COVID-19: Wer benötigt eine Behandlung im Krankenhaus?

Wie so oft, ist die Menge derer, die sich mit ihren Weisheiten an der Diskussion über etwas, hier: COVID-19 beteiligen, reziprok zur Menge derer, die wissen, wovon sie reden. Ein Beispiel ist die Frage: Wer erkrankt eigentlich an COVID-19? Eine Frage, zu der die Datenlage jenseits einer großen Studie aus China immer noch relativ mau ist. Wir haben diese Frage gestern und vor ein paar Wochen, als die chinesische Studie aktuell war, auf ScienceFiles diskutiert. Eng verbunden mit dieser Frage sind die bekannten Daten: bei 80% derjenigen, die an COVID-19 erkranken, verläuft die Krankheit mehr oder weniger mild, mit Übelkeit, Erbrechen, Husten, Fieber und Durchfall, in welcher Kombination auch immer. 20% haben Komplikation, die eine stationäre Behandlung notwendig machen. Was diese 20% auszeichnet, dazu gibt es bislang keine Studie, nur mehr oder minder zusammengewürfelte Daten.

Seit Ende Februar, mit einem Update am 6. März gibt es nun einen Beitrag von W. Guan und zu vielen Ko-Autoren, als dass wir sie selbst zählen wollten. Der Beitrag trägt den Titel: “Clinical Characteristics of Coronavirus Disease 2019 in China” und untersucht die Merkmale der Menschen, deren COVID-19 Erkrankung eine Aufnahme ins Krankenhaus notwendig gemacht hat. Die Daten von Guan et al. bringen ein wenig Realität in die Diskussion, die in Deutschland in den gewohnt ideologischen Bahnen verläuft. Aber dazu kommen wir in einem anderen Post.



Aus der Menge von 7.736 Patienten, die zum 29. Januar in 522 Krankhäusern in 30 chinesischen Provinzen behandelt wurden, haben die Autoren eine Stichprobe von 1.099 Patienten gezogen, so dass man davon ausgehen kann, dass die Daten, die wir nun präsentieren, eine ziemlich gute Näherung für diejenigen darstellen, die letztlich auf ärztliche Hilfe in einem Krankenhaus angewiesen sein werden.

  • Die Inkubationszeit der Patienten, die einer stationäre Behandlung bedurften, betrug im Median 4 Tage, mit einem Range zwischen 2 und 7 Tagen.
  • Der Median des Alters der 1.099 Patienten, die am 29. Januar in einem der 522 Krankenhäuser behandelt wurden, betrug 47,0 Jahre. Der Median teilt eine Verteilung in zwei gleichgroße Teile, d.h. 50% der Patienten waren unter 47 Jahren alt, 50 Prozent über 47 Jahre alt. Der jüngste Patient, der auf einer Intensivstation behandelt werden musste, war neun Jahre alt.
  • Nur 23,7% der an COVID-19-Erkrankten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, hatten eine Vorerkrankung. Eine Vorerkrankung erhöht aber das Risiko, dass COVID-19 sich zu einer lebensgefährdenden Erkrankung entwickelt, die eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig macht.
  • Rauchen erhöht das Risiko, ernsthaft an COVID-19 zu erkranken.
  • Die meisten Patienten hatten bei Aufnahme in ein Krankenhaus Fieber (43,8%) und Husten (67,8%), 18,7% hatten Atemnot.
  • Gestern hat einer unserer Leser folgendes über seine Ärztin berichtet: “Sie meinte wenn ich nur 38 Grad Fieber habe sei das unproblematisch – bei Corona sei das Fieber wesentlöhich her”. Das ist Unfug. Wie die Daten von Guan et al. zeigen, wurde bei 22% der Patienten bei Aufnahme eine Körpertemperatur von 37,5 bis 38,0 Grad Celsius gemessen, bei 18,2% eine Temperatur von 38,1 bis 39 Grad Celsius, 56,2% hatten eine Temperatur von weniger als 37,5 Grad Celsius, nur 3,5% eine, die über 39 Grad Celsius betragen hat. Im Verlauf der stationären Behandlung entwickelten dann mehr Patienten Fieber. Abermals hat die Mehrheit nicht mehr als 39,0 Grad Celsius an Temperatur: 76,9% hatten Fieber zwischen 37,5 und 39 Grad Celsius. Was die Ärztin unseres Lesers behauptet hat, ist schlicht falsch. Woher sie es hat, ob es sich dabei um eine aus der Luft gegriffene Behauptung gehandelt hat oder um eine falsche Aussage, die unter Ärzten kolportiert wird, wer weiß, in jedem Fall ist die Aussage nachweislich falsch.
  • Die häufigste Komorbidität, die an COVID-19 Erkrankte, die in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, vorzuweisen hatten, war Bluthochdruck (15,0%) gefolgt von Diabetes (7,4%). Beides sind Vorerkrankungen, wie sie bei Adipositas die Regel sind. Es gibt auch erste Studien, die einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Schwere einer COVID-19 Erkrankung herstellen. Sollte sich bewahrheiten, dass Adipositas zu den größten Risiken bei einer COVID-19 Erkrankung gehört, dann ist das natürlich ein “Game Changer” und mit dem Alter wäre die ganze Zeit in gewisser Weise ein Artefakt gemessen und behauptet worden, einfach deshalb, weil mit dem Alter auch die Wahrscheinlichkeit für Diabetes und Adipositas steigt oder früher gestiegen ist.


