: links der Mitte, angesiedelt sind, am 26. Juli abgegeben haben.
Es handelt sich um eine Stellungnahme zum Dekret Nummer 105 der italienischen Regierung vom 23.07.2021, das am 06. August in Kraft getreten ist und sich auf den sogenannten grünen (Impf-)Pass bezieht, der die Voraussetzung dafür ist, dass man Museen besuchen kann, an Sportveranstaltungen teilnehmen kann u.a.m., und das Strafen für diejenigen vorsieht, die sich nicht an die entsprechenden Regeln halten, ähnlich wie das in Deutschland bereits seit Mitte Juni der Fall ist.
Die Stellungnahme der beiden Philosophen ist in der Reihe von Texten erschienen, die das Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, also das Italienische Institut für Philosophische Studien, das in Neapel seinen Sitz hat, unter dem Titel „Diario della crisi“, d.h. „Krisentagebuch“ veröffentlicht. Der Text kann im italienischen Original hier nachgelesen werden und in einer englischen Übersetzung hier.
Für diejenigen, die beider Sprachen nicht mächtig sind, folgen hier die Stellungnahme der beiden Philosphen in meiner Übersetzung aus dem ialienischen Original ins Deutsche (so wörtlich wie möglich und/aber auch so sinnentsprechend wie möglich, und daher stellenweise etwas frei):
„Die Diskriminierung einer Kategorie von Personen, die automatisch zu Bürgern zweiter Klasse werden, ist an sich eine sehr ernste Angelegenheit, die für ein demokratisches Zusammenleben dramatische Konsequenzen haben kann. Und das ist es, womit wir, ohne es zu wissen und leichtfertig, in Gestalt des sogenannten grünen Pass konfrontiert sind. Jedes despotische Regime hat immer mit Diskriminierungspraktiken operiert, zunächst vielleicht verhalten, aber dann immer invasiver/übergriffiger. Nicht zufällig erklärt die chinesische Regierung, dass sie beabsichtigt, mit der Rückverfolgung und Kontrolle [von Bürgern] auch nach dem Ende der Pandemie fortzufahren. Und es lohnt sich, sich an den „internen Pass“ zu erinnern, den die Bürger der Sowjetunion den Behörden vorzeigen mussten, um sich innerhalb des Landes bewegen zu können. Wenn dann ein Politiker in faschistischer Sprachmanier Sätze wählt wie „Mit dem grünen Pass werden wir sie säubern“, um Nicht-Geimpfte anzusprechen, dann steht wirklich zu befürchten, dass wir bereits jede verfassungsmäßige Garantie hinter uns gelassen haben.
Wehe, wenn sich der Impfstoff in eine Art politisch-religiöses Symbol verwandelt. Das würde nicht nur ein inakzeptables antidemokratisches Abdriften darstellen, sondern auch im Widerspruch zur wissenschaftlichen Evidenz stehen. Niemand lädt dazu ein, sich nicht impfen zu lassen! Es ist eine Sache, den Nutzen des Impfstoffes zuzugestehen, aber eine vollkommen andere, darüber zu schweigen, dass wir uns noch in einer Phase des „Massenversuches“ befinden und dass die wissenschaftliche Debatte hinsichtlich vieler, grundlegender Aspekte des Problems noch gänzlich offen ist. Das Amtsblatt des Europäischen Parlamentes vom 15. Juni stellt ausdrücklich fest: ‚Es ist notwendig, direkte oder indirekte Diskriminierung von Personen zu vermeiden, die nicht geimpft sind, sowie von Personen, die sich dafür entschieden haben, sich nicht impfen zu lassen‘. Und wie könnte es anders sein? Geimpfte können nicht nur andere infizieren, sie können auch selbst erkranken: in England hatten von 117 neuen [Covid-19-]Todesfällen 50 die zweite Impfung erhalten. In Israel wird geschätzt, dass der Impfstoff 64 Prozent derer, die ihn erhalten haben, schützt. Dieselben Pharma-Unternehmen haben offiziell erklärt, dass es angesichts der Tatsache, dass sie keine Zeit hatten, alle Tests auf Genotoxizität und auf Karzinogenität durchzuführen, nicht möglich ist, die langfristigen Schäden des Impfstoffes vorherzusehen. [In der Zeitschrift] „Nature“ wurde berechnet, dass es physiologisch möglich ist, dass 15 Prozent der Bevölkerung den Impfstoff nicht annehmen. Wir müssen also am Pass festhalten bis wann?
