Wissenschaftliche Freiheit als Feindbild – DGB bekämpft Autonomie von Hochschulen

Beim Lesen dieses Interviews von DGB-Chef Michael Sommer, hat mich ein kalter Schauer durchfahren. Die geballte Feindschaft gegenüber der Autonomie von Wissenschaft, der Freiheit von Wissenschaft offenlegt, ist einfach nur erschreckend. Sicher, Gewerkschaften und allen voran Gewerkschaftsfunktionäre verdienen ihr Geld damit, die Interessen derer, die sie für ihre Klientel halten, gegenüber denen, die sie für die Vertreter feindlicher Interessen halten, durchzusetzen. Deshalb hält Michael Sommer “diese Tendenz zur Privatisierung” [der Hochschulen] für falsch. Deshalb fordert er eine stärkere “Integration der Hochschulen in die Gesellschaft”. Deshalb will er an anderer Stelle unter dem Leitbild “Demokratische und Soziale Hochschule” gleichen Zugang zu Hochschulen für Jugendliche aus allen sozialen Schichten erreichen. Deshalb dürfen die Hochschulen aus seiner Sicht nicht der verlängerte Arm von Wirtschaftsinteressen sein  und nicht von Drittmitteln abhängig sein. Deshalb hält er die uneingeschränkte Vermarktung des Hochschulwesens für eine Fehlentwicklung, wie die Privatisierung des Bildungswesens insgesamt, und deshalb hält er nichts von der Autonomie der Hochschulen und Universitäten, will vielmehr an parlamentarischer Verantwortung und Kontrolle über Hochschulen festhalten, sie gar noch ausbauen, denn, “dass die Kinder der Spekulanten an privaten Hochschulen, die von Spekulanten finanziert werden, zu neuen Spekulanten erzogen werden”, damit werde er sich nie abfinden.

Michael Sommer ist also für die Beseitigung sozialer Stratifizierung im Bildungssystem und gegen die Privatisierung. Wenn man diese Position mit den Tatsachen gewichtet, dann ergibt sich das Problem, dass eine Reihe von Forschungsergebnissen zeigen, dass es gerade private Bildungseinrichtungen sind, die die soziale Ungleichheit in Bildungssystemen reduzieren, während öffentliche Bildungseinrichtungen soziale Ungleichheit zementieren. Über die entsprechenden Ergebnisse habe ich in diesem Blog bereits ausführlich berichtet. Entsprechend gleicht Michael Sommer in seiner nicht zu rechtfertigenden Position dem Feuerwehrhauptmann, der Spenden für Pyromane sammelt.

Hochschulen dürfen nach Ansicht des Chefgewerkschaftlers auch nicht zum verlängerten Arm der Wirtschaft werden. Warum eigentlich nicht? Was ist falsch daran, wenn die Universität München gemeinsam mit EADS ein Forschungsinstitut für Raumfahrt einrichtet, dem wissenschaftlichen Nachwuchs hervorragende Bedingungen bietet, um sich zu qualifizieren und nebenbei noch neue Ideen und Erfindungen, die kommerziell verwertbar sind, dabei herauskommen. Ist es nicht im Sinne der Gewerkschaft, dass solche neuen Ideen, die in Innovationen umgesetzt werden, in Arbeitsplätzen resultieren und damit nichtakademischen Arbeitern ein Auskommen verschaffen. Ich dachte, Gewerkschaften sorgen sich um das Wohl von Arbeitern, auch wenn die meisten Gewerkschaftsfunktionäre Arbeiter eher in der Weise kennen, in der man Tiere im Zoo kennt. Wie sozial ausgeglichen ist eigentlich die Funktionärsebene der Gewerkschaften? Wie viele Funktionäre mit einem Elternhaus in  Mittel- und Oberschicht stehen hier wie vielen Funktionären mit einem Elternhaus in der Unterschicht gegenüber? Und man fragt sich, an welcher Institution Funktionärskinder zu neuen Funktionären ausgebildet werden und ob es nicht zumindest an der Zeit wäre, die öffentliche Förderung der Funktionärsausbildung einzustellen.

