Unsinn der Woche: Die sprachliche Armut der Nationalen Armutskonferenz

scully facepalmDie Versuche, in die Sprachgewohnheiten und das Sprechen an sich, einzugreifen, oder anders formuliert: Aggressive Tendenzen die Sprachgewohnheiten von Deutschen zu zensieren bzw. zu manipulieren, sind in letzter Zeit ziemlich häufig geworden, und sie umfassen eine Anzahl unterschiedlicher Akteure. Dass Genderisten versuchen, die deutsche Sprache so zu verunstalten, dass eine Verständigung weitgehend ausgeschlossen ist, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Aber diese Versuche, das grammatikalische Geschlecht eines Wortes zur Essenz zu erklären und mit dem biologischen Geschlecht gleichzusetzen, so unbeholfen und bar jeder Kenntnis davon, was eine Sprache ausmacht, sie auch sind, sind keine vereinzelten Versuche. Nein, sie sind Teil eines – wäre man Anhänger einer Konspirationstheorie, dann würde man sagen: großangelegten Versuchs, die deutsche Sprache als Mittel der Verständigung unbrauchbar zu machen und zu einem Herrschaftsinstrument umzufunktionieren, wie dies z.B. die Kommunisten unter Stalin getan haben, als bestimmte Sprachregelungen eingehalten werden mussten, wollte man nicht vom NKWD abgeholt werden.

Da findet sich das Bundesfamilienminist, das von das Gott spricht und hofft, andere tuen es ihm gleich, da finden sich Wortfetischisten in Darmstadt, die regelmäßig kundtun, welche Worte sie in der deutschen Sprache nicht wünschen, da finden sich Juristen, die regelmäßig versuchen, Worte ihres Sinns zu entkernen und zu willkürlichen Ansammlungen von Buchstaben zu machen, deren Sinn dann natürlich juristisch festgestellt und mit der entsprechenden Kostennote verbunden werden muss, usw. Die deutsche Sprache ist zu einem Wunschkonzert geworden, so scheint es, an dem sich jeder dahingehend beteiligen kann, dass er die Begriffe beisteuert, die er gerne entfernt hätte.

nakUnd so ist auch die Nationale Armutskonferenz angetreten, um die Welt mit ihren Erkenntnissen über “soziale Unwörter” zu beglücken (nationale Armutskonferenz findet sich auf der Liste übrigens nicht). Die entsprechende Liste wird eingeleitet von einer Satzansammlung, die sich mit dem “Unwort” “sozial Schwache” beschäftigt und in der u.a. zu bedenken gegeben wird, dass “sozial Schwache” nicht sozial schwach seien, weil sie nicht sozial veranlagt seien. Diese bemerkenswert engstirnige Sicht wird durch Thomas Beyer mit einer Erkenntnis angereichert, auf die die Sprachwelt gewartet hat: “Sprache ist nicht neutral”, so weiß er zu verkünden: “Sprache bewertet”, so fährt er fort und kommt zu dem Ergebnis dass wir (also sie und ich) “Sprache so nutzen [sollten], dass sie keine Klischees (re)produziert”. Nun könnte man geneigt sein, zu fragen, wo Thomas Beyer das Klischee hernimmt, sie oder ich, also wir, benötigten seine Erkenntnisse und hätten es notwendig, seinen normativen Ausführungen zu lauschen, aber diese Frage verblasst vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Problems, das uns ereilt hat, während wir in Wales unterwegs waren.

red houseIn Wales steht nämlich ein Haus. Dieses Haus ist rot gestrichen. Als wir an diesem Haus, es war Höhe Cardiff, vorbeigefahren sind, haben wir unwillkürlich an Thomas Beyer denken müssen und seine Erkenntnis, dass Sprache, also alle Sprache, bewertet. Wenn wir nun an diesem Haus vorbeifahren, und ich sage zu Dr. Diefenbach, “wow, that is quite red, isn’t it?”, was habe ich dann gesagt. Dass ich Rot mag, oder nicht mag, dass das Haus mein Missfallen erregt hat, dass ich festgestellt habe, das Haus ist rot, dass der Eigentümer des Hauses wohl ein Anhänger von Cardiff City, F.C. ist? Wie, so haben wir uns gefragt, ist noch Verständigung möglich, wenn demonstrative Aussagen im Meer der von Beyer gesehenen Bewertung versinken. Das ist wirklich ein Problem, oder ist Beyers Aussage schlicht essentialistischer Unsinn?

