Geschönte Statistik? Ein deutscher Mensch stirbt nicht an COVID-19

Deutschland ist außergewöhnlich – fällt völlig aus dem Rahmen, jedenfalls was die Coronavirus-Statistik angeht. Die aktuelle Statistik sieht so aus:

Spalten von links nach rechts: Anzahl der erfassten SARS-CoV-2 Infizierten; Zuwachs seit gestern Abend, Anzahl Toter, Zuwachs seit gestern Abend, Anzahl Genesener, Kranker, Schwerkranker, Anteil der Infizierten auf 1.000.000 Einwohner; Quelle

Die Seltsamkeiten deutscher statistischer Erfassung zeigen sich am besten, wenn man die deutsche Statistik mit Ländern vergleicht, die sich in etwa im selben Entwicklungsstadium befinden. Frankreich hat ungefähr die gleiche Anzahl Infizierter, 19 Tote und 45 schwer Erkrankte. Deutschland hat 9 schwer Erkrankte. Spanien hat etwas weniger Infizierte, etwas mehr schwer Erkrankte als Deutschland und 17 Tote im Vergleich zu 9 und 0. Ist der deutsche Mensch besonders resistent gegen SARS-CoV-2? Oder spielt jemand mit den Daten?



Wir haben gestern eine Reihe von möglichen Erklärungen für diese “Seltsamkeit deutscher Statistik” dargelegt und unsere Leser gebeten darüber abzustimmen, welche Erklärung am wahrscheinlichsten ist. Bis 11.30 Uhr haben sich bereits 900 Leser daran beteiligt. 56 (6,2%) sind der Ansicht, Deutschland hinke hinterher, 64 Leser (7,1%) denken, die Seltsamkeiten erklärten sich dadurch, dass in Deutschland vornehmlich Junge getestet würden, 239 Leser (26,6%) sind der Ansicht, COVID-19-Todesfälle blieben in Deutschland unerkannt und 541 Leser (60,1%) sind der Ansicht, die Statistik sei schlicht gefälscht.

Das ist, was man ein eindeutiges Ergebnis nennt. Wir haben die Umfrage immer noch online. Wer sich daran beteiligen will, der kann hier nachlesen, wie wir die einzelnen Erklärungsvorschläge begründen und dann abstimmen.

[Total_Soft_Poll id=”10″]

Zwischenzeitlich wird aus Ägypten berichtet, dass ein 60jähriger deutscher Tourist am COVID-19 verstorben ist. Der Mann ist gestern, am 8. März, gestorben und eine Woche vor seinem Tod nach Ägypten gereist. Fieber, das häufigste Anfangssymptom von COVID-19, hat der Mann bereits kurz nach seiner Ankunft in Ägypten entwickelt.

Nehmen wir die Studie von Sanche et al. zur Hand, dann ergibt sich der folgende zeitliche Ablauf:

Es vergehen 

  • zwischen 3.5 und 5.1 Tage zwischen Infektion und ersten Symptomen;
  • zwischen 4.6 und 6.6 Tage zwischen den ersten Symptomen und einer stationären Aufnahme ins Krankenhaus;
  • zwischen 8 und 17.3 Tage zwischen der Aufnahme und der Entlassung als geheilt bzw. zwischen 8.7 und 14.9 Tage zwischen der stationären Aufnahme und dem Tod des Patienten;
  • Zwischen Inkubation und Heilung bzw. Tod vergehen somit zwischen 16.1 und 29 Tage.

Sanche, Steven, Lin, Yen Ting, Xu, Chonggang, Romero-Severson, Ethan, Hengartner, Nick & Ke, Ruian (2020). The Novel Coronavirus, 2019-nCoV, is Highly Contagious and More Infectious Than Initially Estimated.