Alle sind von diskriminierenden Maßnahmen bedroht. Paradoxerweise sind es diejenigen, die durch den grünen Pass ‚bevollmächtigt‘ sind, noch mehr als die Nicht-Geimpften (deren Darstellung als ‚Feinde der Wissenschaft‘ und vielleicht als Befürworter magischer Praktiken eine Propaganda des Regimes gerne durchsetzen würden), nämlich in dem Moment, in dem alle ihre Bewegungen überwacht werden und sie nie wissen können, wie und von wem. Das Bedürfnis, zu diskriminieren, ist so alt wie die Gesellschaft, und es war mit Sicherheit auch in unserer schon [d.h. vor dem Auftreten von Covid-19] vorhanden, aber es heute in einem Gesetz zu verankern, ist etwas, das das demokratische Bewusstsein nicht akzeptieren kann und dem es sofort entgegenwirken muss.“
Soweit die Stellungnahme von Cacciari und Agamben.
Diese Stellungnahme ist überraschend unphilosophisch, wenn man bedenkt, dass sie von zwei Philosophen formuliert wurde. Solche, die ein Interesse haben, die Stellungnahme bzw. das, was Cacciari und Agamben in ihr schreiben, zu diskreditieren, meinen deshalb vielleicht, dass sie die schlichte Tatsache, dass die beiden Philsophen nicht-philosophische Argumente vorbringen, ausnutzen können und ihnen diesbezügliche Fehler quittieren können.
Ein solches Interesse hat offensichtlich Giovanni Boniolo, der auf den Seiten von „Scienzainrete.it“ die Stellungnahme der beiden Philosophen dem unterzieht, was er anscheinend für eine Kritik hält, die aber beim besten Willen keine darstellt, sondern eher als Parodie auf eine Kritik bzw. schlicht grober Unfug gelten kann. Wer sich davon überzeugen möchte (und hinreichend gut Italienisch kann) und nichts besseres mit seiner Zeit anzufangen weiß, kann diese Parodie auf Kritik hier nachlesen.
Boniolos Kritik erschöpft sich bestenfalls in Haarspaltereien, aber meistens in Lächerlichkeiten, z.B. dann, wenn er fragt, in welchem Sinn die beiden Philosophen sich mit dem sogenannten Grünen Pass konfrontiert sehen, und wenn er sich darüber mokiert, dass Cacciari und Agamben vom „sogenannten“ Grünen Pass schreiben, als sei mit „sogenannt“ etwas faktisch Falsches impliziert – oder etwas irgendwie Abwertendes, von dem Boniolo zu wissen meint, dass es der Sache unangemessen sei. Und er fragt allen Ernstes: „Bene, chi lo dice?“ (Nun gut, wer sagt das?), obwohl auch ihm hinreichend klar sein sollte, dass es Cacciari und Agamben sind, die dies sagen – der Text stammt von ihnen!
Er wirft ihnen allen Ernstes vor, dass sie keine unterstützenden Daten oder „fonti autorevoli“ („maßgblichen Quellen“) vorbringen, aber er läßt offen, wie er sich z.B. „unterstützende Daten“ dafür, dass (nicht nur) Cacciari und Agamben (und nicht nur alle Italiener, sondern sehr, sehr viele Menschen überall auf der Erde) mit dem sogenannten Grünen Pass konfrontiert sind, vorstellt. Vielleicht erwartet er einen screenshot von einem sogenannten Grünen Pass, der belegt, dass es einen solchen gibt?! Oder würde er ein solches Bild als gefälscht abtun und weitere Belege dafür fordern, dass es den sogenannten Grünen Pass gibt?
