Gegen die “Experten”herrschaft: Die Aktualität zweier Argumente von Aristoteles für (mehr) Demokratie
Über Jahrzehnte hinweg wurde und wird darüber gestritten, ob Artistoteles mit Bezug auf seine politische Theorie, wie sie in seinen Schriften bzw. Lehrvorträgen zu finden – oder anhand seiner Schriften zu rekonstruieren – ist, eher eine oligarchische oder eine demokratische Verfasstheit befürworte. Man findet vereinzelt sogar die Behauptung, Aristoteles habe Demokratie ablehnend gegenübergestanden, so z.B. im Focus, der im Jahr 2015 den „Focus-Online-Experte[n] Michael Zerjadtke“ texten ließ: „Antike Kritiker: Aristoteles und Platon waren keine Fans der Demokratie“
Wie stark der „Online-Experte“ hier mit Bezug auf Aristoteles im Irrum war/ist, hängt – unter Aufbietung viel guten Willens – davon ab, wie weit man „war[…] kein[…] Fan[…]“ fassen will, und man muss festhalten, dass Aristoteles selbst nicht immer hinreichend deutlich macht, wann er tatsächliche oder mögliche Einwände wiedergibt, die Vertreter bestimmter Positionen machen oder machen könnten, und wann es sich um seine eigene Argumentation handelt.
Man tut daher gut daran, den Kontext, in dem Aristoteles bestimmte Aussagen macht, in Rechnung zu stellen – und das bedeutet (wie immer): das Original zu lesen. Wer Altgriechisch lesen kann, ist diesbezüglich in einer glücklichen Lage. Die meisten von Ihnen werden es vermutlich nicht sein, und ich selbst bin es auch nicht. Immerhin ist es aber möglich, Übersetzungen von Aristoteles Schriften in Sprachen, die man versteht, zu lesen und sich so ein Bild davon zu machen, welche Bezüge bestimmte Aussagen von Aristoteles aufweisen. Eine solche Übersetzung der für seine Lehrvorträge über Politik von Aristoteles gemachten Notizen stammt von Jacob Bernays und aus dem Jahr 1872 Wer mag, kann sie hier unentgeltlich zum Zweck des Selbststudiums lesen oder herunterladen.
Im dritten Buch seiner „Politik“, in dem es um „Arten und Zahl der Vefassungen“ geht, hält Aristoteles jedenfalls fest:
„Dieser Punkt jedoch, dass lieber die Mehrzahl der Souverän sein solle als Wenige, wenn es auch die Besten sind, scheint sich befriedigend zu erledigen und eine gewisse Annehmbarkeit, vielleicht sogar eine gewisse Wahrheit zu haben“ (Aristoteles, Politik, Buch III, 11/Bernays 1872: 165-166).
Wenn man dies als Votum für die Demokratie ansehen darf, dann sind, was folgt, die aristotelischen Begründungen dafür, warum Demokratie gegenüber anderen Verfasstheiten (Oligarchie, Tyrannei …) vorzuzuziehen sei, und das erste Argument, das er vorbringt, ist das sogenannte Summierungsargument:
„Denn es ist wohl denkbar, dass die Vielen, von denen jeder Einzelne kein sittlich vollkommener Mann ist, dennoch wenn sie zusammentreten, besser als jene wenigen Besten seien, nicht zwar jeder für sich, aber wohl insgesamt genommen; es ist ein ähnliches Verhältniss wie z.B. zwischen Picknicks und den auf Kosten eines Einzigen bestrittenen Mahlzeiten. Denn da es Viele sind, kann möglicherweise jeder etwas von Tugend und Einsicht haben, und wenn sie nun zusammentreten, so findet, wie die Menge gleichsam ein einziger vielfüssiger, vielhändiger und mit vielen Sinneswerkzeugen ausgestatteter Mensch wird, dasselbe auch hinsichtlich der Charaktere und der Geisteskraft statt“ (Aristoteles, Politik, Buch III/Bernays 1872: 166).
Die Vorstellung ist hier also diejenige, dass die Masse als Kollektiv eine eigene Urteilsfähigkeit habe, die sich von der Urteilsfähigkeit der einzelnen Individuen, aus denen sich das Kollektiv zusammensetzt, positiv unterscheide. Insofern sind die Bezeichungen „Summierungsargument“, „Summierungstheorie“ oder „summation argument“ die sich in der Literatur für dieses Argument finden (s. z.B. bei Braun 1959 und bei Peonidis 2008) nicht ganz zutreffend, denn das Aufsummieren der Urteile aller einzelnen Indviduen ergäbe lediglich ein Durchschnittsurteil (für diese Gruppe von Individuen) von irgendeiner Qualität; behauptet wird aber, dass die Masse als Kollektiv ein qualitätvolleres, ein besseres Urteil treffen könnte als eine Gruppe von Wenigen, und seien diese Wenigen auch die „Besten“, vielleicht im Hinblick auf Tugendhaftigkeit oder Reichtum oder Bildung oder Expertise.
Aber ist es nicht so, dass (auch) die Mehrheit irren kann? Und selbst dann, wenn man dem Summierungsargument folgen wollte, müsste man nicht festhalten, dass das Argument vielleicht in der weniger komplexen Gesellschaft des Athen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts gegolten haben mag, aber heutzutage, da die meisten Sachverhalte viel zu komplex sind, als dass sie von der Mehrheit der Menschen, die allesamt als Nicht-Experten in der jeweiligen Sache angesehen werden müssen, erfasst werden könnten, nicht (mehr) gelten kann?
Und wenn das so ist: Müsste man dann nicht statt mehr Demokratie weniger Demokratie wollen, eine Art Expertenherrschaft kultivieren und akzeptieren, bei der Sachentscheidungen jeweils in die Hände von Experten gelegt werden (der Einfachheit halber ungeachtet der Frage, wer wen wie als Experten identifiziert)?
Denn:
„Es will ja scheinen, als ob z.B. die richtige ärztliche Behandlung nur derjenige beurtheilen könne, der auch selbst die Arzneikunst auszuüben und einen Kranken von einer wirklichen Krankheit gesund zu machen vermag, d.h. der Arzt. Und Gleiches gilt bei den übrigen Fertigkeiten und Künsten. Wie nun ein Arzt vor Ärzten Rechenschaft ablegen soll, so auch die anderen Ausüber einer Kunst vor ihresgleichen“ “ (Aristoteles, Politik, Buch III/Bernays 1872: 168).