Universitäten dürfen auch nicht von Drittmitteln abhängig sein, fordert der DGB-Chef. Dies ist seltsam, denn Drittmittel werden im Wesentlichen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben. Wissenschaftler entwickeln ein Forschungsvorhaben und stellen bei der DFG einen Antrag. Andere Wissenschaftler begutachten den Antrag, geben eine Förderungsempfehlung ab oder lehnen die Förderung ab, weil bestimmte Standards nicht eingehalten werden. Dieses Verfahren ist nicht nur transparent, es ist auch demokratisch, denn jeder, der einen guten wissenschaftlichen Antrag stellt, hat auch die Möglichkeit der Förderung. War es nicht eine Forderung von Herrn Sommer, Universitäten demokratischer zu machen?

Ich habe eher den Eindruck, es geht darum, Universitäten gerade nicht demokratischer zu machen. Was wäre demokratischer als die Möglichkeit für alle gesellschaftlichen Gruppen, eigene Bildungseinrichtungen zu errichten, die miteinander in Konkurrenz um Ideen und Innovationen stehen? Was wäre demokratischer als Bildungsgutscheine an Studenten zu verteilen, die die Kosten des Studiums abdecken und die bei jeder beliebigen Hochschule (privat oder öffentlich) einlösbar sind, so dass Studenten sich bei jeder Hochschule bewerben können und die Kosten des Studiums (ohne die Unterhaltskosten, die das eigentliche Problem im Studentenleben eines Unterschichtlers darstellen, wie Herr Sommer wüsste, hätte er während seines Studiums die Notwendigkeit erfahren, sein Studium unabhängig von den Eltern zu finanzieren) durch öffentliche Mittel gedeckt sind? Was Herrn Sommer an derart demokratischen Lösungen nicht zu passen scheint, ist das Fehlen dessen, was er “demokratische Kontrolle” nennt und was ich als  Beseitigung der wissenschaftlichen Freiheit ansehe. Die Sommersche Dystopie sieht die Autonomie von Hochschulen dem engen Horizont politischer Vorgaben unterstellt, so als würde es nicht reichen, dass bereits heute Ministerien als Geldgeber für wissenschaftliche Forschung auftreten, die in dem von ihnen favorisierten ideologischen Geist erfolgt und dass große Teile der Wissenschaft bereits heute am Tropf der Bundesregierung hängen. An die Stelle des Wettbewerbs von Ideen tritt bei Sommer die zentrale Kontrolle von Ideen. Wie diese Kontrolle aussehen soll, kann man sich vor dem Hintergrund derzeitiger Praktiken sehr gut vorstellen: Die GEW finanziert “Studien”, in denen eben einmal die Realität umgedeutet wird und behauptet wird, Jungen hätten im Bildungssystem Deutschlands keine Nachteile, Kultusministerien intervenieren in Listen zur Besetzung eines Lehrstuhls, weil ihnen die Ausrichtung des Kandidaten auf Listenplatz 1 nicht gefällt, die Universitätsverwaltung feilscht mit dem neu berufenen Professor darüber, ob sein Deputat einen Drehstuhl enthält oder nicht, eine Landesregierung interveniert in einen Abschlussbericht, weil man bei der Regierung der Ansicht ist, bestimmte Ergebnisse könnten der Öffentlichkeit nicht zugemutet werden, Wissenschaftler, die nicht in den mainstream passen, werden von der allzeit bereiten Gewerkschaftsjugend mit allen Mitteln der Propaganda bekämpft usw. Alle Beispiele entstammen der Realität und zeigen, was unter der von Sommer geforderten “Integration der Hochschulen” zu verstehen ist – mehr Kontrolle über Lehrinhalte, Lehrende und Lernende. Dass dem so ist, ist auch nicht verwunderlich, denn Sozialismus ist ein Synonym für Kontrolle und ein Antonym für Freiheit.

Entsprechend ist der Vorstoß des DGB eine Bedrohung wissenschaftlicher Autonomie und Freiheit und eine Gefahr für wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt, der mit aller Bestimmtheit zurückgewiesen werden muss, wenn man dafür Sorge tragen will, dass die muffige Funktionärsluft aus Gewerkschaften und Parteien sich nicht noch mehr an  Universitäten und Hochschulen breit macht. Endlich wäre noch zu klären, was es die Gewerkschaften angeht, wie Wissenschaftler an Universitäten ihre Forschung finanzieren.

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