Mir scheint, Boniolo erwartet etwas in dieser Art, ganz so, wie er Cacciari und Agamben vorwirft, sie würden, wenn sie davon sprechen, dass der sogenannte Grüne Pass eine Diskriminierung bedeutet, die als solche sozusagen unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle bleibt und (schon insofern) leichtfertig vor- und hingenommen wird, keine „nomi e cognomi“ („Namen und Nachnamen“) nennen. Boniolo gibt leider nicht an, ab welcher Länge er eine entsprechende Namensliste akzeptieren würde, aber meinen Namen und Nachnamen dürfte er ggf. getrost auf diese Liste setzen.
Oder vielleicht erwartet er eine allgemeine Bevölkerungsumfrage, in der Menschen dazu Stellung nehmen sollen, wie leichtfertig oder unbewusst[!], gemessen auf einer Likert-Skala, sie es hinnehmen, dass der sogenannten Grüne Pass eine Diskriminierung darstellt, was er gemäß dem Wortsinn von „Diskriminierung“ schon im schwächstmöglichen Sinn tut: er unterscheidet Menschen in verschiedene Gruppen, und dies in Verbindung mit differenziellen Rechten an gesellschaftlicher Teilhabe. (Das sage ich, aber der Duden befindet sich zumindest nicht im Widerspruch zu meiner Aussage.)
Den Gipfel der Parodie in dieser angeblichen „Kritik“ stellt es m.E. dar, wenn Boniolo Cacciari und Agamben der Einfachheit halber ohne unterstützende Daten und maßgebliche Quellen, aber dafür in einem in Klammern eingefügten Einschub, gleich eine ganze Reihe von „varianti“ („Varianten“) gängiger Fehlschlüsse unterstellt, ohne dies jeweils durch „unterstützende Daten“ z.B. in Form von Zitaten aus der Stellungnahmen zu belegen und ohne zu irgendeinem Zeitpunkt zu bemerken, dass er selbst einen Fehlschluss ad auctoritatem begeht, wenn er „maßgebliche Quellen“ fordert, ganz davon zu schweigen, dass nicht klar, ist, was für wen warum “maßgeblich” sein sollte.
Und an der Stelle, an der sich Boniolo über den fehlenden Literaturnachweis mit Bezug auf die Erwähnung der Zeitschrift „Nature“ (im Prinzip mit Recht) beklagt und den Leser darüber aufklären will, worum es sich hier genau handelt, versäumt er selbst es vollständig, den entsprechenden Literaturnachweis anzufügen. Sein Text enthält ebenso wenig Literaturnachweise wie die Stellungnahme von Cacciari und Agamben (was ich anbetracht der verschiedenen Arten von Literatur im Fall von Cacciari und Agamben aber relativ verzeihlicher finde).
Ich will es hier dabei belassen, dies vermeintliche „Kritik“ als das zu erweisen, was sie ist: „Mumble, mumble“ – wie Boniolo selbst formuliert (allerdings mit Bezug auf die Stellungnahme von Cacciari und Agamben, versteht sich).
Als solcher, nämlich als Versuch, Stellungnahmen gegen den sogenannten Grünen Pass zu diskreditieren, ist der Text von Boniolo jedoch sehr aufschlussreich:
Er illustriert auf eindringliche Weise, dass Befürworter des sogenannten Grünen Passes in der Tat nicht unbedingt solche, also Befürworter, sind. Wären sie es, müsste es ihnen möglich sein, für den sogenannten Grünen Passe zu argumentieren. Statt dessen versuchen sie – wie im Fall von Boniolo gewöhnlich vergeblich –, gegen Kritiker des sogenannten Grünen Passes zu argumentieren, wohl in dem Glauben, dass eine Kritik der (Argumente der) Kritiker ein Argument für die von den Kritikern kritisierte Sache darstellen würde – ein Fehlschluss, der so dumm ist, dass sich im Mittelalter, als die Bezeichnungen für die gängigen Fehlschlüsse entstanden, anscheinend niemand vorstellen konnte, dass er möglich wäre oder häufiger als sehr selten vorkommen könne; eine spezielle Bezeichnung für diesen Fehlschluss ist mir jedenfalls nicht bekannt.