Die Leistungen von Experten wären dann nur durch ihre Fachkollegen beurteilbar, und Experten wären nur ihren Fachkollegen gegenüber in der Verantwortung, ganz davon zu schweigen, dass das Expertentum im Prinzip auch für den Wahlakt und für alle anderen Tätigkeiten des täglichen Lebens gelten könnte:
„Ferner will es scheinen als sei es mit dem Wählen ebenso. Richtig zu wählen ist Sache der Fachleute, z.B. der mathematisch Gebildeten Sache ist es, einen Mathematiker, eines nautisch Gebildeten, einen Schiffskapitän zu wählen“ “ (Aristoteles, Politik, Buch III/Bernays 1872: 169).
Das Argument für Entscheidungen durch Experten würde also auch für Wahlentscheidungen gelten, was die Frage aufwerfen würde, wer überhaupt kompetent ist, zu wählen, und die Frage, wer das entscheidet, und damit die Demokratie auf diesem Weg zu einer Persiflage auf sich selbst oder gänzlich vernichten würde.
Und es würde es als Mißstand erweisen, dass Personen politische Ämter besetzen, die keinerlei Expertenwissen aufweisen und oft nicht einmal über die Bildung, die Integrität, die beruflichen oder Alltagserfahrungen (etc.) verfügen, die auch nur annährend denjenigen derer vergleichbar sind, die sie „repräsentieren“ sollen. Wollte man dem Argument für Entscheidungen durch Experten folgen, müsste man also einen Auswahlprozess nicht nur für Anwärter auf den Status als Wähler einrichten, sondern auch einen Auswahlprozess für Anwärter auf politische Ämter, in dessen Rahmen geprüft werden müsste, ob Anwärter die Kriterien erfüllen, auf die die „Mehrzahl als Souverän“ sich geeinigt hat. (Und wie sollte diese Einigkeit herbeigeführt werden?)
Was Aristoteles hier argumentiert, entspricht aber nicht seiner eigenen Anschauung; vielmehr spielt er hier gedanklich Solons Kritik an der Mehrzahl als Souverän durch (s. Aristoteles, Politik, Buch III/Bernays 1872: 168). Und gegen diese Überlegungen zur Abhängigkeit „guter“ oder sachlich richtiger Entscheidungen vom Expertenurteil bringt Aristoteles zunächst wieder das Summierungsargument vor, nach dem
„… Jeder für sich zwar ein schlechterer Beurtheiler als die Fachleute sein wird, Alle vereingt aber bessere oder wenigstens eben so gute; und dann, weil über Manches der Verfertiger weder das alleinige noch das beste Urtheil hat, überall nämlich, wo das fertige Werk auch diejenigen kennen lernen, welche die Kunst nicht verstehen, z.B. die Kenntnis von einem Hause ist nicht bloss auf den beschränkt, der es gebaut hat, vielmehr wird sogar besser darüber urtheilen, wer es benutzt, d.h. der Hausherr, und über ein Steuerruder der Steuermann besser als der Schiffszimmerer, und über ein Gastmahl der Gast besser, aber nicht der Koch“ (Aristoteles, Politik, Buch III/Bernays 1872: 169-170; Hervorhebung d.d.A.).
Dieses Argument wird in der Literatur als das Benutzer-Argument oder „user argument“ bezeichnet, so z.B. bei Peonidis (2008: 291), der dieses Argument als selbständiges Argument, getrennt vom sogenannten Summierungsargument, ansieht, während Gomperz (1931: 291) es als
„… neue Wendung dessen, was wir das Kollektivargument [d.h. das Summierungsargument] nennen dürfen“
ansieht.
Es ist m.E. weniger eine neue Wendung des Summierungsargumentes als vielmehr die Begründung für das Summierungsargument, d.h. das, was dem Summierungsargument erst zur Geltung verhilft, und insofern ist das Benutzer-Argument m.E. das eigentliche bzw. eigentlich schlagende Argument:
Die Mehrzahl als Souverän trifft deshalb bzw. immer dann bessere Entscheidungen als Oligarchen oder Experten (oder beide zusammen), weil bzw. wenn es um Entscheidungen geht, die das Leben aller Menschen betreffen oder betreffen können, denn nur jeder einzelne Menschen kennt seine eigenen Bedürfnisse, Werte und Interessen und hat in aller Regel empirisch bewährtes Erfahrungswissen darüber, wie er seine Bedürfnisse am besten befriedigt, seinen Werten Rechnung trägt und seine Interessen am effizientesten verfolgt.
Experten oder „Repräsentanten“ mögen aus einem bestimmten Blickwinkel heraus sagen können, was – ceteris paribus – wie wirkt (oder vielmehr: voraussichtlich wirken wird oder wirken soll) und wem was nützt, aber es ist jeder einzelne Mensch, der nur selbst für sich beurteilen kann, was in seinem Lebensalltag nützlich oder sinnvoll ist und was nicht oder sogar schädlich für ihn ist.
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 und insbesondere die Quasi-Impfpflicht sind zweifellos Beispiele für Maßnahmen, die in das Leben aller Menschen in der entsprechenden Gesellschaft eingreifen, oft: tief eingreifen. Gemäß des „user argument“ muss es als undemokratisch angesehen werden, wenn solche Maßnahmen von einer – im übrigen auch formal demokratisch nicht legitimierten – Zusammenkunft einer Quasi-Oligarchie von Bundeskanzler und Ministerpräsidenten der Länder über die Köpfe der Bürger hinweg einfach verfügt werden bzw. – damit dies überhaupt möglich ist – ein Parlament die eigene Funktion im Rahmen der demokratischen Ordnung aufgibt und beschließt, sich für Fragen im Zusammenhang mit vermeintlichem oder tatsächlichem „Notstand“ schlicht nicht mehr politisch zuständig zu erklären.
Aristoteles ist einer Auswahl von politischen Ämtern anhand bestimmter Kriterien übrigens nicht per se abgeneigt, aber er legt Wert darauf, dass Anwärter auf politische Ämter in jedem Fall von der „Mehrzahl als Souverän“ gewählt werden. Man könnte auf den ersten Blick meinen, dass darin ein Widerspruch läge:
„Wenn kraft der soeben erörterten Ordnung der Dinge mancher bedeutsame Vertrauensposten nur von einem Höchstbesteuerten bekleidet werden, der gering oder gar nicht Besteuerte aber an dessen Erwählung teilnehmen darf, so liege darin [nach Aristoteles] kein wahrhafter Widerspruch. Man dürfe nicht vergessen, dass der einzelne Wähler das Glied eines großen Ganzen, der Wählerschaft, ist, die als Gesamtheit über ein ebenso großes, ja ein größeres Steuerkapital als irgendeiner der zu jenem Amte Wählbaren verfügt (Gomperz 1931: 291-292).