Man könnte denken, es sei Unsinn, wenn man in Rechnung stellt, dass – mit Ausnahme von Thomas Beyer und der Nationalen Armutskonferenz versteht sich – kaum mehr jemand der Ansicht ist, dass Sprache sich mitteile, eine im Raum flottierende Entität darstelle, die sich wie der heilige Geist auf Sprechende niederlässt, sich ihnen kundtut. Nein, die Mehrheit der Menschen und alle Sprachwissenschaftler sind der Ansicht, Sprache und sprachlicher Austausch stellten einen Prozess dar. Einer sagt etwas, ein anderer hört etwas. Ob derjenige, der etwas hört, das hört, was derjenige, der etwas gesagt hat, gesagt hat, ist Ergebnis dessen, was man als Sprachverhandlung ansehen könnte. Und diese Sprachverhandlung hat Anlass zu einer großen Zahl soziologischer Untersuchungen gegeben.

GarfinkelSymbolische Interaktionisten haben gezeigt, dass im Verlauf einer sprachlichen Interaktion erst Sinn geschaffen wird, der Sinn eines Dialogs also am Ende des sprachlichen Austausches, nicht an seinem Anfang steht. Ethnomethodologische Studien haben gar gezeigt, dass eine Kommunikation darin bestehen kann, dass die daran Beteiligten ihre jeweils eigene symbolische Bedeutung in die Kommunikation lesen und aus der Kommunikation herausnehmen und dass die jeweiligen Bedeutungen in keiner Weise übereinstimmen müssen. So lange die Erwartungen, der miteinander Sprechenden erfüllt werden, fällt es in der Regel nicht auf, dass die Teilnehmer einer Kommunikation aneinander vorbei reden. Das Tröstliche an diesen Forschungsergebnissen ist die Tatsache, dass eine Kommunikation eine Interaktion unter Freien ist: Einer sagt etwas, und einer hört etwas. Und so wie derjenige, der etwas sagt, die Freiheit hat, das, was er sagen will, zu formulieren, so hat derjenige, der etwas hört, die Freiheit, das zu hören, was er hören will. Verständnis wird auf diese Weise zu einem Prozess, an dem Sprecher und Hörer abwechselnd beteiligt sind, Verständnis ist etwas, das sich einstellt, nicht etwas, das unabhängig von Sprecher und Hörer vorhanden ist.

blithering_idiotGenau diesen Essentialismus pflegen aber Thomas Beyer und seine Armutskonferenz. Dort glaubt man tatsächlich, dass Wortbedeutungen in Stein gemeiselt sind und vermutlich im Buch Abrahams stehen, von wo aus sie sich mitteilen. Die Freiheit eines Hörers, sich gegen die von einem Sprechenden offensichtlich insinuierte Bedeutung zu wenden, ist bei Beyer und seiner Armutskonferenz nicht vorgesehen. Damit treten sie in die Fussstapfen all der Juristen, die dem Glauben anhängen, eine Beleidigung sei ein per se feststehender Akt. Wenn ich also Trottel zu einem Juristen sage, dann ist das per se eine Beleidigung, die unser Jurist auch als solche ansehen muss. Die sprachliche Welt ist determiniert und individuelle Freiheit ist ausgeschlossen. Entsprechend ist ausgeschlossen, dass der Jurist, den ich als Trottel bezeichnet habe, ein Verhalten gezeigt hat, das mit allen Kriterien im Einklang steht, an denen man gemeinhin einen Trottel bemisst. Ebenso ist ausgeschlossen, dass unser Jurist der Ansicht ist, jemand wie ich könne jemanden wie ihn überhaupt nicht beleidigen. Er hat beleidigt zu sein, und ich habe die Absicht zu haben, zu beleidigen, wenn ich das Wort “Trottel” in den Mund nehme. Die Freiheit, die mit Sprache, Sprachverwendung und Sprachanwendung gemeinhin verbunden ist, wird durch solchen Unsinn und zum Nutzen der Einkommen von Juristen eingeschränkt.

