Studenten oder Kader? Was wird in Berlin eigentlich an Universitäten ausgebildet?

Arne Hoffmann hat bereits ausführlich über die geplatzte Podiumsdiskussion zum Thema “Zwischen Gleichberechtigung und Gleichmacherei – brauchen wir eine gesetzliche Frauenquote?” berichtet, die die Fachschaft der TU Berlin gemeinsam mit der Fakultät für Wirtschaft und Management heute hatte ausrichten wollen. Die Fachschaft selbst hat die Absage der Podiumsdiskussion wie folgt begründet:

“Nachdem jetzt noch weitere Redner (Herr Marquardt, Herr Dr. Schilling, Herr Lassahn) abgesagt haben, sehen wir uns gezwungen[,] die Veranstaltungen abzusagen. Wir bitten um Ihr und Euer Verständnis.”

Tu BerlinVorausgegangen war den Absagen jedoch keine Absage, sondern eine Ausladung, nämlich die von Prof. Dr. Gerhard Amendt. Amendt steht bekanntermaßen einer Frauenquote ablehnend gegenüber und vertritt noch weitere Positionen, die von denen, die sich als Vertreter des Mainstreams sehen, als kontrovers angesehen werden. und das war dann wohl auch der Grund für die Ausladung von Gerhard Amendt, zu der er sich in einem Offenen Brief, den man ebenfalls in Arne Hoffmanns Blog nachlesen kann, geäußert hat.

Als Wissenschaftsblog sehen wir uns einmal mehr genötigt, den Niedergang von Offenheit, Toleranz und Freiheit an deutschen Universitäten zu beklagen, die offensichtlich nicht mehr die Stätten sind, an die Studenten kommen, die Erkenntnis suchen und wissen wollen. Vielmehr scheint sich an Universitäten eine Spezies von Student breit zu machen, die bereits alles weiß, die so sicher über die eigene Einsicht ist, dass sie Menschen mit anderen Positionen nicht anzuhören müssen glaubt und, schlimmer noch, diese Andersdenkenden bekämpft und ihnen das Grundrecht vorenthalten will, das allein Freiheit garantiert, nämlich die Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung. Aber das ist nicht das einzige Ziel, das damit erreicht werden soll, dass Andersdenkende von diesem Mob der Selbstherrlichen bekämpft werden. Sie wollen auch verhindern, dass Meinungen, die von ihrem Glaubenskanon abweichen, an Universitäten vertreten werden.

Damit machen Sie sich zu Meinungsdiktatoren, die anderen Studenten Informationen vorenthalten wollen, ganz so, wie man dies in sozialistischen Systemen immer getan hat, denn Informationen sind die Grundlage informierter Entscheidungen. Informationen und Fakten sind die Grundlage von Wissenschaft, beides hat an der Technischen Universität in Berlin offensichtlich keinen Platz. Hier herrschen die Kader, weshalb wir vorschlagen, die Technische Universität von der Liste deutscher Universitäten zu streichen und ab sofort nicht mehr aus Steuermitteln zu finanzieren, die Bildung zum Gegenstand haben. Offensichtlich geht es an der TU-Berlin nicht um Bildung, sondern um die Schmiede von Kadern, die keinerlei vom eigenen Glauben abweichende Meinungen kennen und vor allem von allen widerstreitenden Informationen abgeschnitten sind. Das hat mit Bildung nichts zu tun, eine Förderung aus Steuermitteln stellt somit eine Zweckentfremdung dar, eine Veruntreuung.