In den heutigen Demokratien besteht aber schon deshalb kein solcher Widerspruch, weil wir von denjenigen, die politische Ämter inne haben, kein spezielles Erfahrungs- oder Fachwissen verlangen, bzw. es für die Übernahme politischer Ämter nicht zur Bedingung machen. Die sogenannten politischen Elite in heutigen Demokratien sind nämlich in keiner Weise eine Elite, stellen also nicht „die Besten“ in Sachen Fach- oder Erfahrungswissen, Allgemeinbildung, Intelligenzquotient, Integrität oder Tugendhaftigkeit dar, wie das im fünften vorchristlichen Jahrhundert in Athen der Fall war (jedenfalls vom Anspruch her).
Vielmehr haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Politische „Eliten“ werden angeblich zu „Eliten“ kraft der Ämter, die sie besetzen. Und kraft dieser Ämter können sie wiederum „Experten“ berufen, ohne dass klar benannt, geschweige denn: demokratisch darüber entschieden worden wäre, welches die Kriterien sind, die die als „Experten“ Berufenen erfüllen müssen und warum gerade diese Personen, die vielleicht ein bestimmtes Kriterium tatsächlich erfüllen, anderen, die es ebenfalls erfüllen, vorgezogen wurden.
Es ist aber tatsächlich kein Problem, dass politische „Eliten“ keinen irgendwie gearteten Eliten angehören, solange die „Mehrzahl als Souverän“ sie absetzen kann. Peonidis schreibt im Rahmen seiner Diskussion der Relevanz des aristotelischen Benutzerargumentes für unsere Zeit:
„… there is another implication of the user argument. If we take Aristotle’s example at face value, then it is obvious that we can find another cook or builder if they keep ignoring our suggestions and no one has a right to prevent us from doing so. In politics this means that we can protest against incompetent, corrupt or unresponsive rulers and finally replace them if our protests are pointless” (Peonidis 2008: 294).
Alle vier Jahre Bundestagsabgeordnete bzw. Listen wählen zu dürfen, auf die bereits Personen von Parteien (statt von Bürgern) gesetzt wurden, und in der Zwischenzeit zutiefst einschneidende Maßnahmen, die auf willkürlich gewählten „Experten“meinungen basieren, hinnehmen zu müssen, bestenfalls gegen sie demonstrieren zu „dürfen“, während sich eine Regierung nicht responsiv zeigt und statt die Bürger in irgendeiner Weise in einen Entscheidungsprozess über diese Maßnahmen einzubeziehen, mit Sanktionen und Ausschluss droht, ist weder vereinbar mit Aristoteles Vorstellung von Demokratie noch mit Solons Vorstellung von Oligarchie, die für íhn ja auf bestimmten Qualitäten der Oligarchen beruht, über die heutige politische „Eliten“ bekanntermaßen nicht verfügen.
Unsere moderne Regierungsform, die sich demokratisch nennt, verdient die Bezeichnung „Demokratie“ kaum (und selbst als die relative Oligarchie, die sie darstellt, bleibt sie weit hinter dem zurück, was Solon als Qualitäten der Oligarchen gefordert hat). Das Benutzer-Argument von Aristoteles stellte eine Basis dafür dar, diesem Umstand Abhilfe zu schaffen und wieder (mehr) als derzeit die „Mehrzahl als Souverän“ einzusetzen.
Literatur
Braun, Egon, 1959: Die Summierungstheorie des Aristoteles. JOA: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 44: 157-184.
Aristoteles, 1872: Aristoteles‘ Politik: Erstes, Zweites und Drittes Buch. Mit erklärenden Zusätzen ins Deutsche übertragen von Jacob Bernays. Berlin: Verlag von Wilhelm Hertz.
Gomperz, Theodor, 1931: Griechische Denker: Eine Geschichte der antiken Philosophie. Dritter Band. Berlin und Leipzig: Walter de Gruyter & Co.
Peonidis, Filimon, 2008: Aristotle’s Relevance to Modern Democratic Theory. ARSP: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie/Archives for Philosophy of Law and Social Philosophy 94(3): 283-294.

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Danke für den Bericht.
Frage zum Thema Demokratie und Bürgerrechte
27.11.2013
Von:
In 2013 hatte ich Gabriel festgenagelt. Auf Abgeordnetenwatch ist es sehr schnell verschwunden.
Ein paar Sicherungskopien hatte ich gemacht.
Gut auffindbar hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Volksentscheid#cite_note-21
‘Sehr geehrter Herr Gabriel,
am 28.09.2013 hatte ich Ihnen Fragen zum Thema
Diese wurden sehr schnell und aus meiner Sicht auch sehr kompetent beantwortet. Sie hatten sogar einen Teil des SPD Wahlprogrammes entsprechend zitiert.
Auch der Fakt, dass die SPD Mitglieder über die Koalition abstimmen sollen hat mich positiv bestärkt.
Wohl wissend dass die derzeitige Frau Bundeskanzler Merkel dem Bürger offensichtlich solche Rechte verweigert, hatte ich vor 2 Tagen ´Mehr Demokratie e.V.´ wiederum unterstützt.
Dies begründet sich auch darin dass im ländlichen katholischen Oberschwaben die Meinungen von Minderheiten nur schwer geduldet werden.
Nachdem ich dem nun angedachten Koalitionsvertrag nichts zum Thema Bundesweiter Volksentscheid entnehmen konnte, scheinen sich meine Befürchtungen bestätigt zu haben.
´Mehr Demokratie e.V.´ sagt auf der Homepage:
“27.11.2013
Direkte Demokratie nicht im Koalitionsvertrag
Heute haben CDU/CSU und SPD der Öffentlichkeit ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Von direkter Demokratie lässt sich darin leider nichts finden. Mehr Demokratie kritisiert vor allem die CDU scharf für ihre Blockadehaltung. Damit bleiben die Bürger/innen Zaungäste der Bundespolitik.”
Können Sie mir das erklären ? Herr Seehofer war scheinbar doch auch dafür ?
Mit freundlichem Gruss,
Klaus Zinser
Antwort von Sigmar Gabriel
29.11.2013
Sigmar Gabriel
Sehr geehrter Herr ,
ja, Herr Seehofer war auch dafür. Aber Frau Merkel leider nicht.
