Geld regiert die Welt: Finanzielle Eliten und politische Eliten (Teil 7 der Serie „Populismus, Elitismus und das Ringen um Demokratie“)
Die Vorstellungen von Niccolo Machiavelli und Roberts Michels davon, durch welche Eigenschaften sich politische Führer bzw. Angehörige politischer Eliten auszeichnen, waren Thema von Teil 6 der Serie. Machiavelli war der Auffassung, dass es „tierische“ Eigenschaften, d.h. Füchsen und Löwen traditionell in vermenschlichender Weise zugeschriebene Eigenschaften, insbesondere Listigkeit bzw. Verschlagenheit und Einschüchterungs- und Gewaltbereitschaft, seien, die „Fürsten“ bzw. politische Führer auszeichnen. Dagegen war es für Robert Michels Selbstherrlichkeit und übertriebene Identifikation der eigenen Person mit einer Sache, einem Anliegen oder einer Ideologie, die politische Führer auszeichnet, wobei Michels der Meinung war, dass ein Mensch auf dem Weg in eine Führungs- oder Machtposition notwendigerweise eine psychologischen Metamorphose durchmacht, die diese Eigenschaften produziert oder verstärkt.
Am Ende von Teil 6 wurde die Frage danach aufgeworfen, ob politische Eliten nicht (auch) finanzielle Eliten sind oder umgekehrt: ob es nicht finanzielle Eliten sind, die sich entweder Machtpositionen aneigenen und damit selbst politische Eliten stellen oder politische (bzw. Macht-)Eliten einsetzen oder vorhandene politische Eliten für sich gemäß eigener Interessen agieren lassen. Einige der „klassischen“ Eliten-Theoretiker bzw. „klassischen“ politische Soziologen beantworten diese Frage mit einem eindeutigen „ja“, darunter – und besonders prominent – der sizilianische Rechtswissenschaftler Gaetano Mosca, der als einer der frühesten Elite-Theoretiker gilt.
Die „politische Klasse“ bei Gaetano Mosca
Gaetano Mosca spricht in seiner Abhandlung über „Elementi di Scienza Politica“ aus dem Jahr 1896 bezeichnenderweise nicht von „Elite“ bzw. „politischer Elite“, sondern von „la classe politica“, d.h. von „der politischen Klasse“, der er sein zweites Kapitel widmet. (In der Übersetzung seiner Schrift ins Englische wurde der Titel des zweiten Kapitels als Titel für das gesamte Buch gewählt; es wurde „The Ruling Class“ (1939) genannt, was irreführend ist, weil das Buch weit mehr enthält als Bemerkungen über die herrschende Klasse; so widmet sich Mosca z.B. gleich im ersten Kapitel den Methoden der Politikwissenschaft.)
Mosca geht davon aus, dass jede menschliche Gesellschaft ohne Ausnahme in eine kleine herrschende Klasse von Oligarchen oder Aristokraten – die politische Klasse – und in eine große Klasse der Beherrschten – d.h. alle anderen – unterteilt ist. Die Möglichkeit, dass die Bevölkerung politischer Souverän sein könnte, sei es im Rahmen eines demokratischen Systems oder in Form einer Diktatur des Proletariats o.ä., war für ihn als unrealistisch, als nicht praktikabel, ausgeschlossen. Auch demokratische Systeme sind für Mosca eine Form der Regierung durch eine herrschende Klasse. So schreibt er z.B. auf Seite 52:
„What Aristotle called a democracy was simply an aristocracy of fairly broad membership” (Mosca 1939: 52),
d.h.
“Was Aristoteles eine Demokratie genannt hat, war einfach eine Aristokratie mit ziemlich breiter Mitgliedschaft“ (Mosca 1939: 52).
Die jeweils herrschende Oligarchie oder Aristokratie kann mit der Masse der Bevölkerung aber nicht uneingeschränkt verfahren, wie sie möchte, denn:
„[w]hatever the type of political organization, pressures arising from the discontent of the masses who are governed, from the passions by which they are swayed, exert a certain amount of influence on the politics of the ruling, the political, class” (Mosca 1939: 51),
d.h.
“[u]nabhängig von der Art der politischen Organisation übt der Druck, der von der Unzufriedenheit der regierten Massen ausgeht, von den Leidenschaften, von denen sie sich leiten lassen, einen gewissen Einfluss auf die Politik der herrschenden, der politischen, Klasse aus“ (Mosca 1939: 51).