Doch zurück zur nationalen Armutskonferenz, bei der man der Meinung ist, man müsse sich zum Pater Familias aufschwingen, um die Armen, die man unter seine Obhut genommen hat, zu schützen, denn dazu sind die Armen nach Ansicht der paternalisierenden Konferenz nicht selbst im Stande. Entsprechend müssen die Armen vor Sprache, vor Worten geschützt werden, Worten wie:

  1. Alleinerziehend, denn alleinerziehend sage nichts über mangelnde Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus. Beides werde aber häufig mit “alleinerziehend” assoziiert.
  2. Arbeitslos/Langzeitarbeitslos sollte nach Ansicht der Armutskonferenz nun erwerbslos heißen, weil es viele Arbeitsformen gebe, die kein Einkommen sichern.
  3. Bildungsferne Schichten sollten als fern vom Bildungswesen oder vom Bildungswesen nicht Erreichte umschrieben werden.
  4. Behindertentransport ist falsch, da Menschen nach Ansicht der Armutskonferenz befördert werden, während Tiere transportiert würden.
  5. Flüchlingsfrauen sei überflüssig, denn der Begriff Flüchtlinge umfasse beide Geschlechter.
  6. Missbrauch sei eine “ungute Vokabel”, weil damit ein schwerwiegender sexueller Straftatbestand assoziiert werde.

Ich will es bei diesen Beispielen belassen und den interessierten Leser auf die Liste der Armutskonferenz verweisen. Aber natürlich kann ich den Unsinn, der von der Armutskonferenz verbreitet wird, so nicht stehen lassen.