Wir haben hart darüber verhandelt, aber uns leider nicht durchsetzen können. Ich bedaure das sehr. In anderen Bereichen haben wir dafür viele gute Erfolge erzielen können. Diese sind es mir wert, diesen Koalitionsvertrag trotz dieser und einiger anderer Fragen, die auch mir fehlen, trotzdem den Mitgliedern der SPD zur Annahme zu empfehlen. Was wir alles erreicht haben, habe ich hier zusammengefasst: http://www.facebook.com
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel’
https://web.archive.org/web/20151223114004/http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-778-78116–f411007.html#q411007
Leider kome ich zum Schluss, je unfähiger die Politiker, desto eher werden die das verhindern. Zeit werde ichda aktuell keine mehr reinstecken. Am besten ist es wohl den Niederhang des Landes hinter der Grenze zu beobachten.
Am Rande, wegen des Namens Bernays:
Jacob Bernays war der Onkel von Martha Bernays, Freuds Ehefrau, und Großonkel von Edward Bernays.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Bernays
Die Welt und die Menschen in ihr sind nicht perfekt. Daher ist jeder Versuch, Perfektion zu erreichen (am Ende doch immer: erzwingen) zum Scheitern verurteilt.
Man muss bereit sein ein “Gut genug” zu akzeptieren.
Das wusste Churchill als er sagte:
“It has been said that democracy is the worst form of government except all the others that have been tried.”
Die neugegründete politische Partei »Basisdemokratische Partei Deutschland« hat die Schwarmintelligenz sogar ins Parteiprogramm aufgenommen. Momentan weiß ich das noch nicht so richtig einzuschätzen. Zum einen birgt das ein gewisses Potential für genetische Fehlschlüsse nach dem Motto “der Schwarm hat immer recht”, zumindest “rechter”, als ein Einzelner. Zum anderen kann sich die Schwarmintelligenz zuweilen auch als Schwarmdummheit erweisen. Eine solche Denkfigur wie Schwarmintelligenz kann auch gewählt worden sein, um Einzelne daran zu hindern, genauer hinzuschauen. Darauf kommt es mir aber an, überall genau hinzuschauen und für mich selbst meine eigenen Schlußfolgerungen zu ziehen, mögen sie in den Augen des Schwarms oder irgendwelcher Experten auch falsch sein.
…wenn der Schwarm wie heutzutage den medial verbreiteten “Experten” ohne eigene Denk- und Recherechearbeit folgt, ergibt das auch nur eine Expertenherrschaft. Da ist dann direkte Demokratie auch nicht viel wert.
Die Form von “Demokratie” (Definition ???), wie sie heute praktiziert wird, ist eine degenerierte Zerrform, eher das Gegenteil jeder Art von Mehrheitsherrschaft im Sinne des “informed consent”.
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Die Abgeordneten stimmen über Gesetze ab, ohne die Systematik der Gesetze zu verstehen (etwa das Zitierungsgebot). Sie stimmen über Gesetze ab, deren Inhalt sie nicht begreifen. Der Wortlaut der Gesetze wird recht oft von denen verfaßt, die dadurch begünstigt werden (etwa US-Rechtsanwaltskanzleien). Sie stimmen über Gesetze ab, die sie nicht einmal gelesen haben, weil die Vorlage oft erst am Tag der Abstimmung zur Verfügung steht. Sie stimmen ab, obwohl sie selbst mit Hilfe von Sachverständigen Wochen dazu bräuchten, die telefonbuchdicken Vorlagen zu lesen, zu durchdringen, zu begreifen und zuletzt darüber begründet zu entscheiden. Sie stimmen mit “Ja” oder “Nein”, weil der Fraktionsvorsitzende das vorgibt.
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Ein gutes Beispiel für die Summation dieser Mißstände war die Abstimmung über die EU-Verfassung. Das Gesetz umfaßte viele hundert Seiten, war unendlich kompliziert aufgebaut durch verschachtelte Verweise, Rückverweise, umfangreiche Addenda, oft in letzter Minute hinzugefügt.
Nach der Abstimmung stellten Reporter den Fraktionsvorsitzenden (!!) ganz einfache Verständnisfragen, etwa “Wie viele Mitglieder hat die EU derzeit?”. Das Ergebnis war entlarvend!
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Und dann werden diese Gesetze willkürlich angewendet, weil ohnehin kein Bürger versteht, was eigentlich drin steht.
Das was Sie da richtigerweise anmerken, Herr Dr.Gunther Kümel, ist ja im eigentlichen kein Argument gegen Demokratie, sondern eines gegen den Missbrauch des Verfassungsstaates durch trickreiche Partikularinteressen!
Meine Meinung zum Thema sieht so aus:
1. Es gibt bisher keine Möglichkeit, zuverlässig vorauszusagen, ob ein Amtsinhaber seine Macht missbrauchen wird oder für seine Position kompetent ist. Selbst angesehene Personen können, einmal mit einem Amt betraut, korrupt werden.
2. Dass die Mehrheit der Menschen bessere Ergebnisse erzielt als Einzelpersonen ist zweifelhaft.
Rein technisch sind ständige Mehrheitsentscheidungen auch schwierig.
Es kommt daher nicht darauf an, wie jemand in ein Amt gelangt. Es kommt darauf an, dass inkompetente, charakterlose oder korrupte Leute per Mehrheitsentscheid aus ihrem Amt entfernt werden können.
Die Demokratie ist gescheitert. Dies lag auch schon in ihrem Ansatz begründet. Sie war eben nur der erste Versuch, das archaische System der Feudalherrschaft zu ersetzen und zu verbessern. Aber auch die Griechen kannten schon ihre “Idiotes”. Es existieren nur noch Scheindemokratien mit Politparasiten und Wahlzombies. Dies kann sich aus dem System heraus auch nicht mehr ändern. Dazu bräuchte es einen totalen Weltkrieg, extreme Umweltnotstände (nein, sicher nicht der absurde Klimawandel gemeint) mit Milliarden Toten oder einen weltweiten “Diktator”. Die 99,9%+ und vor allem all diejenigen, denen es gut geht und die am liebsten nichts abgegeben möchten (schon innerhalb ihrer eigenen Solidargemeinschaft wohlgemerkt!) lassen das nicht zu. Ach ja, dann gibt es noch die Gläubigen aller Art, allen voran die Gottesgläubigen, ebenfalls Teil der 99,9%+. Die würden vor allen auch etwas dagegen haben, wenn man ihnen ihren Glauben an die Überlegenheit ihres Gottes und ihres Glaubens und ihres Wertes als Menschen und ihres “Paradieses” im “Jenseits” nehmen wollte. Götter und Glaube an jene widersprechen vollkommen einer wahren, menschlichen Existenz und Gesellschaftsoption und sind geradezu von grotesker Naivität, eben eine Eigenschaft der 99,9%+, Steinzeit pur.