Damit verweist Mosca – ähnlich wie das bei Machiavelli der Fall ist – auf die Möglichkeit, dass sich die Masse der Bevölkerung oder Teile von ihr gegen die kleine Gruppe der Oligarchen oder Aristokraten erheben und ihrer Herrschaft ein gewaltsames Ende setzen könnte. Wer mittel- oder längerfristig herrschen möchte, muss daher ein gewisses Maß an Responsivität gegenüber den Bedürfnissen und Anliegen der Masse der Bevölkerung zeigen. Wenn eine herrschende Klasse keine Responsivität zeigt, wenn sie von der Bevölkerung abgesetzt wird, bedeutet das nach Mosca lediglich die Ablösung einer herrschenden Klasse durch die andere:
Gleichzeitig gilt, dass die Herrschaft eines einzelnen, sagen wir: eines Tyrannen oder eines Gott auf Erden verkörpernden Alleinherrschers, unmöglich ist. Herrschaft kann immer nur von einer – wenn auch vergleichsweise kleinen – Gruppe von Menschen, eben von einer herrschenden Klasse, ausgeübt werden:
Deshalb kann es nach Mosaca ebenso wenig eine Gesellschaft geben, in der ein Alleinherrscher irgendeiner Art über alle anderen Menschen herrscht als es eine Gesellschaft geben kann, in der die Bürger der Souverän sind; es muss nach Mosca in jeder Gesellschaft eine herrschende Klasse und eine beherrschte Klasse geben.
Die Angehörigen der herrschenden Klasse sind nach Mosca Träger von Eigenschaften, die in der Gesellschaft wertgeschätzt werden, aber er betont, dass diese Eigenschaft „… real or apparent“ (Mosca 1939:53), d.h. tatsächlich oder nur scheinbar, vorhanden sein können. Es geht also nicht unbedingt um tatsächlich vorhandene persönliche Eigenschaften der Angehörigen der herrschenden Klasse, die sie zu Angehörigen der herrschenden Klasse machen, sondern darum, dass Angehörige der herrschenden Klasse Eigenschaften haben, erwerben oder (erworben) zu haben scheinen, denen sie im Rahmen eines bestimmten Anforderungsprofils genügen oder zu genügen scheinen müssen.
Und das Anforderungsprofil selbst ist veränderlich bzw. je nach den gesellschaftlichen Verhältnissen verschieden. Dementsprechend kann die herrschende Klasse in der einen Gesellschaft eine Klasse von (tatsächlich oder angeblich) tapferen und erfolgreichen Kriegern sein, in einer anderen Gesellschaft (tatsächlich oder angeblich) Gebildete oder „Philosophen“, in wieder einer anderen die Klasse von Landbesitzern oder die Klasse der religiösen Spezialisten. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich de facto immer um die Reich(st)en einer Gesellschaft, denn:
Es ist also für reiche Menschen fast immer einfacher als für weniger reiche oder arme Menschen, sich (tatsächlich oder scheinbar) mit denjenigen Eigenschaften zu versehen, die dem Anforderungsprofil entsprechen, das in einer bestimmten Gesellschaft herrscht, und die daher wertgeschätzt werden, als „hochkulturell“ gelten, wenn man so sagen möchte, – unabhängig davon, um welche Eigenschaften genau es sich handelt:
Die herrschende Klasse ist bei Mosca also in der Regel die Klasse der Reich(st)en in der Gesellschaft, die Eigenschaften erwerben können, die man im Anschluss an Pierre Bourdieu (1983) „Kapitalien“ – finanzielles, kulturelles, soziales, symbolisches Kapital – nennen würde, die sich auf jeweils spezifische Weise in politisches Kapital bzw. politischen Einfluss ummünzen lassen. In dieser Transferierbarkeit in politisches Kapital liegt der Wert von Eigenschaften (für die politische Elite bzw. Klasse), nicht in den Eigenschaften als solchen.