Der in Ägypten verstorbene Deutsche muss demnach seit mindestens 3 Tagen mit dem Virus infiziert gewesen sein. Da auch asymptomatische Infizierte das Virus verbreiten können, gehören alle Passagiere des Flugzeuges, mit dem er nach Ägypten geflogen ist, alle Besatzungsmitglieder, die mit ihm Kontakt hatten, alle, mit denen er nach seiner Ankunft Umgang hatte, zu den potentiell SARS-CoV-2 Gefährdeten. Der Tod hat den Touristen innerhalb von sieben Tagen ereilt, das ist am unteren Ende der Werte, die Sanche et al. für China errechnet haben und deutet entweder auf eine aggressive Infektion oder auf das Fehlen adäquater Behandlungsmethoden im Krankenhaus von Hurghada hin. Letzteres kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, da in Touristenregionen von Ägypten eine hervorragende medizinische Versorgung sichergestellt ist. Immerhin trägt Tourismus in Ägypten rund 12% zum Bruttosozialprodukt bei.

Bleibt als Erklärung eine bereits heftige Infektion bei einem Mann, der aus Deutschland nach Ägypten einreist.

Wie wahrscheinlich ist es, dass in der Menge der deutschen Touristen eine Teilmenge von COVID-19 infizierten Touristen existiert, von denen wiederum kurz nach Ankunft eine Teilmenge Krankheitssymptome entwickelt und stirbt, und gleichzeitig in Deutschland eine viel größere Teilmenge an COVID-19-Infizierter vorhanden ist, aus der nur eine sehr geringe Zahl schwer Erkrankter und überhaupt keine Toten resultieren?

Die Anzeichen dafür, dass mit der oben dargestellten deutschen Statistik etwas nicht stimmt, mehren sich.

Nun muss man nicht unbedingt mutwillige Fälschung annehmen, wie die meisten unserer Leser, obwohl diese Annahme naheliegt. Man kann auch strukturelle Prozesse dafür verantwortlich machen, Prozesse, die zum einen daraus resultieren, dass Deutschland eine Positionsgesellschaft ist, wie Dr. habil. Heike Diefenbach sie regelmäßig beschreibt, in der viele Positionen nicht durch den Inhaber an Statur gewinnen, sondern umgekehrt, der Inhaber glaubt, durch die Position an Statur zu gewinnen (Ich bin jetzt Professor!). Eine Positionsgesellschaft minimiert entsprechend die Wahrscheinlichkeit, dass die für eine Position geforderte Kompetenz beim Positionsinhaber auch vorhanden ist. Zum anderen resultieren die strukturellen Prozesse daraus, dass sich Positionsinhaber in Deutschland, vor allem dann, wenn die Positionen öffentliche Positionen sind, dadurch auszeichnen, dass sie keine Verantwortung übernehmen wollen.

So gilt z.B. für Krankenhäuser, wie wir gestern geschrieben haben:

  • Wenn ein Patient an Lungenentzündung gestorben ist und ein Verdacht auf COVID-19 besteht, dann ist die Bestimmung der tatsächlichen Todesursache mit zusätzlichen Kosten verbunden.
  • Wird ein Patient post mortem als an COVID-19 Erkrankter erkannt, dann müssen alle, die mit dem Patienten Umgang hatten, auf SARS-CoV-2 getestet und unter Quarantäne gestellt werden, im schlimmsten Fall das Krankenhaus geschlossen werden.
  • Die meisten Krankenhäuser operieren mit einer so geringen Gewinnmarge, dass ein außergewöhnliches Ereignis ausreicht, um die Finanzen in Schieflage zu bringen.

Das mag dazu beitragen, unverantwortlich wie es ist, dass Verdachtsfällen auf COVID-19 in Krankenhäusern nicht nachgegangen wird.



Ein Leser von ScienceFiles, der viel intimere und genauere Kenntnisse der Abläufe in Krankenhäusern hat, hat die folgende Erklärung für die fehlenden Schwererkrankten und Toten vorgebracht.

“Mir kommen diese Zahlen [die deutschen Zahlen] auch unglaubwürdig vor. Ist vielleicht “J12.9” das Geheimnis?