Und Demokratie ohne ein schlüssiges Konzept für die Existenz einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft wäre ohne sinnlos. Irgendwo zwischen Sozialismus und Marktwirtschaft, und etwas Neuem, aber natürlich keinesfalls als “soziale Marktwirtschaft”, eine gescheiterte Lüge.
Und da habe ich noch nie von einem Philosophen etwas gehört, der diesbezüglich etwas Brauchbares hätte vorlegen können.
Aber wie gesagt, alles Makulatur, denn ohne vollkommene Zerstörung des Bisherigen ist dies undenkbar, da braucht man sich mit keiner Art von Wissenschaftler auch nur ansatzweise darum streiten, er würde sich nur als einer der 99,9%+ outen. Die Zukunft der Menschheit wurde 2020 “beschlossen”, im mehrfachen Sinne des Wortes. Das war der Kipppunkt. Da hat sich gezeigt, was man voraus ahnen konnte, nämlich, dass selbst der 2. Weltkrieg mit zuletzt dem Einsatz der ersten Atombomben, der enorme technische und wissenschaftliche und in Teilen der Welt auch enorme wirtschaftliche Aufschwung danach sowie das Zerfallen des ideologischen Monsters der Warschauer Paktes auch rein gar nichts an Lerneffekt in der menschlichen Gesellschaft bewirkt hat. Die 99,9%+ sind geistig-biologisch-intellektuell nach wie vor auf dem Niveau der Steinzeit. Und die wirklichen Reichen und Mächtigen machen sich gerade mehr oder weniger – in der Öffentlichkeit sogar ungeniert auftretend – dazu auf, die Welt in ihrem Interesse umzugestalten. Und dies wird sicher keine menschlichere Welt, sondern sie bereitet den Untergang eben dieser vor, auch wenn die einzelnen Protagonisten dieses Resets oder wie sie ihn auch immer nennen mögen, selbst teilweise völlig falsche Vorstellungen davon haben, was sie gerade angestoßen hatten und weiter befördern. Da braucht man nicht einmal idiotische Verschwörungstheorien gläubiger Verschwörungsspinner, da reicht ein Blick auf die einschlägige SF-Literatur, ein Rückblick auf die jüngere deutsche Geschichte nach 33 oder aufs frühe Mittelalter, um zu sehen, was etwa kommen wird. Der Untergang. Und ehrlich gesagt, die 99,9%+ verdienen es auch.
“In den heutigen Demokratien besteht aber schon deshalb kein solcher Widerspruch, weil wir von denjenigen, die politische Ämter inne haben, kein spezielles Erfahrungs- oder Fachwissen verlangen, bzw. es für die Übernahme politischer Ämter nicht zur Bedingung machen.” Zitat Ende
Ja, aber problematisch ist dies m.E. nur deswegen, weil ein Kompensationsmechanismus gegen diesen Mangel an Erfahrungs- und Fachwissen faktisch nicht (mehr) existiert. Der “moderne” Bürger zeichnet sich ja vor allem durch die völlige Ausblendung (Verdrängung) der zivilisatorischen Banalrealität aus. (z.B. Rotzfahne/ Maske als Mittel zur Simulation von Infektionsschutz etc.) Die Teilnahme solcher Bürger am Prozess der demokratischen Willensbildung beschränkt sich de facto auf eine Art sinnentleertes “Wahlritual”.
Der aktuelle Bezug zu den COVID-Maßnahmen drängt sich auf. Sciencefiles veröffentlicht seit Beginn der Pandemie täglich geradezu sensationelle Analysen. Anzunehmen wäre nun, dass Bürger mit demokratischer Gesittung die von Sciencefiles aufgezeigten Widersprüche, Tatsachen und Forschungsergebnisse im Rahmen des demokratischen (Kompensations)Prozesses mit den Verantwortlichen diskutieren. Dabei ginge es nicht um Konfrontation. Die Schule, der Arbeitgeber die Behörden usw. sind im Rahmen dieses demokratischen (Kompensations)Prozesses zuerst einmal verpflichtet, die Fragen der Bürger wissenschaftlich plausibel (!) zu beantworten. Dem (mündigen) Bürger entstünden dabei auch keine Kosten. Erst dann, wenn der Bürger keine Antworten auf seine Fragen erhält, ist der Rechtsweg eröffnet und der Bürger kann die wissenschaftlich plausible Beantwortung seiner Fragen erzwingen!
Tatsächlich scheut der “moderne” Bürger jedoch selbst diesen geringfügigen Aufwand. Sciencefiles wird zwar gern gelesen, aber abgesehen von der Befriedigung der Sucht nach starken Affekten, geschieht sonst kaum etwas, jedenfalls nicht in der Breite, welche zu erwarten wäre.
Wer zu Zeiten Aristoteles Bürgerrechte hatte, der hatte diese auch verinnerlicht und durch ihr Ausleben mit Sinn erfüllt. Deswegen war der “Staat” damals kein fernes unbekanntes Gebilde, sondern der Staat konstituierte sich (auch) durch die Gesittung seiner Bürger.
Und genauso ist das heute. Nur dass unser Staat und seine Politiker Spiegelbilder der sinnentleerten demokratischen Gesittung der Bürger sind.
Demokratie lebt vom allgemeinen Irrtum, dass eine eigene Meinung bestens von jemand anders vertreten wird.
. . . von jemandem, der weder mich kennt – noch daß ich ihn kenne !
So als kleine Ergänzung ein Text aus “Zeit” gibts auch in französisch bei Mediapart.Ist schon von 2017 aber aktueller denn je . (Nicht nur auf die Überschrift schauen ,der Text selbst ist es ) #Oligarchie #Losverfahren #Montesquieu
https://www.zeit.de/2017/04/rechtspopulismus-demokratie-wahlen-buergerversammlungen-politisches-system-griechenland
Das antike Griechenland gilt als die Wiege der Demokratie. Es war eine unmittelbare Demokratie in dem Sinne, dass nur ein Teil der männlichen Einwohnerschaft Sitz und Stimme im Areopag hatte. Diese “Volksversammlung” hatte die absolute Gewalt und verurteilte z.B. Sokrates. Das, was Aristoteles vorschwebte, war eine Regierung der Besten, es war mehr eine Aristokratie als eine Demokratie (Volksherrschaft). Die perfekte Staatsform gibt es nicht. M.E. kommt es nicht so sehr auf die formale Ausbildung des Herrschenden an, sondern darauf, sich in schwierige Sachverhalte einzuarbeiten, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und diese dann auch – gegen Widerstände – durchzusetzen. Die Fähigkeit, den Kern von Probleme zu erfassen, ist eine Kunst. Adenauer war ein Könner in dieser Hinsicht. Aber auch Schmidt. In dieser Hinsicht starke Leute laufen immer Gefahr, dass sie zu stark und als undemokratisch betrachtet werden. Jedoch kann nur eine starke erfahrene Persönlichkeit, die Tacheles redet, einen Staat in einer Krisensituation vor Schaden bewahren. Eine solche ist zur Zeit nicht in Sicht.