Die bisher beschriebenen Daten gelten für im Krankenhaus stationär behandelten COVID-19 Patienten. 926 davon (84,3%) benötigten Standardbehandlung, weil ihre Erkrankung schwer, aber (noch) nicht lebensgefährdend war. 173 (15,7%) erkrankten ernsthaft, also lebensgefährlich und benötigten intensive Behandlung. Was eine Behandlung im Krankenhaus bedeutet, haben die Autoren um Guan deutlich beschrieben.

  • Intravenöse Gabe von Antibiotika (die wirken nicht gegen das Virus, verhindern aber sekundäre Infektionen, die in Krankenhäusern nicht gerade selten sind): 58% aller stationär behandelten Patienten (n=637);
  • Oseltamivir, besser bekannt als Tamiflu, wirkt gegen Influenza A und B und ist der Notnagel in der Behandlung von COVID-19-Patienten, so lange es kein wirksames Mittel gibt: 35,8% aller stationär behandelten Patienten (n=393);
  • Sauerstofftherapie: 41,3% aller stationär behandelten Patienten (n=454), 71,1% der lebensgefährlich Erkrankten (n=123);
  • Intravenöse Gabe von Immunglobulin, ein Protein, das den Körper im Kampf gegen Infektionen helfen soll; 13,1% der stationär behandelten Patienten (n=144);
  • Mechanische Beatmung: 6,1% der stationär behandelten Patienten, die alle zu den lebensgefährlich Erkrankten gezählt werden (n=67), davon: invasive Beatmung: 14,5% der ernsthaft Erkrankten (n=25); nicht-invasive Beatmung: 32,4% der ernsthaft Erkrankten (n=56);

Wie man sieht, ist COVID-19 zum einen eine Erkrankung, die die Ressourcen von Krankenhäusern bis zur Grenze treibt, zum anderen ist auch dann, wenn eine stationäre Behandlung wegen COVID-19 keinen Aufenthalt auf einer Intensivstation zur Folge hat, die Krankheit kein Zuckerschlecken, wie sich auch daran zeigt, dass einer der Patienten, die in der Stichprobe als nicht ernsthaft erkrankt geführt wurden, zwischen dem 29. Januar und dem Cut-off-Zeitpunkt für die Studie, dem 31. Januar gestorben ist. Die Mortalität unter den Patienten, die auf Intensivstationen behandelt wurden, betrug innerhalb der zwei Tage von 29. Januar bis zum 31. Januar 8,1%, das entspricht 14 Toten. Insgesamt sind 15 Personen in den zwei Tagen verstorben, was einer Mortalität von 1,3% (in zwei Tagen) entspricht.




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