SARS-CoV-2: Infektionsrisiko ist NICHT gleich verteilt
Entgegen alle Erwartung, ist es derzeit so, dass Infektionen mit SARS-CoV-2 anhand soziodemographischer und anderer Variablen vorhergesagt werden können. Das bedeutet nicht, dass SARS-CoV-2 zwischen Menschen diskriminiert, es bedeutet, dass Menschen aufgrund unterschiedlicher Lebensumstände (und unterschiedlichen Verhaltens) ein unterschiedliches Risiko haben, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren.
Das ist die Formel, auf die man das Ergebnis einer Studie von Simon de Lusignan und 21 Ko-Autoren bringen kann. Die Studie des Autoren-Rudels ist die erste, die das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, untersucht, nicht das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, wegen COVID-19 einen Aufenthalt im Krankenhaus, auf der Intensivstation einlegen zu müssen oder an COVID-19 zu sterben.
De Lusignan et al. geben mit ihrer Studie Antwort auf die Frage: Wer hat das größte Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren.
Um diese Frage zu beantworten haben die Autoren auf Daten des Oxford Royal College of General Practitioners (RCGP) Research and Surveillance Centre Programme zurückgegriffen. An dieses Programm sind mehr als 500 Arztpraxen aus Oxford und näherer Umgebung angeschlossen, die eine Bevölkerung von ca. 4 Millionen Menschen umfassen. Die Arztpraxen melden mehrmals pro Woche aktuelle Behandlungsdaten an RCGP und seit Januar sind Informationen darüber, ob ein Patient auf SARS-CoV-2 getestet wurde, dabei. Angaben zu insgesamt 3.802 Personen, die im Zeitraum vom 28. Januar bis zum 4. April auf SARS-CoV-2 getestet wurden, darunter 587 (15,4%), die positiv getestet wurden, bilden die Grundgesamtheit der Autoren, die zudem auf einen wahren Schatz an soziodemographischen und diagnostischen Variablen zurückgreifen können.
Die gute Datenbasis ermöglicht statistische Analysen, die erstmals einen Blick auf die Verteilung des individuellen Risikos, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, erlauben. Dieses Risiko errechnen die Autoren in zwei Schritten mit Hilfe von a) bivariaten logistischen Regressionen und b) multivariaten logistischen Regressionen. Letztere erlauben es, die Variablen zu identifizieren, die im Hinblick auf das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 einen statistischen Unterschied machen.
Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Mit dem Alter steigt das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren; Ein Mensch, der 75 Jahre oder älter ist, hat ein um das 4fache höheres Risiko als ein Mensch im Alter zwischen 0 uns 17 Jahren;
Männer haben ein höheres Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren als Frauen;
Asiaten und Schwarze haben ein höheres Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren als Weiße. Das Risiko ist für Schwarze knapp 4 Mal so hoch, für Asiaten nahezu doppelt so hoch wie für Weiße;
Das höchste Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren ist in Haushalten gegeben, die in der unteren Mitte der sozioökonomischen Hierarchie zu finden sind, die weder als reich noch als arm zu bezeichnen sind, Mittelschichtshaushalte;
Aktive Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern ein halbiertes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren;
Das Risiko der Stadtbevölkerung, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, ist dreieinhalb Mal so hoch wie das Risiko der Landbevölkerung;
Menschen mit einer Nierenerkrankungen haben ein doppelt so hohes Infektionsrisiko wie Menschen ohne Nierenerkrankung;
Übergewicht scheint das Risiko einer Infektion zu erhöhen, allerdings sind die Ergebnisse hier nicht einheitlich;
Keinen Effekt auf das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, haben:
die Haushaltsgröße;
Bluthochdruck;
Diabetes;
eine chronische Erkrankung der Atemwege;
eine Krebserkrankung oder ein beeinträchtigtes Immunsystem;
Es ist wichtig, in Erinnerung zu behalten, dass hier die Frage untersucht wird, wer ein erhöhtes Risiko dafür hat, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Es spricht vieles dafür, dass die beschriebenen Merkmale ein Cluster abbilden, das man als konkrete, die Wahrscheinlichkeit, mit einem SARS-CoV-2 Infizierten in Kontakt zu kommen, erhöhende Lebenssituation bezeichnen kann. Es wäre also nicht der Tatsache geschuldet, dass jemand schwarz ist, dass er ein höheres Risiko hat, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, sondern den konkreten und in gewisser Weise typischen Lebensumständen von Schwarzen, die die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens mit einer infizierten Person erhöhen.
