Die Diskussion darüber, ob der Lockdown, die so genannten “non-pharmaceutical Interventions” dazu geführt haben, dass SARS-CoV-2 nicht in dem Maße durch die Gesellschaft gehen konnte, wie dies ohne den Lockdown der Fall gewesen wäre, dauert weiterhin an, schon weil es nun, nachdem die Anzahl der Toten in Deutschland deutlich hinter den Befürchtungen zurückgeblieben ist, leicht ist, zu behaupten, dass der Lockdown nicht notwendig gewesen wäre. In diesem Zusammenhang kommen die Ergebnisse eines vor wenigen Tagen in “Nature” veröffentlichten Beitrags von Seth Flaxman et al. (2020) genau richtig. Die Ergebnisse basieren auf einem mathematischen Modell, das im Vorfeld intensiv im Statistical Modelling Blog der University of Columbia diskutiert wurde. Wer die Diskussion nachlesen will, der kann dies hier tun.
Das Besondere an dem Modell von Flaxman et al. ist nicht nur, die neuartige Vorgehensweise, die Daten aus 11 Europäischen Ländern kombiniert und COVID-19-Tote als eine Funktion der Anzahl der Infektionen ausweist, was an sich trivial ist. Neu ist, dass die Anzahl der Infizierten nicht auf der Anzahl der positiv Getesteten, sondern auf einer Schätzung der Anzahl der tatsächlich Infizierten, also inklusive der asymptomatischen SARS-CoV-2 Infizierten und derjenigen mit so milden Symptomen, dass sie nie bei einem Arzt vorstellig geworden sind, beruht. Die entsprechende Schätzung sieht für die elf berücksichtigten Länder wie folgt aus:
Die geschätzte Anzahl der mit SARS-CoV-2 Infizierten für Deutschland beträgt demnach 0,85% der Bevölkerung, das wären gut 700.000 Infizierte. Positiv Getestet wurden in Deutschland bislang 192.872, also nur gut ein Viertel aller geschätzten Infizierten. (Die Daten in Klammer geben den Vertrauensintervall an.) Im Gegensatz dazu beträgt die Anzahl der Infizierten im Vereinigten Königreich ca. 5,1% der Bevölkerung, das entspricht 3,4 Millionen Briten und findet seinen Niederschlag in der höheren Anzahl an COVID-19 Verstorbenen, die mit derzeit 42.927 Toten deutlich über den 8.986 in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen liegt.
Auf Basis dieser Schätzung entwickeln die Autoren ein Modell, das für den Zeitraum von Ende Februar bis Anfang Mai die Entwicklung der Fallzahlen vorhersagt. Die Ergebnisse des entsprechenden Modells sind in dem folgenden Film, der Ergebnisse für Belgien, Deutschland, Schweden und die Schweiz umfasst, dargestellt.
Das ist eine schöne Spielerei, eine Visualisierung der Ergebnisse, die indes nicht viel weiterhilft außer, dass sie den Eindruck vermittelt, die hier dargestellte Entwicklung spiegele in etwa die Entwicklung wieder, die u.a. in Deutschland zu verzeichnen war. Das tut sie in der Tat, und zwar sehr gut, wie die folgende Tabelle zeigt. Darin sind Modellvorhersagen tatsächlichen Daten gegenübergestellt. Die zweite Spalte stellt die Anzahl der bis zum 4. Mai in den jeweiligen Ländern gezählten COVID-19-Toten dar, die dritte Spalte die Anzahl der Toten, die auf Grundlage des Modells von Flaxman et al. geschätzt wurde. Die vierte Spalte stellt dar, mit wie vielen Toten zu rechnen gewesen wäre, wenn die Lockdown-Maßnahmen, die die einzelnen Länder ergriffen haben, nicht ergriffen worden wären und die letzte Spalte gibt die Differenz zwischen den tatsächlichen Toten und den Toten, die ohne Lockdown zu erwarten gewesen wären, an, also die Anzahl der vermiedenen Toten.
Wie man dem Vergleich der Spalten zwei und drei entnehmen kann, ist das Modell von Flaxman et al. (2020) sehr gut in der Lage, die tatsächlich gezählten COVID-19-Toten vorherzusagen. Die hohe Validität des Modells ergibt sich auch daraus, dass die Entwicklung von Rt offenkundig korrekt mit der Entwicklung der Toten gekoppelt wurde. Generell gilt: Je höher Rt, desto mehr Tote gibt es und wird es geben. Die Reduktion von Rt, dem täglichen Maß für die Übertragungsrate, die dem Lockdown geschuldet ist, kann man umgekehrt als Anzahl der Menschen modellieren, die dem Sensenmann durch den Lockdown entrissen wurden. Die Ergebnisse dieser Modellierung sind stattlich.
Durch den Lockdown wurde in Deutschland der Tod von geschätzt rund 560.000 Menschen vermieden. Im Vereinigten Königreich sind es rund 470.000, in Frankreich 690.000 und so weiter. Insgesamt wurden in den 11 Ländern, die die Autoren berücksichtigt haben, geschätzt rund 3,1 Millionen vorzeitige Tode vermieden. Der von so vielen vermisste heftige Ausschlag in der Kurve der Exzess-Mortalität wäre damit in einer Weise zu sehen, die “nauseating” wäre, wie man in Britannien sagt.
Nun werden sich diejenigen, die zweifeln, um des Zweifels Willen, nicht von Modellen wie diesem überzeugen lassen. Um in ihren chronischen Zweifeln aber ernst genommen werden zu können, müssen sie nun zeigen, wo Flaxman et al. (2020) Fehler gemacht haben, die so groß sind, dass Zweifel daran, dass mit dem Lockdown mehrere Millionen Menschleben in nur 11 Ländern Europas gerettet werden konnten, gerechtfertigt sind.
Flaxman, Seth et al. (2020). Estimating the Effects of Non-Pharmaceutical Interventions on COVID-19 in Europe. Nature.
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