Eine vergleichsweise plumpe, aber effiziente, Form der Transferierbarkeit von Kapital ist der Transfer finanziellen Kapitals in politischen Einfluss, auch in einem demokratischen System, beschreibt Mosca in an Aktualität kaum zu überbietender Weise wie folgt:

Auch dann, wenn es Angehörigen einer herrschenden Klasse gelingt, sich – unter Einsatz ihres materiellen Reichtums – tatsächlich oder scheinbar durch diejenigen Eigenschaften auszuzeichnen, die im gerade geltenden Anwendungsprofil wichtig sind, ist ihre Herrschaft latent immer bedroht, auch dann, wenn die Bevölkerung keine Anstalten macht, sie abzusetzen:
Dies alles führt zu “far-reaching dislocations … in the ruling class“ (Mosca 1939: 65) oder genauer: dazu, dass „the manner in which the ruling class is constituted changes also” (Mosca 1939: 65). Das heißt, dass sich der Bestand an Individuen, der die herrschende Klasse stellt, mit dem bzw. in Folge des veränderten Anforderungsprofil verändert. Dies ist ein Gedanke, der von Vilfredo Pareto in seiner bekannten Theorie von der „circulazione della classe eletta“ (Pareto 1916: 473) bzw. Zirkulation der Eliten aufgenommen wurde. Was nicht verschwindet, durch keine Revolution beseitigt werden kann, ist die Existenz einer herrschenden Klasse als solche; sie ist wie oben schon gesagt nach Mosca eine Konstante in jeder menschlichen Gesellschaft.
Halten wir fest:

Moscas herrschende Klasse ist nicht nur und nicht vor allem eine Machtelite. Sie ist nicht oder nicht vorrangig durch Positionen oder Ämter definiert, die mit bestimmten Machtmitteln ausgestattet sind. Vielmehr ist Moscas herrschende Klasse vor allem eine Einfluss-Elite. Eine einigermaßen dauerhafte Herrschaft ist bei Mosca nur möglich auf der Grundlage von „social influence“ (Mosca 1939: 58). Dieser wiederum liegt in der Regel Reichtum bzw. überdurchschnittlich großer materieller Wohlstand zugrunde – entweder direkt, indem durch materielle Anreize oder Zuwendungen Einfluss auf andere – insbesondere Personen in bestimmten Ämtern oder Positionen, also die Macht-Elite, wenn man so sagen möchte, – ausgeübt wird, oder vermittelt über den Einsatz von Geld zum Erwerb z.B. von Bildungstiteln oder anderen Indikatoren oder Symbolen für Eigenschaften, die in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit hohe Wertschätzung erfahren. Bei Mosca bringen Reichtum, die (Möglichkeit zur) Umwandlung von Reichtum in in der Gesellschaft geschätzte Güter und – vermittelt über die ersten beiden Faktoren – Einflussnahme eine politische bzw. herrschende Klasse als solche hervor.
Man würde vielleicht meinen, dass eine herrschende Klasse prinzipiell einer konservativen Politik bzw. konservativen Parteien das Wort reden müsse, d.h. einer Politik und Parteien, die möglichst wenig verändern möchte/n, denn stabile gesellschaftliche Verhältnisse würden auch für die Stabilität der herrschenden Klasse sorgen. Nach Robert Michels, über dessen „Soziologie des Parteiwesens“ (1925) bereits in Teil 6 der Serie berichtet wurde, ist dies jedoch nicht unbedingt der Fall.
Robert Michels: Demokratie als Adelsherrschaft mit anderen Mitteln und die Psychologie des Übersättigten
Robert Michels, hat sich leider nicht auf systematische Weise der Frage nach dem Verhältnis zwischen politischen und finanziellen Eliten bzw. der Oberklasse in der Gesellschaft gewidmet. An verschiedenen Stellen in seinem Buch kommt er jedoch in jeweils verschiedenen Zusammenhängen auf dieses Verhältnis zu sprechen. Michels geht davon aus, dass das Engagement in einer politischen Partei oder die Unterstützung einer politischen Partei für Angehörige der Oberklasse bzw. die Reichen in einer Gesellschaft verschiedene Funktionen erfüllt, je nachdem, in welcher oder für welche Partei sie sich engagieren.