Es scheint, dass Opfer dieses Fehlschlusses schlichtweg nicht wissen, warum sie dem sogenannten Grünen Pass (und vermutlich auch anderen staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19) das Wort reden. Und wenn das so ist, dann muss man vermuten, dass sie das sind, was man im Italienischen „imbrattacarte dilettanti“ nennt, d.h. amateurhafte/dilettierende Schreiberlinge – und damit das perfekte Beispiel für die Unbewusstheit und Leichtfertigkeit, mit der die Konfrontation mit dem sogenannten Grünen Pass von manchen Personen hingenommen oder sogar befürwortet wird, ganz so, wie Cacciari und Agamben es in ihrer Stellungnahme formuliert haben.
Und wie es sich im realen Leben oft fügt, wird der Anschein durch die Fakten bestätigt: „Scienzainrete.it“, was etwa „WissenschaftimNetz“ bedeutet, hat mit Wissenschaft oder mit Wissenschaftlern überhaupt nichts zu tun, sondern ist eine eingetragene Nachrichtenagentur, wie man auf der Startseite (ganz unten) nachlesen kann. Wen erinnert das nicht an diverse Versuche von bei Medien Angestellten auch in Deutschland, Definitionshoheit durch anmaßende Bezeichnungen wie “Faktenfinder” zu erreichen?!
Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass Cacciari und Agamben ihre Stellungnahmen als Philosophen in dem Sinn formulieren, dass sie sie mit ethischen Argumenten bestücken oder zumindest mehr solcher Argumente vorbringen, und ich vermute, dass Cacciari und Agamben hier ihre argumentativen Stärken richtig hätten ausspielen können.
Aber wichtig ist in unserer Gesellschaft, in der sich allzu oft persönliche Feigheit der Zensur zugesellt, dass (auch) in der Öffentlichkeit bekannte Personen anzeigen, dass sie staatliche bzw. supranationale Maßnahmen reflektieren, bewerten und ggf. kritisieren, statt sie fraglos zu akzeptieren oder ihnen auf anbiedernde Weise das Wort reden – und dass Berufsverbände bzw. berufliche Zusammenschlüsse wie das Italienische Institut für Philosophische Studien in Neapel dies öffentlich erkennbar unterstützen; un lavoro fatto bene paga – früher oder später!

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Und wo bleibt die Stellungnahme deutscher und kritischer Populärdenker (Medienintellektuelle) vom Schlage eines Frank Schirrmachers oder Roger Willemsens?
Leider tot oder zumindestens seit langem geistig scheintot.
“Dieter Müller
17. August 2021 um 13:10 Uhr
Spahn hat bereits einen Teil unserer Patientendaten an die Pharmakonzerne und Versicherungen geliefert. Den Anfang hatte die kriminelle Bande mit dem e‑Rezept gemacht. Danach folgte die Weitergabe (ohne Einverständnis und sogar ohne Widerspruchsrecht) von Krankenkassen an Unternehmen (“Kooperationen”). In Deutschland werden unsere Patientendaten zentral über die Verbrecherorganisation Bertelsmann-Arvato vertrieben.
Vor Spahn (CDU) haben zahlreiche andere Gesundheitsverwalter zur Beseitigung unserer Rechte gesorgt. Das Projekt “elektronische Gesundheitskarte” wurde offiziell 2003 per Gesetz von SPD und Grünen gestartet. Die FDP war später mit Rösler (u. a. 2014 bis 2017 Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung World Economic Forum (WEF) in der Schweiz) und Bahr (derzeit Manager bei der Allianz Private Krankenversicherung) beteiligt.
