Das Kultusministerium Baden-Württembergs steht auf Kriegsfuss mit Fairness, Logik und Toleranz

Gerade haben wir die Diffamierungs-Spirale veröffentlicht und darin die diskreditierende Behauptung, die völlig unbelegt daher kommt und einzig und allein an Gefühle appelliert, als Ursache für den Verfall öffentlicher politischer Kultur in Deutschland dingfest gemacht, da kommt aus dem Kultusministerium in Baden Württemberg eine Stellungnahme, die die Mechanismen, die einer Diffamierungs-Spirale zu Grunde liegen, noch einmal deutlich macht.

BaWue KultusministeriumDa die Stellungnahme nicht nur gegen jede Form von Fairness und Anstand im Umgang miteinander verstößt, sondern auch zeigt, dasss die Herrschaften im Kultusministerium offensichtlich gar nicht anders können als Menschen mit anderer Meinung nicht zu tolerieren, sondern zu stereotypisieren und auszugrenzen, wollen wir die Stellungnahme als Übungstext ansehen, anhand dessen die gravierendsten logischen Fehler dargestellt werden können – zu Lernzwecken (man soll ja nie ausschließend, dass selbst Mitarbeiter in Kultusministerin bis hin zu demjenigen, der gerade den Kultusminister gibt, lernen).

Los geht’s (die “Stellungnahme findet sich hier“)

“Das Kultusministerium weist die in der Petition ‘Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens’ aufgenommenen Behauptungen zum neuen Bildungsplan als falsch und diskriminierend gegenüber Minderheiten zurück.”

  • Das ist zunächst einmal Unsinn, denn ein Kultusministerium hat keinerlei physische Existenz, kann also auch nichts zurückweisen. Wenn sich im Kultusministerium niemand gefunden hat, der in persona die Verantwortung für die Stellungnahme übernehmen wollte und das muss man wohl folgern, dann ändert dies nichts daran, dass es kein Kultusminsterium gibt, das etwas zurückweisen kann.
  • Sodann werden Behauptungen nicht aufgenommen, sondern aufgestellt, eine Formulierung, wie die in der Stellungnahme aus dem Kultusministerium impliziert, wenn man normalen deutschen Sprachgebrauch zu Grunde legt, dass die Stellungnehmer annehmen, die Behauptungen in der Petition, von denen sie reden, seien nicht in der Petition aufgestellt worden, sondern von Dritten übernommen, aufgenommen eben. Ob es sich bei diesen Dritten dann um Personen aus dem Kultusministerium handelt, wäre entsprechend zu klären.
  • zukunft-verantwortung-lernen-kein-bildungsplan-2015-unter-der-ideologie-des-regenbogens_1386755089Aufgestellte Behauptungen kann man widerlegen bzw. man kann zumindest versuchen, sie zu widerlegen. Wenn ich behaupte, dass morgen Montag ist, dann kann man zeigen, dass diese Behauptung falsch ist, und zwar an allen Tagen außer dem Sonntag.
  • Die Behauptung, dass alle Behauptungen, die in eine Petition “aufgenommen” worden sind, flasch sind, ist eine Meta-Behauptung, die wiederum einen Beleg braucht, den man allerdings vergeblich in der Stellungsnahme sucht.
  • Anstelle eines Beleges dafür, dass die “aufgenommenen Behauptungen” alle falsch sind, der ja nicht schwierig sein dürfte, wenn sie tatsächlich falsch sind, findet sich in der der Stellungsnahme eine Diskreditierung, und zwar mit der Formulierung “diskriminierend gegenüber Minderheiten”. Was diskriminierend gegenüber Minderheiten ist, können die Schreiber der Stellungnahme offensichtlich ebenso wenig benennen, wie sie sagen können, welche Behauptungen falsch sind.
  • Auch die Behauptung, dass die vermeintlich in die Petition “aufgenommenen Behauptungen” diskriminierend gegenüber Minderheiten seien, bleibt ohne Beleg und erfüllt somit den logischen Tatbestand einer Diskreditierung, die man letztlich wohl auf Vorurteile im Kultusministerium gegenüber den Urhebern der Petition zurückführen muss.

An die Stelle der fehlenden Belege tritt in der Stellungnahme aus dem Kultusministerium Baden-Württembergs eine weitere Behauptung, die abermals nicht auf Belege gebaut wird, sondern auf den Wohlklang der Worte:

“Der neue Bildungsplan 2015 soll in den Schulen Werte wie Respekt, Toleranz und Weltoffenheit vermitteln. Diese Werte bilden eine wichtige Grundlage für ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Das Thema ‘Akzeptanz von Sexueller Vielfalt’ ist im Bildungsplan im Zusammenhang allgemeiner Erziehungsziele aufgenommen. Es ist eines von mehreren Themen, die Kinder und Jugendliche darin bestärken sollen, sich selbst und ihr Gegenüber mit Wertschätzung und vorurteilsfrei zu betrachten und so zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit heranzuwachsen. Der Bildungsplan will so Akzeptanz und Toleranz gegenüber der Vielfalt in der Gesellschaft fördern.”