So argumentiert er mit Bezug auf die Mitgliedschaft oder Unterstützung konservativer Parteien, dass es sich dabei um einen Versuch der Oberklasse bzw. der Aristokratie bzw. der „Vornehmen“ (Michels 1925: 16) handelt, „… die in der Gesellschaftsordnung eingenommene Stellung der Familie zu konservieren“ (Michels 1925: 14):
„… die Tendenz des zu gewissem ökonomischen Wohlstand gelangten Mannes, sein erworbenes oder geraubtes Besitztum mittels Erbschaft seinem rechtmäßigen …. Sohn zu übermitteln … sehen wir … auch auf dem Gebiete der Politik lebendig. Sie w[i]rd[…] wachgehalten durch allerhand dem Menschen eigene, inhärente Instinkte und mächtig konserviert durch eine Wirtschaftsordnung, die als ihre Basis das Privateigentum an den Produktionsmitteln anerkennt, und in welcher, nach Gesetzen natürlicher psychologischer Analogie, auch die politische Macht als ei Gegenstand vererbbaren Privatbesitzes betrachtet werden muss“ (Michels 1925: 14).
Man könnte also sagen, dass die „alten herrschenden Klasse[n]“ (Michels 1925: 16) mittels konservativer Parteien versuchen, ihre politische Macht zu erhalten. Zwar haben „[u]nsere Zeiten […] die alten starren Formen der Aristokratie ein für allemal zerstört“ (Michels 1925: 2; Hervorhebung im Original), aber alte herrschende Klassen finden in der Demokratie neue Mittel, ihre Herrschaft zu erhalten, auch, wenn sie aus strategischen Gründen auf die Gründung einer „Adels- oder Großgrundbesitzerpartei“ (Michels 1925 7) verzichten:
„Eine Adels- oder Großgrundbesitzerpartei würde durch den Appell an die Standesgenossen und wirtschaftliche Gleichinteressierten allein nicht einen einzigen Wahlkreis gewinnen, nicht einen einzigen Depurtierten durchbringen können. Ein konservativer Kandidat, der sich vor seine Wähler hinstellen würde, um ihnen zu erzählen, dass er sie für nicht befähigt halte, die Geschicke des Landes aktiv mitzubestimmten und dass sie deshalb seinem Dafürhalten nach vom Wahlrecht ausgeschlossen werden müssten, wäre ein menschlich kreuzehrlicher, aber politisch kreuztörichter Mann. Um im Parlament act de présence machen zu können, gibt es deshalb für ihn nur ein Mittel: mit demokratischer Geste in die Wahlarena zu treten, die Bauern und Landarbeiter als Berufsgenossen anzureden und ihnen die Überzeugung beizubringen, dass ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen mit den seinigen übereinstimmen. Der Aristokrat sieht sich also genötigt, sich auf Grund eines Prinzips wählen zu lassen, das er nicht anerkennt und im Innern seines Herzens verwerfen muss. Aber die Einsicht, dass er in dem demokraitschen Zeitalter, das über ihn hereingebrochen ist, mit diesem Prinzip politisch isoliert dasteht …, dreht ihm da Wort im Munde um und läßt ihn mit den Wölfen heulen: die heiße Bitte um Majorität“ (Michels 1925: 8).
Und deshalb
„[zwingt] [d]er politische Selbsterhaltungstrieb […] die alten Herrschergruppen, in den Wahlzeiten von ihren Herrensitzen herabzusteigen und zu den gleichen demokratischen und demogogischen Mitteln zu greifen wie die jüngste, breiteste und unvornehmste Schicht unserer Gesellschaft, das Proletariat“ (Michels 1925: 7).
In liberalen Parteien bedienen sich
„… auf anderen Gebieten bereits zur Herrschaft gereifte, aber noch nicht im Besitz politischer Macht befindliche Massen, nämlich … Schichten von Besitz und Bildung“ (Michels 1925: 9),
demokratischer Strukturen, um politische Herrschaft zu erringen:
„In unserer Zeit [1911! 1 Aufl.] haben sich selbst in der der Sozialdemokratie am nächsten stehenden liberalen Gruppe des parteipolitischen Deutschland, der nationalsozialen, Regungen einer Auffassung gezeigt, die es keineswegs beklagte, dass der wandelbare und unberechenbare (im alten Reichstage zum Ausdruck gelangende) Volkswille die Staatsgeschäfte nicht allein beeinflussen konnte, und dass neben ihm einschränkende, beaufsichtigende, mit Vetorecht ausgerüstete, vom Volke unabhängige, artistokratische Elemente Wache hielten“ (Michels 1925:11; Hervorhebungen im Original).