Das sind die Verwalter, die bei uns im Land die Menschen terrorisieren.”
https://www.corodok.de/inzidenz-impfstoff-verfalls/
MS-Pop-Philosophie, mit ihren Etikettenklebern, ist es nicht. Aber am Beispiel des ersten Satzes:
„Die Diskriminierung einer Kategorie von Personen, die automatisch zu Bürgern zweiter Klasse werden, ist an sich eine sehr ernste Angelegenheit”: “an sich” steht hier im Gegensatz zu beispielsweise “aufgrund seiner dramatischen Konsequenzen”. Es wird damit etwas angesprochen, das nicht über seine Kausalität definiert ist, und damit nicht durch seine äußerliche Wirkweise auf etwas anderes, also etwas, das in sich bedeutsam ist. Etwas, das an und für sich eine sehr ernste Angelegenheit ist, ist es bereits vor allen Konsequenzen. Für einen reinen Machtpolitiker gibt es daher keine an sich sehr ernsten Angelegenheiten. Für die vulgär-materialistische Philosophie der Marxisten würde sich es dabei um ein fiktiven Gegenstand aus dem Geschafel-Überbau der bürgerlichen Klasse handeln. Für moderne Szientisten um einen sinnlosen Ausdruck aus den Restbeständen des vorwissenschaftlichen Zeitalters. Usw.
Die möglichen Konsequenzen sind Gegenstand der empirischen Wissenschaften, deshalb heißt es von dieser an sich sehr ernsten Angelegenheit bloß zurückhaltend, dass sie “für ein demokratisches Zusammenleben dramatische Konsquenzen haben kann.”. Aber die möglichen Konsequenzen sind natürlich zugleich auch ein neuer möglicher Alltag, in dem automatisch Personen zu Bürgern zweiter Klasse werden. Die erste Klasse ist für die Bürger erster Klasse reserviert. Bürger zweiter Klasse dürfen nicht in die erste Klasse. Das ist bei Strafe verboten. Automatisch trennen sich die ersten von den zweiten. Denn die einen dürfen in die erste, die zweitklassigen nur in die zweite Klasse. Wenn sich Erstklassige mit Zweitklassigen treffen, dann nur auf zweitklassigen Wegen und Bedingungen. Denn die Zweitklassigen unterscheiden sich nicht zufällig von den Erstklassigen, sonst könnten sie nicht automatisch zu Bürgern zweiter Klasse werden. Sondern die Diskriminierung beruht auf Tatsachen, die auch ein Automat nachvollziehen kann. Und vielleicht sogar besser und sicherer, als es ein Mensch jemals könnte. Ganz sicher aber bei großen Menschenmassen. Bei großen Menschenmassen, in großen demokratischen Gesellschaften, muss geradezu eine automatische Diskrimierung herrschen. Die automatische Diskrimierung ist bereits an sich eine Technokratie, und dramatische Konsequenzen, die eine reine technokratische Diskriminierung haben kann, laufen darauf hinaus, dass das demokratische Zusammenleben (durch die Diskriminierung ein leeres Wort) zu einem Nebeneinander der Unberührbaren wird. Die Technik diskrimiert: sie macht die Unterschiede, erkennt sie und ebnet sie auch wieder ein, alles ganz automatisch, und alles andere als natürlich. Weil es nicht um natürliche Unterschiede geht, sondern um Willensentscheide, handelt es sich an sich bereits um eine politische Angelegenheit. Der Automat macht dabei automatisch alles richtig, manche Menschen aber, eben die Bürger zweiter Klasse, treffen zweitklassige Entscheidungen.
Doch nur die Person zählt, und weil wir ja im Grunde alle gleich sind, und gleich frei, steht es jedem frei, sich den ersten anzugleichen und so auch, zu guter Letzt, ein Bürger erster Klasse zu werden. Darin sind wir uns einig.
@Märchenonkel
Was die Wortwahl betrifft bzw. Konnotationen, die Sie mit einzelnen Worten verbunden sehen, so möchte ich daran erinnern, dass es meine Worte und nicht der Autoren sind, denn der Text ist ja meine Übersetzung aus dem Italienischen – und wahrscheinlich nicht gerade eine perfekte. Insofern muss offen bleiben, inwieweit das semantische Feld und entsprechende Konnotationen auch mit den italienischen Begriffen, die die Autoren gewählt haben, verbunden sind.