  1. Alleinerziehend beschreibt die Tatsache, dass in der deutschen Kultur das Bild der Kleinfamilie vorherrscht, in der Kinder mit zwei Eltern aufwachsen. Werden Kinder nur von einem Elternteil traktiert, dann beschreibt man dies mit Blick auf den entsprechenden allein verantwortlichen Elternteil mit dem Begriff alleinerziehend. Dass Menschen, wenn sie Begriffe hören, Assoziationen formen, manche an die Qualität der Erziehung denken, wenn sie “alleinerziehend” hören, ist ein normaler Bestandteil des sozialen Lebens, den man nicht unterbinden kann und den man vor allem nicht dem Begriff anlasten kann. Wer dies dennoch tut ist von Sinnen und sollte einen Psychiater aufsuchen, denn er hat offensichtlich eine Wortphobie.
  2. Arbeitslos beschreibt Menschen ohne Arbeit. Nun soll arbeitslos falsch sein, weil es Arbeitsformen gibt, die kein Einkommen sichern. Die entsprechend Arbeitenden wären dann, was? Erwerbslos? Oder erwerbstätig? Oder erwerbslose Arbeitende? Und was machen wir, wenn wir arbeitslos gestrichen haben, mit der Tatsache, dass es Personen gibt, die keine Erwerbsarbeit finden (wollen)? Mir scheint dies eine fortgeschrittene Form von Denkverwirrung zu sein, denn einerseits sind die Herrschaften bei der Armutskonferenz offensichtlich der Ansicht, dass sich Arbeit nur über das Einkommen definieren lasse, was sie ablehnen, andererseits ersetzen sie Arbeit durch Erwerb, was notwendigerweise dieselben Probleme mit sich bringen wird, denn auch der Erwerb richtet sich auf etwas, das erworben werden soll. Und was das Ganze mit der Tatsache zu tun hat, dass es Personen gibt, die weder einer Arbeit noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nun, ich weiß es nicht.
  3. Mein Lieblingsbegriff (oh, diese wertende Sprache) ist “Bildungsferne Schicht”. Daraus soll nach Ansicht der Armutskonferenz, jener Ansammlung von Personen, die von sprachlicher Bildung bislang nicht erreicht wurden, “vom Bildungswesen nicht Erreichte” werden. Man weiß nicht ob man weinen oder lachen soll, ob dieses Unsinns. Und dass in Deutschland Schulpflicht ist, es daher nicht möglich ist, vom Bildungswesen nicht erreicht zu werden, sei nur am Rande erwähnt.
  4. Behindertentransport – die Logik, dass Menschen befördert und Tiere transportiert werden, ist einzigartig. Ich nutze entsprechend nie wieder öffentliche Transportmittel. Und Krankentransporte werden zur Krankenbeförderung, was die Frage aufwirft, wohin die Kranken befördert werden, hoffentlich nicht ins Jenseits. Und zu allem Überfluss zeigt sich bei der Post keine Bereitschaft künftig Pakete nicht mehr zu befördern, vielmehr besteht die Post auf Beförderung der Pakete, was dem Zustand, in dem die Pakete ankommen, dennoch nicht immer zuträglich ist.
  5. 132aWar “Bildungsferne Schicht” mein Lieblingswort, so ist der Begriff “Flüchtlingsfrau” nicht weit dahinter. Ich bin natürlich damit einverstanden, dass die Armutskonferenz fordert mit diesem Innen-Blödsinn aufzuhören und die grammatikalischen Geschlechter von Worten nicht zum Anlass zu nehmen, um seine eigenen biologisch inspirierten Wunschvorstellungen in Worte zu projezieren. Also lassen “wir” diesen Unsinn, die Armutskonferenz hat es beschlossen.
  6. Die ungute Vokabel “Missbrauch” gibt es bei der nationalen Armutskonferenz nur als “sexuellen Missbrauch”. Einerseits sollte man diese Aussage mit einer Warnung verbinden, denn normale Menschen, sollten sich nicht mit Mitgliedern der nationalen Armutskonferenz einlassen, das kann in unguten Vokabeln enden. Andererseits können wir nach Ansicht der Armutskonferenz also Adjektive streichen, denn die nähere Bestimmung von Nomen wie “Missbrauch” ist – wie man bei der Armutskonferenz weiß – nicht mehr nötig, da jeder der Missbrauch hört, weiß, dass es sich nur um sexuellen Missbrauch handeln kann. Wie fixiert auf ein Thema kann man eigentlich sein?

Das Ausmaß von Unsinn, das die nationale Spracharmutskonferenz einem zumutet, ist so groß, es kann einfach nicht an einem vorbei gehen, ohne Spuren zu hinterlassen. Und bei uns hat es Spuren hinterlassen, tiefe Rillen im Profil der eigenen Sprache. Deshalb wollen auch wir uns am Wunschonzert beteiligen und rufen die Leser von ScienceFiles auf, sich ebenfalls am Wunschkonzert zu beteiligen. Wer also ein Wort kennt, das er schon immer loswerden wollte, jetzt ist die Zeit, es zu sagen.

Wir fangen mit den folgenden Unworten an, die wir auf den Index der deutschen Sprache gesetzt sehen wollen:

  1. Gleichstellung – Euphemismus, hinter dem sich der Versuch versteckt, die Gesellschaft nach sozialistischen Vorstellungen gleichzuschalten, d.h. die Unterschiede, die durch Motivation, Leistung und Engagement erzielt werden, nicht mehr zu honorieren;
  2. Solidarität – fiese Methode, um von denen, die etwas zu haben, etwas zu bekommen.
  3. Tolerenz – noch fiesere Methode, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, anderen auf die Nerven zu gehen.
  4. Repräsentative Demokratie – aller fieseste Methode, um das Einverständnis von Menschen dafür zu erzielen, sie über den Tisch zu ziehen.
  5. Neoliberal – Behauptung, Freiheit sei zeitveränderlich; Versuch, Freiheit dadurch einzuschränken, dass man sie zum Gegenstand von Parteipolitik macht.

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