“M.E. kommt es nicht so sehr auf die formale Ausbildung ….” Sich in Sachen einarbeiten und so, da hat man uns doch als Musterbeispiel eine Frau Baerbock verkaufen wollen. Aber ja, im Prinzip ist das in den Sache richtig, ein “guter” Monarch ist besser als eine Parteiendemokratie der Pöstchenschacherer.
Ja, ähnlich komplex muss man das sehen, Herr Jans!
Demokratische Staaten kennen zwei Zustände:
1. Den Normalzustand
2. Den Ausnahmezustand
Im Normalzustand gilt es, möglichst umfangreich die Ansichten und Informationsstände sämtlicher Teilnehmer des demokratischen Einzugsbereiches einzusammeln und zu einem gesamtgesellschaftlichen Kompromiss, mit dem dann alle Teilnehmer leben können, zusammenzuführen. Moderne Gesellschaften sind vielfältig auf allen Ebenen und in allen Schichten. Und diese unterschiedlichen Ebenen und Schichten leben jeweils in ihrem eigenen Umfeld und haben vom Umfeld der anderen Ebenen und Schichten nur wenig Kenntnis und dafür deshalb auch meist kein Verständnis. Die Nachrichten oder die Presse allgemein können dieses auf einem Informationsdefizit basierende mangelnde Verständnis zwischen den unterschiedlichen Lagern nicht vollends kompensieren, da der nötige Detailgrad zum Verständnis des jeweils anderen und seiner Probleme so nicht vermittelt werden kann. Es ist schlicht zu viel an Information.
Darum muss man die unterschiedlichen Ansichten und Wünsche der jeweiligen Ebenen und Schichten im demokratischen Wettbewerb gegeneinander antreten lassen, damit am Ende der oder die gewählt wird, die für die Mehrheit der Bevölkerung den besten Job macht.
Was sich dann in einer entsprechend hohen Wählerzustimmung zeigt.
Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn der Wähler nicht gezielt über Propaganda manipuliert wird und Fehlentwicklungen, die eigentlich gegen seine eigenen Interessen verstoßen, auch als solche erkennt und an der Wahlurne ahndet. Früher oder später passiert dies so oder so, es dauert allerdings ein wenig, bis die Probleme in sämtlichen Gesellschaftsschichten angekommen sind. Und bis sie dort ankommen, funktioniert Propaganda zum Zwecke der Wählertäuschung meist sehr effizient. In Deutschland ganz besonders: Man denke an das inhaltslose Geschwafel der Goebbelschen Propaganda vom “Endsieg” die die Deutschen selbst dann noch getäuscht hat, als zwei Drittel Deutschlands bereits in Trümmern lagen.
Damit kommen wir nun zum Punkt 2, dem Ausnahmezustand:
Echte Experten sollten im demokratischen Prozedere nur dann eine Rolle spielen, wenn ganz spezielles Hintergrundwissen erforderlich ist, um eine ganz spezielle Situation zu bereinigen, bei der der Normalbürger nicht in der Lage ist, diese korrekt einzuschätzen. Im gesellschaftlichen Ausnahmefall ist das gegeben. Einfach ausgedrückt: Als Normalbürger geht man nur dann zum Arzt, wenn man auch krank ist. Die Krankheit wäre also der Ausnahmezustand und der Arzt der zur Behebung dieses Ausnahmezustandes nötige Experte. Wenn man nicht krank ist, braucht es die ärztliche Expertise nicht. Gesamtgesellschaftlich ist das genauso. Es braucht also keine Expertenräte, wenn das Zusammenleben normal läuft. Wenn das nicht der Fall ist, braucht man temporär die Expertise von spezialisierten Problemlösern. Hinzukommt, das Experten meist Fachidioten sind und nur in ihrem speziellen Thema glänzen. In anderen Themenkomplexen sind sie keine Experten und demzufolge nur bei ihrem ganz eigenen Thema hilfreich. Was bedeutet, dass sie nur dann zum Einsatz kommen sollten, wenn ihre ganz spezielle Expertise gerade wirklich gebraucht wird und sonst nicht. Es braucht keinen Experten, der einem gesunden Menschen erklärt, was er essen darf und was nicht. Das braucht es nur, wenn der Patient ein auf Fehlernährung basierendes Problem hat. Und da Stoffwechsel und Ernährung je nach Mensch und Lebenswandel unterschiedlich ausfallen, ist ein einheitlicher Expertenrat für gesunde Menschen sogar schädlich. Was man, wenn man mal kurz auf den Sicherheitsbereich umschwenkt, auch dort erkennen kann: Ein scharfer Sicherheitsapparat sollte nur in Ausnahmefällen die Regel sein und nicht im Normalzustand. Und der Sicherheitsapparat sollte möglichst auch nur bei denen greifen, die die Sicherheit wirklich gefährden. Es kommt also immer drauf an.
Jede Ausnahmesituation erfordert ein spezielles Profil. Im Normalzustand werden Experten jedoch nicht gebraucht und sind dem demokratischen Diskurs sogar abträglich, da sie mit ihrer Expertenmeinung den Normalbürger im Diskurs ausstechen und ihm so das legitime Mitspracherecht verwehren. Womit die Demokratie dann ja keine mehr ist.
Jetzt gibt es noch einen Mittelweg. Nämlich den, das Volk in möglichst großen Umfang über die Problemlage aufzuklären und es selbst in vollem Umfang in die Lösung einzubinden. Das wäre bei einer Basisdemokratie der Fall. Wenn das Volk bei einem Volksentscheid die für den zu entscheidenden Sachverhalt nötigen Unterlagen in vollem Umfang zugänglich gemacht werden, kann sich der Bürger ein deutlich besseres Bild der Zusammenhänge machen und so viel sachgerechter selbst entscheiden, anstatt auf das propagandistische Gefasel der Parteien zu hören und die Entscheidungsgewalt letztlich an die abzugeben, die sich selbst am besten verkaufen.
Wobei das mit verkaufen wörtlich zu nehmen ist, denn Parteipropaganda ist letztlich ja nichts anderes, als Produktwerbung. Ob das Produkt am Ende aber das hält, was es verspricht, steht ja auf einem anderen Blatt. Also sollte der Wähler im Normalzustand einer Gesellschaft sich über das Problem selbst ein Urteil bilden und dann selbst entscheiden können. Dann gibt es auch keinen irreführenden Propagandanebel mehr.