Davon abgesehen finde ich Ihre Einwände teilweise verfehlt. In der realen Welt – und in ihr müssen wir agieren; sie ist und bleibt eben doch keine Wort-Welt – sind öffentliche Stellungnahmen dazu gedacht,sich zu verorten, vielleicht auch dazu, anderen Kritikern den Rücken zu stärken, und die Bedenken zu formulieren, die man hat – und damit etwas möglichst viel gelesen wird, muss es in aller Regel eine gewisse Kürze haben (ich selbst habe bei meinen eigenen Texten damit bekanntermaßen ja so meine Schwierigkeiten …).
Was erwarten Sie vor diesem Hintergrund von den Autoren? Dass sie eine mehrseitige Aufstellung dessen bieten, was man warum als “ernsthafte Konsequenz” für eine demokratische Gesellschaft ansehen muss oder kann? Am besten mit Belegen aus empirischen Studien, darunter auch historische, die die Entstehung des Totalitarismus oder Faschismus in verschiedenen Ländern nachzeichnen und zu erklären versuchen – oder was?!
Insofern erinnern mich Teile (am Anfang) Ihres Kommentars bedauerlicherweise an das, was Herr Boniolo meint, als “Kritik” formuliert zu haben.
SG Frau Diefenbach, an sich gilt ja, il traduttore è un traditore. Doch vielen Dank für Ihre Übersetzung.
Ihre Einwände sind sachlich berechtigt. Doch habe ich ja Ihre Worte gewählt, um zu zeigen, dass Worte selbst schon einiges mehr enthalten, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Es handelt sich um einen Kommentar zu Ihrer Kritik auf Basis des ersten Satzes Ihrer Übersetzung. Sie, nicht ich, haben sich ja darüber beklagt, dass die zwei Philosophen nicht philosophisch argumentieren, was immer das sein mag. Also entschuldigen Sie bitte.
MFG
Ich habe jetzt gar kein Problem damit, dass sich Agamben in diesem Fall nicht so speziell äußern möchte.
Es sind doch schon Nobelpreisträger und renommierte Forscher beschmaddert worden, weil sie mit der global politisierten Auffassung nicht konnten, sie mit ihren Argumenten widerlegt haben.
Es ist doch wunderschön, dass ein über 70jähriger Philosoph sagt, das ist zwar der Ausnahmezustand, aber bitte:
Seht doch alle zu, dass das Leben seine Lebensfähigkeit WEITERHIN auch behält.
DANKE . Lohnt das Nachdenken.
Ps.
Habe diesen Artikel an meine italienischen Bekannten geschickt. Die sind begeistert, laut Rückmeldungen.
Seit nunmehr bald 2 Jahren ergießt sich über uns ein Schwall des Wahnsinns. A.Huxley schreibt im Vorwort zu ‚Schöne neue Welt‘, daß „geistige Gesundheit eine recht seltene Erscheinung ist“. Unschwer läßt sich erkennen, daß Krankheit inzwischen zur Norm gemacht worden ist, von Wesen, die dadurch ihre eigene Perversion zu legitimieren suchen.
Mittels Doppelbotschaften, Schindluder treiben und Herumschubsen soll dem Rest nun der Garaus gemacht werden, von Besessenen, denen die Folgen ihres irrsinnigen Treibens egal sind, weil Destruktion ihr einziger Lebensinhalt ist: „We love Volkstod“ oder „Das Volk muss weg“, weisen den Geisteszustand dieser haßerfüllten Wegbereiter: „Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano“, wenn man hinter die Maske (Doppelsinn) dieser angestrebten neuen „Gesundheit“ blickt. –
„Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat, — als das wahnwitzige Tier, als das lachende Tier, als das weinende Tier, als das unglückselige Tier.“ (Friedrich Nietzsche) –
„Hier war die Arznei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir mit höllischen Latwergen
In diesen Tälern, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
Sie welkten hin, ich muß erleben
Daß man die frechen Mörder lobt.“ (Goethe, Faust I)
Und immer wieder grüßt das Murmeltier – diese Lektion wird wohl noch oft wiederholt werden müssen, bis sie ‚sitzt‘.