Der „innere Widerwillen des Liberalismus gegen die Massen“ (Michels 1925: 10) verhindert nicht, dass man sich mit der Masse als notwendiges Übel arrangieren muss, um in den vergleichsweise neuen demokratischen Strukturen an der politischen Macht bleiben bzw. an sie kommen zu können:
„Vielleicht läßt sich zusammenfassend der Satz aufstellen, dass im modernen Parteileben die Aristokratie gern in demokratischer Form auftritt [nämlich in Form von oder im Zusammenhang mit konservativen Parteien], während der Inhalt der Demokratie mit aristokratischen Substanzen durchsetzt ist [in liberalen Parteien oder im Zusammenhang mit ihnen]. Hier Aristokratie mit demokratischer Form, dort Demokratie mit aristokratischem Inhalt“ (Michels 1925: 12).
Ist das bei den „sozialrevolutionären“ (Michels 1925: 13) unter den demokratischen Parteien anders? Immerhin sei – so meint Michels – ihr „… wesentlichste[r] Lebenszweck … [die] Bekämpfung der Oligarchie in allen ihren Formen …“ (Michels 1925: 13). Man könnte daher vermuten, dass solche Parteien Vorbehalte dagegen hätten, sehr reiche Leute aufzunehmen oder sich den Einflüssen von sehr reichen Leuten zu öffnen. Aber, so Michels, sie weisen „… die gleichen, von ihr befehdeten Tendenzen …“ (Michels 1925: 13) auf. Und man könnte aufgrund des propagierten „wesentlichste[n] Lebenszweck[es]“ „sozialrevolutionärer“ Parteien vermuten, dass solche Parteien für sehr reiche Leute gar nicht attraktiv sind, aber Michels beobachtet, dass das nicht der Fall ist, und widmet der
„… anscheinend seltsame[n] Erscheinung, dass sich dem Sozialismus vielfach Männer aus der Plutokratie anschließen“ (Michels 1925: 255),
ein leider nur gut eine Seite umfassendes Kapitel, das den Titel „Die Reichen“ trägt.
In diesem Kapitel schlägt Michels probeweise mehrere Erklärungen dafür vor, warum „[d]ie Reichen“ sich dem Sozialismus zuwenden:
Für die „Gutgearteten unter den satten Menschen“ (Michels 1925: 255) vermutet Michels, dass sie „… das Gefühl für die Notwendigkeit einer ihrer persönlichen Lage entsprechenden Art von humanitärer Propaganda“ (Michels 1925; 255) entwickeln. „[R]eiche[…] Philanthropen“ (Michels 1925: 256) sind nach Michels weniger von „aufrichtige[m] Mitleid mit … Leidenden …“ (Michels 1925: 256) motiviert als vielmehr davon, dass „… das Leiden ihren eigenen Nerven oder ihrem eigenen ästhetischen Empfinden Schmerz bereitet“ (Michels 1925: 256). „In einigen anomalem Köpfen unter den neunmal Reichen und neunmal Weisen“ (Michels 1925: 256) mag nach Michels auch der Gedanke den Ausschlag für die Zuwendung zu den Sozialisten gegeben haben, dass es dadurch möglich sein würde, „… bei der herannahenden Revolution vor der konfiszierenden Wut der Revolutionäre ihr Vermögen zu retten …“ (Michels 1925: 256). Und schließlich vermutet Michels, dass „[h]äufiger noch … den steinreichen Mann jenes Unvermögen, sich neue Genußgüter zu verschaffen, … und der daraus entstehende Überdruss …“ dazu bringt, sich dem Sozialismus „… zu nähern“ (Michels 1925: 256).
Michels führt als mögliche Erklärungen für die Beobachtung, dass sehr reiche Menschen sich dem Sozialismus bzw. sozialrevolutionären Parteien zuwenden, also ein schlechtes Gewissen, eine Abscheu vor dem Mitansehen-Müssen von Leiden anderer Leute, Angst vor den Folgen einer Revolution für das eigene Vermögen und Überdruss an Genussgütern bzw. Langeweile oder Sinnlosigkeit an. Für Michels ergeben sich diese verschiedenen Erklärungen gleichermaßen aus der „Psychologie des Übersättigten“ (Michels 1925: 256).
Es gibt also theoretisch eine ganze Reihe verschiedener Gründe dafür, warum sich sehr Reiche als Einfluss-Elite der Macht-Elite, d.h. der Inhaber von mit bestimmten Verfügungsgewalten ausgestattete Positionen (verschiedener Parteien), bedienen sollten.