Und noch ein ganz wichtiger Punkt am Ende: Man sollte in demokratischen Systemen nur über die Punkte entscheiden dürfen, von denen man auch selbst betroffen ist. Sonst ist es nämlich keine Demokratie mehr, sondern wieder eine Diktatur. Wenn ich als Veganer z.B. darüber zu entscheiden habe, ob sämtlichen Fleischessern der Konsum von Fleisch verboten wird, fällt mir diese Entscheidung natürlich leicht, denn ich bin von dem Verbot ja selbst nicht betroffen. Im gesamtgesellschaftlichen Interesse ist es dennoch nicht, denn wenn eine Bevölkerungsgruppe einer anderen mittels Demokratie ihre Rechte absprechen kann, hat sich die Demokratie ja selbst abgeschafft. Gilt natürlich auch räumlich: Wenn ich z.B. als Westfale darüber entscheiden kann, dass die Bayern ab morgen kein Weißbier mehr trinken und keine Weißwurst mehr essen, sondern nur noch Töttchen und Pils konsumieren dürfen, dann hat das mit Demokratie nichts mehr zu tun. Also darf man das Volk nur über solche Dinge entscheiden lassen, von denen es selbst auch in vollem Umfang wirklich betroffen ist. Und das muss dann auch wirklich ein reales und kein erfundenes Problem sein, denn wenn ich den Menschen mittels Framing ein Problem einrede, was gar nicht existiert, um meine Agenda gegen andere mittels Lug und Betrug durchzudrücken, ist es ebenso keine Demokratie mehr.
Und wenn man über das alles, was ich hier geschrieben habe, mal einen Moment ehrlich nachdenkt, dann kommt man nur zu einem Schluss:
Wir haben in Deutschland keine Demokratie. Und die, die sich in Deutschland andauernd als Verfechter der Demokratie präsentieren, sind genau das eben nicht. Andernfalls bräuchten sie kein politisches Framing, um ihre eigenen Interessen der Allgemeinheit überzustülpen.
“….dass Aristoteles selbst nicht immer hinreichend deutlich macht, wann er tatsächliche oder mögliche Einwände wiedergibt, die Vertreter bestimmter Positionen machen oder machen könnten, und wann es sich um seine eigene Argumentation handelt.”
Ui, ui, ui, Aristoteles als männlicher “Baerbock” der Antike??
Wenn ACAB das liest, wird sie sich vlt. auf Aristoteles berufen nach der Devise:”Der war ja auch nicht besser!” Aber die weiß sicherlich nicht, wer Aristoteles war. Die hält den wahrscheinlich für einen Gastarbeiter oder Restaurantbesitzer.
Ich finde diese hier formulierten Gedanken sehr wichtig. Und dies gerade in einer Zeit, die eine Krise der Demokratien weltweit, vielleicht paradigmatisch als einer Krise des abendländischen Universalitäts- und Freiheitsdenkens, kennzeichnet!
Und oft wird an den Defiziten der westlichen Demokratien ja gerade erklärt, daß da Leute über Dinge entscheiden, die sie gar nicht verstehen. Das mag ich nicht bestreiten, aber die angebotene Lösung, daß man “Experten” an diesen Stellen bräuchte, erscheint weder als lösend noch trifft sie den Gedanken der Demokratie.
Wenn man fragt, was Demokratie als Staatsform ausmacht, so kann sie doch nur als eine Freier Menschen begriffen werden, die sich eine abrufbare Führung wählen.
Grundlage der Demokratie ist also die Freiheit! Ich denke, daß man sich da festlegen kann: Demokratie setzt Freiheit voraus, sie ist nicht die Bedingung von Freiheit, sie ist nicht abseits der Freiheit möglich.
Eine Staatsform, die die Grundfreiheit einschränkt, kann keine Demokratie mehr sein, denn wie wollte man über den Zustand dann noch frei abstimmen wollen?! (soviel zu “Wahlen” in einem Impf-Apartheidsstaat wie D heute!)
Insofern treffen die hier referierten Überlegungen Aristoteles den Nerv der Zeit!
Als Begriff statt des von Ihnen kritisierten “Summationsargument” wäre mir übrigens auch “Komplettierungsargument” treffender. Und beim Lesen dachte ich an die vor Jahren viel zitierte Schwarmintelligenz, die mich nie recht überzeugt hat, denn es können zwar zwei Dumme aneinander wachsen, aber dies ist kein Automatismus und in meiner Erfahrung verhalten sich Menschen in Gruppen häufig dümmer als sie sich als einzelne verhalten würden.
Wenn man mit dem Gedanken der Entscheidung als Zentrum der Demokratie die Informiertheit als Schlüssel sieht, mag es logisch erscheinen, daß man beim Experten als günstigstem Entscheider herauskommt. Was aber, wenn es nicht um die beste Detailentscheidung, sondern um die Frage geht, unter welchen Bedingungen wollen Freie Individuen zusammenleben?!
Es macht zwar offensichtlich keinen Sinn, einen Idioten (im griech.Ursprungssinn= einen in privaten Bezügen Befangenen) frei zu einer Sache entscheiden zu lassen, die er nicht versteht. Aber auch ein Idiot kann sagen, WIE er leben möchte und dazu entscheiden!
Offensichtlich ist nicht der, der das meiste Detailwissen hat, befugt, darüber zu entscheiden, wie alle zu leben haben. Wenn Entscheidung aber Kriterien braucht und reines Fachwissen nicht hinreicht, dann würde ich dem zwei Punkte entgegenstellen: a) Bildung, die Berufsqualifikation überschreitet und die ein kritisches Reflektieren eigener und allgemeiner Bedürfnisse ermöglicht. Die zudem die Basis für ein angereichertes Menschen- und Weltbild bietet.
b) Integrität als Ausdruck der Fähigkeit, als richtig Erkanntes auch verantwortlich und vertrauenswürdig umzusetzen.
Wenn man diese Fähigkeiten eines Freien Individuums annimmt, dann kann Demokratie als Form eines gemeinsamen Streites um das Allgemeine Beste im Verhältnis zum Einzelnen im besten Sinne sein.
Ich würde also das sogen. “Benutzerargument” des Aristoteles unterstreichen: Demokratie ist Sache aller Betroffenen! Ich würde aber hinzufügen, daß es Freie sein müssen, die sich für die Demokratie entscheiden.