Und aktuell zum Untergang und dem (verdienten) Desaster des Westens in Afghanistan LACHT MERKEL. Ich kannte bisher von ihr kein Photo mit lachendem Gesicht! HAt man die Medikation gewechselt? Die Neuroleptika mit der Amimie als NW abgesetzt?
Sie lacht…
Hätte Sie doch früher schon einmal Regungen gezeigt, die jetzige erschiene nicht so diabolisch!
Das gibt meinen letzten drei Worten, s.o., einen attraktiven Doppelsinn. VG !
🙂
Ich bin froh, daß sich mit Agamben hier ein internationales Schwergewicht mehr kritisch äußert. Allerdings wirkt auf mich die Ausdrucksweise vorsichtig und geschraubt. Man drückt sein Unbehagen an der Entwicklung aus, das ich auch teile. Aber ich hätte mir von einem Philosophen doch einige grundsätzlichere und ausschließlichere Äußerungen in aller geistigen Trennschärfe gewünscht (vllt. auf dem Niveau, das Benedikt XVI damals vor dem Bundestag, der dem zugegebenermaßen nicht gewachsen war, aber der daran hätte wachsen können!, abgesteckt hat. )*
Ich erwarte von Philosophen keine Evaluation der medizinischen Situation, sondern Gedanken über die geistigen Implikationen.
Also: ich will die Beiden hier Zitierten nicht kritisieren, aber Euphorie ruft diese Wortmeldung bei mir auch nicht hervor. Roger Scruton, in seiner Verteidigung konservativen Denkens, hätte sich hier klarer geäußert, veräußert. Leider lebt er nicht mehr. Aber in der Tat, von Lebenden Philosophen hört man wenig: Habermas müßte eine Eloge auf die offene Demokratie und die Gleichheit der Menschen herausschreien- man hört nichts. Sloterdijk: man wünschte sich seine selbstverliebten Zynismen zur Sache. Keiner traut sich aus seinem Loch. Insofern: hier haben sich zwei – leise- positioniert.
Man müßte sich die Frage stellen, was eine Philosophie, die das Wegbrechen ihrer Grundlegungen- entweder nicht bemerkt oder nicht bemerken will, überhaupt noch taugt, denn als Wegweisung in einer Zeit, die geradezu nach Durchdenken und Klärung schreit, will sie offensichtlich nicht hervortreten.
* Man hätte bspw. darauf abheben können, was in einer Gesellschaft passiert, die Universalistisches Denken und Urteilen aufgibt: im Recht, in der Ethik, im Sozialen, in der Wissenschaft. Man hätte ausziehen können, daß unser westlich abendländisches Modell (ich glaube aber, daß die Autoren genau mit solchen Formulierungen selbst schon Schwierigkeiten hätten) ohne den Universalismusgedanken implodiert. Man hätte explizit fragen können (implizit hat man es ja getan), worauf man den Wert des Menschen denn gründen will, wenn man die Grundrechte von kollektivem Applaus abhängig macht, und… was diese Wertsetzung dann als Relativismus wert sei.
@Patrick Feldmann
Wenn Ihnen die Ausdrucksweise nicht gefällt, dann kann es sein, dass das an meiner Übersetzung liegt und nicht am Originaltext der beiden Verfasser.
Dass ich – wie Sie – auch eher ethische Argumente erwartet hätte, habe ich im Text schon geschrieben, aber ich habe auch geschrieben, dass das m.E. nur eine Randbemerkung sein kann, weil es bei öffentlichen Stellungnahmen darum nicht in erster Linie geht, welche Argumente genau wie und warum gemacht werden (das kann man ohnehin nicht in einem einseitigen Text leisten).