Die „Super-Elite” der Plutokraten in der „Post-Demokratie“
Die menschliche Psychologie dürfte sich während der vergangenen 50.000 Jahre zwar wenig (oder gar nicht) verändert haben, aber jede Epoche bietet aufgrund der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse, juristischer Regelwerke, herrschenden Ideologien, vorhandenen Institutionen und Verfahrensweisen verschiedene Möglichkeiten dafür, dass (und wie) sehr reiche Menschen ihre Interessen unter Instrumentalisierung politischer Eliten verfolgen; eine Reihe von Autoren ist der Auffassung, dass die Globalisierung und mit ihr die Entwicklung eines umfassenden transnationalen Kapitalismus besonders günstige Bedingungen hierfür geschaffen hat und eine Plutokratie, d.h. eine Herrschaft der Reichen, geschaffen hat. So schreibt Freeland (2012: xiv):
Die neue “Super-Elite” ist demgemäß eine finanzielle Einfluss-Elite, die angemessen auch als eine „Cosmopolitan Elite“ (Bourgouin 2013: 227) oder „The Global Firm“ (Crouch 2010: 148) bezeichnet werden kann. Nach Crouch leben wir in (oder zumindest: näher an) einer „Post-Democracy“ (Crouch 2004), die sich durch eine „systematische Privilegierung von Kapitalinteressen in politischen Aushandlungsprozessen“ (Buchstein 2005: 488) auszeichnet (als an einer Demokratie). Es existieren zwar noch allgemeine Wahlen, aber politische Debatten sind zu einem Spektakel geworden, das von Experten in sachen Überredungstechniken inszeniert wird und Bürger eine weitgehend passive Rolle reduziert, in der sie lediglich (so oder so) auf die ihnen vorgegebenen Stimuli reagieren (Crouch 2004: 4), so dass Demokratie, in der die Bürger der letztliche Souveran sind, „trivialisiert“ („trivialization of democracy“; Crouch 2004: 6) worden ist.
„My central contentions are that, while the forms of democracy remain fully in place – and today in some respects are actually strengthened – politics and government are increasingly slipping back into the control of privileged elites in the manner characteristic of predemocratic times; …” (Crouch 2004: 6),
d.h.
Meine zentralen Behauptungen sind, dass, während die Formen der Demokratie in vollem Umfang bestehen bleiben – und heute in mancher Hinsicht sogar gestärkt werden –, Politik und Regierung zunehmend in die Kontrolle privilegierter Eliten zurückgleiten, wie es für vordemokratische Zeiten charakteristisch war; …” (Crouch 2004: 6).
Was bedeutet das für die Demokratie? Ist sie Geschichte? Kann sie wiederhergestellt werden, und falls ja: wie? Sind populistische Bewegungen, die wir am Beginn der Serie (in Teil 1) bereits als Bewegungen identifiziert haben, in denen/durch die die Bürger ihre Forderung nach mehr Demokratie zum Ausdruck bringen (statt die Demokratie zu bedrohen, wie manche gerne behaupten), zum Scheitern verurteilt? Welche Reformen wären sinnvoll oder notwendig, um dem „… normativen Kern des Demokratiebegriffs …“ (Buchstein 2005: 489) in der Praxis wieder zur Geltung zu verhelfen? Der nächste und letzte Teil der Serie „Populismus, Elitismus und das Ringen um Demokratie“ wird diesen Fragen gewidmet sein.

Die vorherigen Teile der Serie ” „Populismus, Elitismus und das Ringen um Demokratie“:
- Teil 1: Populismus, Elitismus und das Ringen um die Demokratie
- Teil 2: Populismus als Gefahr für die Demokratie?
- Teil 3: Minimal-Demokratie: „Eliten“ als Sachwalter der Demokratie?
- Teil 4: Politische Eliten und das Problem der Macht
- Teil 5: Sind Angehörige politischer Eliten bessere Demokraten?
- Teil 6: Politische Eliten als „Füchse“ und „Löwen“ und die “Selbstherrlichkeit” politischer Eliten
Literatur:
Bourgouin, France, 2013: Money Relations, Ideology, and the Formation of a Cosmopolitan Elite at the Frontier of Transnational Capitalism: An Ethnographic Study of African Finance Professionals in Johannesburg, S. 227-247 in: Abbink, Jon, & Salverda, Tijo (Hrsg.): The Anthropology of Elites. New York: Palgrave Macmillan.