  • Es wäre sinnvoll, die Herrschaften im Kultusministerium würden damit anfangen, Toleranz und Akzeptanz für die Vielfalt von Meinungen zu entwickeln, denn die Petition gegen den Bildungsplan 2015 ist nichts anderes als eine Übung in freier Meinungsäußerung, mit der man sich argumentativ auseinandersetzen muss, sofern man tolerant ist und andere als die eigene Meinung akzeptiert.
  • Venn diagramDarüber hinaus wäre es sinnvoll, man würde sich im Ministerium mit Venn-Diagrammen vertraut machen. Venn-Diagramme beschreiben logische Räume. Toleranz und Akzeptanz gegenüber Vielfalt ist ein umfassender logischer Raum. Er entspricht einer All-Aussage: Ich akzeptiere und respektiere und toleriere alle Anderen, alle Meinungen, allen Unsinn. Man kann nun diese Allaussage nicht nach Belieben einschränken und den Gegenstand der Toleranz vorgeben, denn damit sagt man, dass man nur eine bestimmte Form von Toleranz akzeptiert, nämlich die, die vorgegeben ist, und damit stellt man sich selbst als Intolerant dar. Dies ist eine klassische reductio ad absurdum.
  • Da es nur möglich ist, umfassend tolerant zu sein, nicht aber tolerant im einschränkenden Sinne von tolerant gegenüber XY, schränkt der Bildungsplan Toleranz ein. Toleranz wird zu dem, was der Bildungsplan als Toleranz vorsieht. Das jedoch ist keine Toleranz, sondern Indoktrination und Intoleranz gegen alles, was nicht im Bildungsplan als Toleranz vorgesehen ist – z.B. andere Meinungen, wie sie in der Petition zum Ausdruck kommen.
  • Folglich will der Bildungsplan keine “Akzeptanz und Toleranz gegenüber der Vielfalt in unserer Gesellschaft fördern”, sondern Intoleranz und nicht-Akzeptanz gegenüber allen vielfältigen Erscheinungsformen, die im Bildungsplan nicht toleriert und akzeptiert werden.
  • Schließlich werden abermals nur Behauptungen aufgestellt, die nicht belegt sind. Wo ist der Beleg dafür, dass “Werte wie Respekt, Toleranz und Weltoffenheit … eine wichtige Grundlage für ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft” bilden? Wo ist der Beleg dafür, dass “sexuelle Vielfalt” in diesen Wertekanon gehört? Wo ist der Beleg dafür, dass sexuelle Vielfalt überhaupt etwas mit dem “guten” Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu tun hat?

Sodann versucht die Stellungnahme eine Quadratur des Kreises vorzunehmen, was man in der Logik mit dem Versuch gleichsetzen kann, den Satz des ausgeschlossenen Dritten, dass etwas nicht sich selbst oder sein Gegenteil gleichzeitig sein kann, zu widerlegen (Die bisherigen Versuche führten ausnahmslos ins Irrenhaus.):

“Die Petition suggeriert, dass die vorgesehenen Leitprinzipien in ihrer Gesamtheit unter dem Aspekt der sexuellen Vielfalt betrachtet werden sollen. Das ist maßlos übertrieben, da dies lediglich ein Thema unter vielen anderen ist. Zudem macht die Petition nicht nur Stimmung gegen Offenheit und Toleranz, sie zeichnet Zerrbilder und versucht Ängste gegenüber dem neuen Bildungsplan zu schüren. Vollkommen absurd ist eine Behauptung, das Kultusministerium wolle die Schüler pädagogisch und moralisch umerziehen. Eine solche Behauptung und Wortwahl zeigt den dogmatischen Hintergrund der Verfasser. Sie ist unverantwortlich und hat nichts mit einer demokratischen Diskussion zu tun.”

Dieser Absatz ist eine Momentaufnahme, die zeigt, wie sich jemand um den Verstand schreibt.

Denn:

  • Logik f dummiesWenn es nicht die Absicht des Bildungsplans 2015 ist, Kinder umzuerziehen, sie also für die Vielfalt der sexuellen Orientierungen zu öffnen, wozu ist der Bildungsplan dann notwendig? Wenn die entsprechende Offenheit bereits vorhanden ist und keine Umerziehung notwendig ist, ist der Bildungsplan hinfällig und kann eingestampft werden. Wenn aber der Bildungsplan notwendig ist, dann basiert er notwendig auf der Prämisse, dass die Offenheit gegenüber sexuellen Orientierungen bei Schülern nicht vorhanden ist und entsprechend anerzogen werden muss. Also ist das Ziel des Bildungsplans zumindest die Anerziehung einer Offenheit gegenüber sexuellen Orientierungen, und da diese Anerziehung etwas ersetzt, was zuvor da war, ist sie eine Umerziehung.
  • Zudem ist das Ziel, Kinder per Anleitung zur Selbständigkeit zu erziehen, schlichter Unsinn, der dem Versuch entspricht, einer Marionette das selbständige Laufen beizubringen. Es ist ein Widerspruch, denn man ist entweder selbstbestimmt und selbständig oder man bedarf der Anleitung.
  • Wenn etwas als maßlos übertrieben bezeichnet wird, dann verweist dies auf die Übertreibung eines Sachverhalts, nicht auf dessen Falschheit.
  • Interessant ist auch die Wortwahl: “maßlos übertrieben”, “zeichnet Zerbilder”, “versucht, Ängste … zu schüren”, unverantwortlich, dogmatischer Hintergrund…. Hier wird Wortmagie betrieben, um die Tatsache zu verschleiern, dass in der Stellungnahme nicht eine Begründung vorhanden ist: Womit, wird versucht, Ängste zu schüren (Beispiel)? Wo werden Zerrbilder wovon gezeichnet (Beispiel)? Welche Wortwahl ist warum unverantwortlich? Man sieht sehr deutlich, dass den Stellungnehmern im Kultusministerium kein Argument eingefallen ist, um die Petition zu diskreditieren, also versuchen sie es durch den Rekurs auf negativ konnotierte Begriffe.
  • Damit erklären die Stellungnehmer aus dem Kultusministerium alle, die die Stellungnahme Ernst nehmen und “gut finden” zu Deppen, denn die ganze Stellungnahme basiert auf einem zirkulären argumentum ad auctoritatem: “Ich, der Kultusminister, der gleich nach Gott kommt, sage Euch, was ihr von dieser Petition zu halten habt. Und wenn ihr mich fragt, warum ihr das davon halten sollt, dann sage ich Euch: weil ich es gesagt habe”. Wer sich mit derartig Dünngeistigem zufrieden gibt, dem ist nicht mehr zu helfen. Wer denkt, er komme mit derartig Dünngeistigem durch, der sollte schnellstens in eine Nachschulung in Respekt und Akzeptanz, Respekt vor den Bürgern, die regelmäßig höhere IQs aufzuweisen scheinen als die Stellungnehmer und Akzeptanz der Tatsache, dass man Bürger nicht mit jedem Unsinn beschwatzen kann.
  • “… das Kultusministerium wolle die Schüler pädagogisch und moralisch umerziehen. Eine solche Behauptung und Wortwahl zeigt den dogmatischen Hintergrund der Verfasser”. Lassen wir einmal die geheuchelte Aufregung beseite und wenden uns dem dogmatischen Hintergrund zu. Dogmatisch meint: das Dogma betreffend. Und Dogma meint im katholischen Sprachgebrauch einen gültigen Glaubenssatz, es meint dann, wenn es abwertend gemeint ist, den Anspruch der absoluten Wahrheit oder Gültigkeit. Das ist sicher nicht, was die Stellungnehmer sagen wollen, und gerade deshalb ist dieser Satz in der Stellungnahme so aufschlussreich, zeigt er doch die Intention, mit der die Stellungnahme abgefasst wurde: Es geht einzig und allein um die Abwertung und Diskreditierung der Verfasser der Petition und das hat dann in der Tat mit einer Diskussion, die den Regeln von Fairness und Akzeptanz und Toleranz verpflichtet ist, nichts zu tun.

Fazit:

  • Die Stellungnahme aus dem Kultusministerium besteht ausschließlich aus Behauptungen.
  • Sie enthält keinerlei Belege für die Behauptungen.
  • Die Stellungnahme enthält eine Vielzahl von derogativen Adjektiven, die die Petition abwerten sollen.
  • Die Stellungnahme erwartet von ihren Lesern, dass sie das glauben, was behauptet wird, und entsprechend die Petition ablehnen. Sie ist eine Beleidigung für den Intellekt jedes Menschen, der selbst denkt.
  • Ganz offensichtlich ist den Stellungnehmern kein einziges Argument eingefallen, das sie gegen die Petition vorbringen können. Wenn ihnen eines eingefallen wäre, sie hätten es sicher genannt.
  • Schließlich durchzieht die gesamte Stellungnahme eine Intoleranz und Nichtakzeptanz der Meinung anderer, die deutlich macht, dass die Baden-Württembergischen Kultusministeriellen soviel von Toleranz und Akzeptanz wissen, wie eine Qualle von Knochen, und sie zeigt in eindrücklicher Weise, wo die Feinde von Toleranz und Akzeptanz zu finden sind.

Weitere Texte zum Thema:
Die Diffamierungsspirale
Die Nutznießer der Diffamierungs-Spirale
`Wer sich selbst ein Bild von der Online Petition gegen den Bildungsplan 2015 machen will, der kann das hier tun.

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