Nehmen wir mal an, es gab bereits viel mehr COVID-19-Tote, als in der Statistik auftauchen. Die werden dann zum überwiegenden Teil wohl an schwerer Lungenentzündung (Pneumonie) verstorben sein. Schwere und tödliche Lungenentzündungen können natürlich auch durch die zahlreichen Grippeviren verursacht werden. Ich kann leider nicht beurteilen, wie häufig im Krankenhausalltag bei Verdacht auf Grippe wirklich ein Nachweis erbracht wird. Ein solcher Nachweis, wenn er nicht nur aus dem Rachen kommen soll, sondern idealerweise aus Bronchien oder Lunge, ist aber auf jeden Fall sehr umständlich, nicht ohne Risiko und sicherlich auch teuer (Reizwort Fallpauschale). Auf eine bronchoalveoläre Lavage (https://de.wikipedia.org/wiki/Bronchoalveoläre_Lavage) hat doch weder ein Arzt, noch ein Patient Lust. Die Frage ist auch, was es für die Behandlung für einen Mehrwert hätte, klipp und klar zu wissen, der Patient hat eine Grippe-Pneumonie. Es gäbe ja keine wirklich spezifischen Medikamente oder Prozeduren, die man erst mit so einem Nachweis einsetzen könnte oder dürfte (ganz anders als bei Antibiotika z.B.). Für eine bestmögliche Behandlung braucht man diesen Ursachen-Nachweis also eher nicht, die Annahme von Grippeviren als Ursache reicht da eigentlich. Für die zahlende Krankenkasse wird daraus dann “Grippe mit Pneumonie, Viren nicht nachgewiesen” – J11.0. Angaben zur Todesursache auf dem Totenschein des leider an der Pneumonie Verstorbenen werden sicher darauf Bezug nehmen (Vermutung).

Wenn nun aber Ärzte und insbesondere Oberärzte, Chefärzte und Klinikleiter Angst vor der Corona-Offenbarung haben (dass Niemand gerne den Corona-Alarm in Gang setzt, dürfte nachvollziehbar sein?), haben sie vielleicht Hemmungen, auf SARS-CoV-2 zu testen. Und wenn eh schon selten auf spezifische Erreger einer Lungenentzündung getestet wird, fühlt man sich vielleicht verleitet, es auch bei einem leisen, insgeheimen Verdacht auf COVID-19 bei der üblichen Praxis zu belassen. Vermutung reicht, die Ärzte tun sowieso ihr Möglichstes, der Patient stirbt leider trotzdem. Der Griff zu “Grippe mit Pneumonie, Viren nicht nachgewiesen” bzw. J11.0 wäre dann natürlich heikel, weil nah dran an der Lüge.


Nun gibt es aber noch die J12.9 bzw. “Viruspneumonie, nicht näher bezeichnet”! Ein wahrer “catch-all”. Da kann Corona natürlich auch drunter fallen – ebenso wie Grippe. Sich als Krankenhaus bei der Abrechnung und bei der Angabe einer Todesursache unter den derzeitigen Umständen zu J12.9 verführen zu lassen wäre natürlich unverantwortlich und katastrophal, aber immerhin nicht gelogen und somit rechtlich sicherer.

Vielleicht gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, ob Krankenkassenabrechnungen von J12.9-Diagnosen in letzter Zeit zugenommen haben?

Hoffe ich habe nicht zu konfus geschrieben.”

Noch ein abschließendes Wort an all diejenigen, die das Wort der Panikmache allzuleicht auf den Lippen tragen:
Wenn man vorhersehen kann, dass ohne erhebliche Schutzmaßnahmen ein Virus das Potential hat, durch die eigene Bevölkerung zu gehen und sehr viele Opfer zu fordern, ist es dann nicht ein Gebot der Rationalität, Schutzmaßnahmen zu ergreifen? Wenn man zudem weiß, dass in einem Land, das nicht allzuweit entfernt liegt, derzeit Menschen wie Fliegen an einem Virus sterben, das das Potential hat, auch in der eigenen Bevölkerung viele Opfer zu fordern und dessen Sterberate derzeit mit 3,4% angegeben wird (Grippe hat eine Sterberate von 0,1%), ist es dann nicht insbesondere gefordert, die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu treffen?

Oder ist das alles Quatsch und der deutsche Mensch gegen internationale Viren resistent?
Aber selbst für den vollkommen unwahrscheinlichen Fall, dass es sich als Quatsch erweisen sollte, ist es nicht besser, sich auf der richtigen Seite zu irren?

Ein rationaler Mensch irrt sich lieber zu seinen Gunsten.


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