Dies aber unter der Voraussetzung, daß sie Freiheit wollen, daß sie sich um Bildung, Integrität und Verantwortung bemühen, denn wenn dies nicht der Fall ist, entgleitet die Demokratie automatisch in eine Herrschaft des Mobs, die Ochlokratie!
Wer die Freiheit ablehnt, der hat nur noch feudale Sklavenherrschaft wie bspw. im Sozialismus als Möglichkeit.
@An alle Kommentatoren
Zur Klärung:
Aristoteles (und das gilt auch ganz oder in Teilen für andere antike Autoren) hat weder eine Oligarchie noch eine repräsentative Demokratie noch eine direkte Demokratie (wie immer dies auch aussehen könnte) angestrebt, sondern eine Art gemischtes Modell (so nennt es auch der von mir im Text zitierte Peonidis) von repräsentativer Demokratie und direkter Demokratie.
Der Teil, den man unter “direkte Demokratie” fassen könnte, betraf vor allem die Möglichkeiten der Bürger, Leute in öffentlichen Ämtern wieder loszuwerden, und kein Amtsinhaber genoß so etwas wie Rechtsimmunität (sondern konnte für ihr Verhalten im Amt als Privatpersonen zur Rechenschaft gezogen werden). Im antiken Athen wurden Amtsinhaber (als Repräsentanten von Bürgern) nicht nur alle Jubeljahre gewählt; die Bürger konnten Anhörungen initieren und durchführen und als Richter fungieren, auch in Streitfragen wie z.B. mit Bezug auf das, was man heute Amtsmissbrauchsvorwürfe oder Korruption nennen würde. Und es gab Instrumente wie die Dokimasie, ein Prüfverfahren für Personen, die sich um öffentliche Ämter bewarben, und die Dokimasie konnte auch gegen Personen, die schon in einem Amt waren, angestrengt werden (als eine Art “impeachment”).
In einigen Ihrer Kommentare ist (mehr oder weniger direkt) die Forderung enthalten, dass Leute, die Ämter übernehmen, irgendeiner Art von Prüfung unterzogen werden müssen, damit sie das Amt ausüben dürfen (bzw, können), und tatsächlich gab es so etwas in der Art im antiken Griechenland.
Es ging also darum, Demokratie so zu gestalten, dass die “Volks”vertreter, die Repräsentanten in den öffentlichen Ämtern, auch als solche agierten. Oder anders gesagt; darum, wie die Bürger ihre Repräsentanten “in Schach halten”, sie bestätigen oder kritisieren und ggf. (wenn sich die Repräsentanten nicht responsiv zeigen) aus dem Amt vertreiben können.
Deshalb war das RECHT bzw. die INSTITUTIONALISIERTE RECHTSGLEICHHEIT aller Bürger das Kernstück der antiken Demokratie. Und das drückt sich eben auch in Dingen aus wie der Zusammensetzung von Urteilsgremien durch Bürger (statt durch Amtsinhaber, die über Bürger, aber ggf. auch ihre Kollegen richten sollen). Es gab keine “rechtlichen Einbahnstraßen” (bei denen – wie heute – z.B. Personen in politischen Ämtern frei sind, Bürger auf alle möglichen Weisen zu beleidigen und zu beschimpfen, aber wenn sie in einem Tweet bloß “Pimmel” genannt werden, dies ein Grund nicht nur für eine Beleidigungsklage, sondern sogar eine Hausdurchsuchung ist).
Und genau darin liegt die Relevanz der antiken griechischen Demokratie für unsere Zeit:
die Philosophen dieser Zeit geben nicht nur Zeugnis davon ab, dass uneingeschränkte Rechtsgleichheit und institutionalisierte Verfahrensweisen, bei denen Bürger die entscheidende Rolle spielen, unverzichtbar sind für eine Demokratie, die als solche funktionieren soll,
sondern zeigen auch, wie das gehen kann (also z.B. Einrichtungen wie die Dokimasie) was nicht heißt, dass man nicht auch weitere diesbezügliche Ideen produzieren könnte),
und sie geben Argumente dafür an die Hand, warum eine repräsentative Demokratie, die nicht die letztliche Sanktionsgewalt bei den Bürgern verortet, letztlich keine Demokratie ist (bzw. nicht bleiben kann, sondern zur Oligarchie wird) oder keine funktionierende Demofratie sein kann (u.a. wegen des user-Argumentes).
Wenn sich einfach nur die Erkenntnisse durchsetzen würden,
dass in einer Demokratie Wahlen als direkte Wahlen von Wahlkreisvertretern (und nicht durch Parteilisten) erfolgen müssen,
dass alle, die sich um ein öffentliches Amt bewerben, einer Prüfung unterzogen werden und bestimmte Kriterien erfüllen müssen (ich persönlich fände als ein solches Kriterium wichtig, dass niemand, der sein Leben aus Transferzahlungen fristet, ein öffentliches Amt innehaben kann, aber dies und andere Kriterien müsste man diskutieren und am besten im Rahmen einer Volksabstimmung bescheiden),
dass es in einer Demokratie keine politische Immunität und keinen Beamtenstatus geben kann
und am besten keine Parteien gibt (und wenn jedenfalls keinerlei Zuwendungen an Parteien aus der Staatskasse erfolgen),
dass es klare Verfahren geben muss, gemäß derer Bürger Amtsinhaber, die sich als untauglich, korrupt oder was auch immer erwiesen haben, zum Rücktritt zwingen können und Vergünstigungen für sie streichen können (und nicht hoffen müssen, dass sie vielleicht, wenn sie Lust haben, zurücktreten, um von da an gut von ihren Bezügen aus Staatskasse zu leben), und
dass Urteilssprechungen in verschiedenen Gremien prinzipiell durch Bürger erfolgen müssen und nicht durch Amtsinhaber oder deren “Experten” oder von ihnen sonstwie Eingesetzte,
dann wären wir Demokratie ein sehr großes Stück näher gekommen.
Und dabei brauchen wir uns nicht um eine Definition von “Demokratie” zu streiten. Heißt es nicht (auch) in Deutschland zur Charakterisierung von Demokratie: Alle Gewalt geht vom Volk aus!?
Und das sollte hinreichend deutlich sein: nicht “ein bisschen”, oder “auch”, sondern “Alle Gewalt”!
Danke, für Ihre Ausführungen! Einig sind sich wohl alle, daß man die Demokratie in D rekonstruieren muss, daß das bestehende System aus sich heraus nicht mehr in der Lage und Willens ist, sich neu zu konstituieren (außer der AfD!) und daß man dafür die Macht der Parteien aufheben muss.
Aus diesem Grund sind Diskussionen, die sich um das Grundsätzliche der Demokratie drehen, gerade heute elementar!