Asta-TU BerlinDass es sich bei der TU-Berlin um keine Stätte des Wissens handeln kann, wird auch daran deutlich, dass der AStA, also der Allgemeine Studentenausschuss, der sich ein Logo gegeben hat, das vermutlich nicht nur zufällig an die RAF erinnert, sich von der geplanten Veranstaltung distanziert. Nun, das Recht auf Meinungsfreiheit schließt das Recht darauf, zu sagen, dass einem etwas nicht passt, mit ein. Insofern ist daran nichts zu beanstanden, zu beanstanden ist allerdings die “Begründung”, die der AStA für seine “Distanzierung” gibt:

Frau ohne Welt“Besonders problematisch sieht der AStA die Teilnahme von Bernhard Lassahn. Dieser machte vor allem durch sein Buch “Frau ohne Welt” von sich reden, in welchem nicht nur seine Ablehnung der Frauenquote deutlich wird. Seine Äußerungen gehen tiefer und erreichen eine extrem frauenfeindliche Position: Er spricht sich gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen bei Abtreibungen, Scheidungen, Berufswahl usw. aus. Mit einer solchen Person über die Ermöglichung von Frauen* in höheren Positionen des gesellschaftlichen Lebens zu diskutieren, ist mehr als kontraproduktiv”.

Eine solche Stellungnahme würde man von der Propagandagruppe einer totalitären Partei erwarten, aber nicht von einem Ausschuss wissenschaftlicher Selbstverwaltung. Die Stellungnahme, die man kurz zusammenfassen kann in: Bernhard Lassahn vertritt Positionen, die wir nicht mögen, und deshalb darf man nicht mit Bernhard Lassahn reden, ist keine wissenschaftliche Stellungnahme, sondern ein äußerst kindisches, antidemokratisches und totalitäres Verweigern von Informationen, von denen man offensichtlich befürchtet, dass sie Popularität oder doch Anhänger gewinnen könnten.

Amendt1Warum sonst sollte man es verweigern, über die entsprechenden “kontroversen” Positionen zu sprechen und welche Positionen in der wirklichen, also nicht in der ideologischen Phantasiewelt, die manche bewohnen, sind nicht kontrovers? Wir auf ScienceFiles lieben es geradezu, die Positionen anderer zu untersuchen, zu kritisieren und Fehlstellen und Probleme in Argumentationen aufzuzeigen. Wenn der AStA der TU-Berlin aus Angsthasen besteht, die es sich nicht zutrauen, gegen die für sie “problematischen Positionen” von Bernhard Lassahn zu argumentieren, dann hat er weder eine Existenzberechtigung als Organ der wissenschaftlichen Selbstverwaltung noch eine Berechtigung aus Steuermitteln finanziert zu werden. Letztere sind zu kostbar, um damit die Infantilität von Möchtegern-Ideologen zu finanzieren.

Besonders erschreckend ist jedoch die Stellungnahme der Fachschaft, also der Planer der geplatzten Podiumsdiskussion, die mich an das Buch von Wolfgang Leonhard erinnert hat, “Die Revolution entlässt ihre Kinder”. Leonhard war vor den Nazis in das Russland Stalins geflohen und hat eine Ausbildung an russischen Schulen und Universitäten erhalten. Er war Mitglied der Komsomol, der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei, und gibt in seinem Buch eine Reihe von beeindruckenden Beispielen über die Art und Weise, in der junge Menschen auf Parteilinie getrimmt werden. Besonders eingehend sind seine Schilderungen über Kritik und Selbstkritik als Mittel, um abweichende Meinungen in der jeweiligen Gruppe der Komsomol zu unterbinden/zu unterdrücken.

LeonhardKritik wird z.B. an den Aussagen des Parteigenossen X geäußert, und zwar für Äußerungen, die von anderen Parteigenossen als nicht linientreu oder zu kritisch angesehen werden. Parteigenosse X hat entsprechend die Wahl, Selbstkritik zu äußern und sich zu entmündigen, seine eigene Meinung aufzugeben und sich der “Parteimeinung” anzuschließen, oder er kann die Selbstkritik verweigern, was seinen Ausschluss aus dem Komsomol und in der Folge von russischen Universitäten oder Schulen zum Ergebnis hat, mit weiteren Konsequenzen folgend.