Wie auch immer – ich habe von dieser Stellungnahme berichtet, weil es ist, wie Sie in Ihrem Kommentar am Anfang schreiben:
Es ist erfreulich und wichtig, dass sich “Schwergewichte” öffentlich äußern.
Damit erinnern sie uns alle daran, dass politische Maßnahmen nicht quasi von Gott auf uns Bürger herniederkommen, sondern es unser aller Sache ist, sie als Vorschläge derer zu behandeln, die unsere Repräsentanten sein sollen und nicht auf ihren Posten sitzen, um sich dort selbst zu verwirklichen, unsere Meinung zu diesen Vorschlägen auszudrücken, Argumente dafür oder dagegen vorzubringen, sie zu diskutieren und für sich selbst zu beurteilen: ist das ein Vorschlag, den ich akzeptieren kann oder nicht? Will ich ihm in meinem täglichen Handeln folgen oder nicht?
Und sie setzen all den Akademikern und Intellektuellen (bzw. solchen, die sich als solche verstehen) ein Beispiel. Es ist so viel leichter, einfach den Mund zu halten, als sich öffentlich zu äußern und dem, was man sagt, zu stehen.
Wenn man kritisieren will, dann bitte nicht die Autoren, denn Kritik ist vielmehr an denjenigen angebracht, die nicht auffallen wollen und alles hinnehmen und zu allem schweigen – wie z.B. die große Masse deutscher Philosophen und deutscher Sozialwissenschaftler.
Deshalb sage ich: Hut ab vor den beiden Autoren!
@Dr. habil. Heike Diefenbach
“Wenn man kritisieren will, dann bitte nicht die Autoren, denn Kritik ist vielmehr an denjenigen angebracht, die nicht auffallen wollen und alles hinnehmen und zu allem schweigen”
Das sehe ich genauso, deshalb habe ich ja wiederholt gesagt, daß ich diese zwei Philosophen (obwohl ich ein klareres philosophisches Grundlagenstatement erwarten würde) nicht kritisiere.
Die eigentliche Kritik kann wirklich nur der Tatsache gelten, daß nahezu die gesamte geisteswissenschaftliche “Elite” neben einem erheblichen Teil all jener anderen “Eliten” zusammen mit der politischen “Elite” versagt und man für jede(n) dankbar sein muss, der aus seiner Position Stellung bezieht.
Das Erstaunliche ist, daß sich sogen. Linke ja auch nur an der Basis (s.Querdenker-Bewegung) kritisch mit den epochalen Verwerfungen auseinandersetzen. Die etablierten Systemlinken stützen den Prozess der gesellschaftlichen Totalisierung durch eine hygienische Usurpation ja geradezu beispielhaft.
Inzwischen bin ich auf einen Artikel gestoßen, der Sloterdijk bei der Kür der Staatsobrigkeitsschleimerei aufs Siegertreppchen stellt. Schade, aber ich hatte ihn immer schon in Verdacht, daß er da, wo andere ein Rückgrat haben, ein zusammengerolltes Papier mit der Auflistung seiner Veröffentlichungen hat, und daß er da, wo andere ein Herz haben, anatomisch einen Spiegel implantiert trägt!
Aber an Heidegger haben sie sich alle aufgegeilt, weil er für 2 Monate eine Position unter den Falschen hatte. Er allerdings war wirklich ein zeitloser Denker!
https://journalistenwatch.com/2021/08/20/der-weltfremde-weltenerklaerer/
“Schlotterdick”: Es gibt halt nicht nur Brotstudenten
PS.: Den letzten Absatz fand ich besonders interessant mit seinem subversiven Ansatz!
“Alle sind von diskriminierenden Maßnahmen bedroht. Paradoxerweise sind es diejenigen, die durch den grünen Pass ‚bevollmächtigt‘ sind, noch mehr als die Nicht-Geimpften …usf.”
Denn in der Tat, die Bepassten sind die Erfassten. Die mit der händie-App sind die Nachverfolgbaren. Die, die sich dem Reglement unterworfen haben, sind die als solche Registrierten!