Bourdieu, Pierre, 1983: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, S. 183-198 in: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen: Schwartz.
Buchstein, Hubertus, 2005: Post-Democracy by Colin Crouch (Buchrezension.) Politische Vierteljahreszeitschrift 46(3): 487-489.
Crouch, Colin, 2010: The Global Firm: The Problem of the Giant Firm in Democratic Capitalism’, S. 148-172 in: Coen, David, Grant, Wyn, & Wilson, Graham (Hrsg.): The Oxford Handbook of Business and Government. Oxford: Oxford University Press.
Crouch, Colin, 2004: Post-Democracy. Cambridge: Polity Press.
Freeland, Chrystia, 2012: Plutocrats: The Rise of the New Global Super-Rich. London: Penguin.
Michels, Robert, 1925: Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie: Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens. (Neudruck der zweiten Auflage.) Stuttgart: Alfred Kröner. (Die erste Auflage erschien erstmals 1911.)
Mosca, Gaetano, 1939: The Ruling Class. (Translation by Hannah D. Kahn.) New York: McGraw-Hill. (Im italienischen Original unter dem Titel “Elementi di Scienza Politica“ im Jahr 1896 erschienen.)
Pareto, Vilfredo, 1916: Trattato di Sociologia Generale, Volume II. Firenze: G. Barbèra.
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Die beste “Elite” ist diejenige, die man wenig bis gar nicht zur Kenntnis nimmt… Die “Ordnung” wird durch einen “Leuchtturm” (Königtum, Staatsfolklore, Demokratie- bzw. Mitbestimmungsgehampel etc.) “repräsentiert” und der Rest “läuft so nebenbei”, neben dem “Leben”. Wenn sich ungeklärte Herrschaftsangelegenheiten nicht durch eine “Show” oder Krieg verbergen lassen, ist dies meist dem Umstand geschuldet, dass Kreise der (tatsächlichen) “Eliten” den “Plebs” für ihre Ziele einbinden bzw. “instrumentalisieren” wollen…
Helge F. Lindh macht mir richtig Angst.
Sein Antlitz schreckt mich.
Mit Grausen denke ich daran wie er im Ahrtal aus dem Keller eines abgesoffenen Hauses einen 5 m Hai an den Kiemen herausgezerrt und dem nassen Wahl-Pöbel präsentiert hat.
Ein starker Keiler für die planetarische Demokratie und ein Graus für all die Hunderttausende an noch vorhandenen Nebenwirkungsschwurblern.
Berichtigung:
Es waren vielleicht doch eher 6,50 m.
Und ein Silberfischchen.
Bei den Kiemen bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.
Der Grundmaßstab sämtlichen politischen Handelns muß absolute Gerechtigkeit sein; ansonsten wird das nichts und endet entweder in dem einen oder dem anderen Extrem.
Und was bitte ist Gerechtigkeit, und dann auch noch absolut.
Eigentlich ein typisch linker Gedankengang, etwas stark fordern, von dem weder der Fordernde noch die von ihm Angesprochenen wissen, was die Fordrung eigentlich beinhaltet.
Aber man ist sich in dieser Sache sehr einig !
Nun ja, zur Bedeutung des Begriffes der Gerechtigkeit sollte ein Verweis auf einschlägige Nachschlagewerke genügen. Forderung nach Gerechtigkeit (wobei “absolut” hier nur Nichtverhandelbarkeit ausdrücken soll), ist darüber hinaus weder links noch rechts, sondern m.E. von Bedeutung im Zusammenhang mit der Frage, wie die Menschheit ihr Überleben gestalten möchte. Ist doch die Ursächlichkeit jeglichen Übels, ob nun gesellschaftlicher, politischer, ökonomischer oder auch moralischer Natur, letztendlich immer der einen oder anderen Form von Ungerechtigkeit geschuldet. Keine Welt kann zur Bleibe von Frieden werden, solange der Mensch sich nicht an Gerechtigkeit hält. Wann immer sich Ungerechtigkeit, Tyrannei und Unterdrückung durchsetzen, geht daraus das Böse hervor und es wird, damit einhergehend, der Zerstörung freier Lauf gelassen. Niemand kann mit den Geboten der Gerechtigkeit herunmtändeln, ohne sich selbst der Gefahr auszusetzen, Opfer entsprechender Konsequenzen zu werden – entspricht letzteres doch den natürlichen Folgen einer Übertretung der Naturgesetze. Und niemand steht über den Naturgesetzen. Mit anderen Worten, hält der Mensch sich nicht an das Gebot absoluter Gerechtigkeit, verschuldet er daraus entstehendes Unglück selbst.