Einige der Variablen, die sich als Risiko vermindernd erwiesen haben bzw. die keinen Effekt auf die Frage einer Infektion haben, haben, wie Ergebnisse zeigen, die wir in der Vergangenheit besprochen haben, einen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, ernsthaft zu erkranken bzw. an COVID-19 zu sterben. Raucher, so haben wir vor einigen Tagen anhand einer anderen Studie gezeigt, haben ein geringeres Infektionsrisiko. Einmal infiziert, haben sie indes ein höheres Risisko, ernsthaft an COVID-19 zu erkranken. Dasselbe gilt für Menschen mit Bluthochdruck, einer Erkrankung der Atemwege oder einer Erkrankung des Immunsystems: Das geringere Infektionsrisiko wird durch ein höheres Risiko, ernsthaft an COVID-19 zu erkranken, wenn eine Infektion erfolgt ist, ergänzt.
Die Arbeit von de Lusignan et al. ist ein wichtiger Beitrag, um Risikogruppen bzw. Risikosituationen zu identifizieren: Wer weiß, dass das Infektionsrisiko unter Schwarzen höher ist als unter Weißen, dass Familien, die am unteren Rand der Mittelschicht angesiedelt sind, besonders gute Orte sind, um sich anzustecken, der kann sein Verhalten an diesem Wissen ausrichten und sich lieber mit Rauchern treffen.
Mit der Arbeit verbinden sich jedoch auch einige Probleme. Bei den Getesteten handelt es sich ausschließlich um Personen mit typischen und erheblichen Symptomen einer Erkrankung an COVID-19, denn nur diese wurden bislang im UK getestet (seit gestern wird jeder getestet, der Symptome aufweist, gleich welcher Intensität). Asymptomatische Erkrankte und solche mit milden Symptomen sind in der Grundgesamtheit von de Lusignan et al. somit nicht enthalten. Dafür sind Frauen überrepräsentiert, was den Schluss nahelegt, dass die Schwelle, zum Arzt zu gehen, bei Frauen tiefer angesiedelt ist als bei Männern oder Frauen bei gleichen Symptomen eher getestet werden als Männer. Als Konsequenz von Ersterem ergibt sich u.a. die Annahme, dass Männer in der Regel erst zum Arzt gehen, wenn ihre Symptome eine gewisse Schwere erreicht haben, was abermals dazu führt, dass die Grundgesamtheit verzerrt ist.
Dessen ungeachtet sind die Ergebnisse eine gute Grundlage, um das eigene Verhalten danach auszurichten.
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Korrelation 1: Viruserkrankung – Soziales.
Korrelation 2: Viruserkrankung – Gene.
Korrelation 3: Gene – Soziales.
Wenn also britische Schwarze häufiger und schwerer erkranken als britische Weiße, liegt das nun an genetisch bedingter höherer Empfindlichkeit, oder daran, dass – wie der Guardian berichtet – alle Schwarzen in GB Ärzte und damit besonders exponiert sind?
Und dann noch die Frage, was eigentlich der ausschlaggebende Parameter ist: Die Erkrankungswahrscheinlichkeit, die Morbidität inklusive Spätschäden, oder die Mortalität?
Nicht leicht aufzulösen…
NB: Ist eigentlich darauf geachtet worden, dass “Asians” im britischen PC-Sprech in erster Linie Leute aus den “Stans”, nicht aus Fernost sind?