Ich empfehle die Lektüre der entsprechenden Kapitel allen, die wissen wollen, was kommunistische und totalitäre Ideologien mit Menschen machen. Und wer das Buch von Leonhard nicht griffbereit hat, der kann auch die Rechtfertigung der Fachschaft der TU-Berlin lesen, die wir hier in Auszügen wiedergeben. Es ist ein erschreckendes Dokument der ideologischen Unterwürfigkeit/Unterwerfung, der Abbitte für vergangene Missetaten und der Bitte, doch wieder in die Glaubenssekte aufgenommen zu werden.

“Was haben wir falsch gemacht?
Unsere vorherige Formulierung im Facebook-Event war missverständlich und ein Fehler! Wir bedanken uns für die Kritik und haben daraus gelernt. Außerdem entschuldigen wir uns für die unklare Vermittlung unseres Konzepts. Da wir uns seit Monaten mit der Planung des Abends beschäftigen und intern viele Gespräche darüber geführt haben, gingen wir fälschlicherweise davon aus, dass unsere Intention verstanden wird. Doch nach außen hin haben wir unsere Entscheidung für ein rein männliches Podium nicht ausreichend kommuniziert. Wir hätten das Konzept viel detaillierter und genauer beschreiben müssen. Das haben wir versäumt.

Die Rednerauswahl verlief ebenfalls nicht fehlerfrei. Diese gestaltete sich jedoch nicht nach persönlichem Geschmack, sondern nach Diskussionspotential. Wir wissen, dass Prof. Amendt sehr kontroverse Ansichten vertritt und teilen diese nicht – doch lag unser anfänglicher Ansatz darin, dass ein breites Rednerspektrum den Diskussionsabend bereichern kann. Wir haben jedoch unterschätzt wie extrem diese Meinung ist. Wir dachten, dass eine gute Moderation, interessante Beiträge aus dem Publikum und eine gute Mischung aus Pro- und Contra-Positionen den Abend bereichern und eben nicht gezielt in eine Richtung lenken. Dass viele Menschen die Einladung eines solchen Herrn als Beleidigung aufnehmen könnten, war uns nicht bewusst. Dort haben Weitsicht und Feingefühl unsererseits gefehlt. Darüber haben wir noch einmal viel diskutiert und unseren Ansatz überdacht. Wir sehen ein, dass es falsch war, einem Redner mit solch radikalen Einstellungen eine Bühne zu bieten und haben Prof. Amendt daher ausgeladen.”

Welch’ klarere Kapitulationserklärung kann man sich vorstellen? Wie kann man Meinungsfreiheit mehr zur Farce machen, als zu erklären, dass sie von der askribierten Extremität von Positionen abhängig ist? Wie kann man den Druck zur Konformität, dem sich die Mitglieder der Fachschaft ausgesetzt gesehen haben, besser beschreiben als mit diesem einmaligen Dokument menschlicher Unterwürfigkeit? Es ist erschreckend, dass es in Deutschland wieder möglich ist, Informationsveranstaltungen zu boykottieren und anderen die Möglichkeit zu nehmen, sich selbst ein Bild von den vermeintlich “extremen Positionen” Dritter zu machen. Es ist erschreckend, dass die Herrschaft durch Informationsverweigerung in Deutschland wieder salonfähig geworden ist, und es ist besonders erschreckend, dass Universitäten in Deutschland zum Hort geworden sind, an dem Polit-Kader darüber entscheiden können, wer Informationen geben darf und welche Informationen gegeben werden dürfen.

Man kann allen Studenten, die sich bilden und lernen wollen, nur empfehlen, einen möglichst großen Bogen um Berlin und seine vermeintlichen Universitäten zu machen.

P.S.

Da das Recht auf freie Meinungsäußerung ein Grundrecht ist, das (noch) im Grundgesetz verankert ist, wäre zudem zu prüfen, ob die Parktiken an der TU-Berlin noch als konform mit dem Grundgesetz angesehen werden können, da es offensichtlich möglich ist, eine Enklave zu schaffen, in der das Faustrecht der Polit-Kader und eben nicht das Grundgesetz gilt.

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