Nachschlagewerke helfen nicht, wenn jeder sich unter diesem Begriff für sich den Begriffsinhalt bastelt.
Absolut und Nichtverhandelbarkeit (Stalinismus) haben wenig bis nichts miteinander zu tun.
Gerechtigkeit ??, in Bezug auf was ?? … und wie sieht das dann aus in der Praxis ??
@operantl @catch22
Ich hatte das mit der “Gerechtigkeit”, die hier in Frage steht, als Rechtsstaatlichkeit interpretiert, also als Gleichbehandlung vor dem Gesetz, und ich vermute, dass wir uns alle drei auf diesen gemeinsamen Nenner einigen können?!
Gehe konform, danke. Darüber hinaus wollte ich nur auf die allumfassendere Bedeutung von Gerechtigkeit hingewiesen haben.
Ich stimme zu.
Der Schimpanse mit den Boxhandschuhen gehört nicht zur herrschenden Klasse, sondern als Unmuts-Sandsack zum Unterhaltungsprogramm für die Steuerzahlerviecher. Der Schwabbel als Prokonsul des Satans gehört sicherlich zur herrschenden Klasse; auch weil er Organisationstalent und Boshaftigkeit besitzt, also die zwei wesentlichen Machtfaktoren des auslaufenden dunklen Zeitalters neben dem Geld. Allerdings wird die Magie des Geldes als Ersatzsakralität sofort neutralisiert, wo echter Gottglaube aktiv ist.
Ein großer Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie:
In einer sogenannten Demokratie, da erzählen die Herrschenden den Bürgern, das beginnt schon in der Grundschule, dass die Macht vom Volke ausgehe und dass die Bürger per Wahl die Politik (mit)bestimmen – und die doofen Bürger glauben das auch noch.
Wie passt dazu die Kombination aus Hippie-Firma, etablierten Firmen wie BlackRock, offiziellen Ukraine-Präsidenten, US-Parteien-Fianzierung für Wahlkampf … Und 50 Mrd. verschwundene USD. Aus einem Firmenambiente und Leuten, in deren Reihen der “Einbecher” bei den Pelosis auch passen könnte.
https://www.zerohedge.com/political/worse-enron-new-ftx-ceo-slams-unprecedented-failure-corporate-controls?utm_source=&utm_medium=email&utm_campaign=1075
Schnelles Vorwärtskommen bis in die Spitze trotz Totalversagen und Korruption, von der Leyen, aber bekannter Name, Adel, Geld und Beziehungen.
Da tut sich der gemeine Sozi schon schwerer.
Der muss seine Pfründe absichern über angelsächsische Interessenvertretung. Ist zwar Verrat an dem Land, mit welchem er noch nie etwas anfangen konnte, bringt aber Status und jede Menge Kohle.
Es baerbockt und atlantikbrückt in allen Gliederungen der neuen Sozialistischen Einheitspartei.
Dann gibt es auch noch den neuen Adel der Armen aber Pseudopromovierten.
Obendrauf dann zu allem Überfluß die neuen Fugger.
Dunkle Triaden suchen Macht, die sich – entgegen landläufigen Meinungen – eben keineswegs einfach erkaufen lässt (wenngleich Geld / materielle Werte zumindest eines der wesentlichen Werkzeuge ist).
Die Bedeutung von Geld für die Entstehung und Ermöglichung von (übergriffiger) Macht wird weitgehend überschätzt.
Ohne staatliche Monopolisierung – vor allem der Gewalt – ist keine solche Macht zu erkaufen bzw zu erlangen.
Dunkle Triaden lockt Reichtum maximal sekundär – als ein durchaus begrenztes Mittel zum Zweck.
Deshalb benötigen selbst reicheste dunkle Triaden privilegierten Zugang zu staatlichen Monopolen, wie sie an echten/staatsfernen Märkten selbst für sie unerreichbar sind.