Wen interessiert das Infektionsrisiko? Das Risiko schwer zu erkranken, dagegen schon!
Das Immunsystem hat keinen Einfluss auf das Infektionsrisiko!
“Tolle” Studie? Die “Wissenschaft” hat festgestellt… nur wozu? Zahlenspiele statt echter Grundlagenforschung fuer Paper Mills? Das was man heutzutage als Science verkauft!
Die oben genannten Gruppen, die ein höheres Risiko haben an COVID-19 zu erkranken kann man doch ganz einfach zu einer Gruppe zusammenfassen: Alle Menschen, die nicht besonders gesund sind und die, die in einem ungesunden Umfeld leben, haben eine höheres Risiko an COVD-19 zu erkranken. Dass Menschen mit einem Alter über 75 Jahre besonders gefährdet, liegt doch nur daran, dass Menschen in dieser Altersgruppe altersbedingt sehr oft Vorerkrankungen haben.
Die Studie ist aus epidemiologischer Sicht gar nicht übel. Sie berücksichtigt nämlich die Ko-Faktoren eines epidemischen Prozesses.
Also die sozialen Faktoren, wie Gesundheitsstruktur der Bevölkerung inklusive genetische Besonderheiten, Bevölkerungsdichte, Verkehrswege… die alle beachtet werden müssen, um den epidemischen Prozeß richtig zu beurteilen.
Solche Betrachtungen hätten gleich am Anfang der Epidemie parallel mit erfaßt werden müssen, womit man die Risikogruppen schneller herausgearbeitet hätte und gezieltere Schutzmaßnahmen hätte einleiten können, statt ganze Volkswirtschaften nach dem Gießkannenprinzip lahmzulegen. Diese generellen Lockdowns könnte man damit vermeiden und, wenn man sie denn einsetzt, schneller beenden.
In Deutschland hat man solche Erhebungen meines Wissens nach immer noch nicht gemacht, was den Stand der deutschen Sozialmedizin in keinem guten Licht erstrahlen läßt. Ich habe den Eindruck, daß die deutschen Sozialmediziner in dieser Sicht wie gelähmt sind.
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gerade haben Sie uns dabei geholfen, eine Finanzierungslücke für das Jahr 2023 zu schließen, da ist das Jahr auch schon fast zuende.
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Vermeiden Sie dieses Jahr diese Kalamität. Diversifizieren Sie Ihr Geschenkportfolio.
Z.B. indem Sie unsere Sorgen um die Finanzierung des nächsten Jahres mindern.
Unser Dank ist Ihnen gewiss! Und Sie können sicher sein, dass Sie auch im nächsten Jahr ScienceFiles in gewohntem Umfang lesen können.
Na, dann stecke ich mir erst mal eine an – reine Vorbeugung😁!
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Wenn also britische Schwarze häufiger und schwerer erkranken als britische Weiße, liegt das nun an genetisch bedingter höherer Empfindlichkeit, oder daran, dass – wie der Guardian berichtet – alle Schwarzen in GB Ärzte und damit besonders exponiert sind?
Und dann noch die Frage, was eigentlich der ausschlaggebende Parameter ist: Die Erkrankungswahrscheinlichkeit, die Morbidität inklusive Spätschäden, oder die Mortalität?
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NB: Ist eigentlich darauf geachtet worden, dass “Asians” im britischen PC-Sprech in erster Linie Leute aus den “Stans”, nicht aus Fernost sind?
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Die Studie ist aus epidemiologischer Sicht gar nicht übel. Sie berücksichtigt nämlich die Ko-Faktoren eines epidemischen Prozesses.
Also die sozialen Faktoren, wie Gesundheitsstruktur der Bevölkerung inklusive genetische Besonderheiten, Bevölkerungsdichte, Verkehrswege… die alle beachtet werden müssen, um den epidemischen Prozeß richtig zu beurteilen.
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