Gerettet: SARS-CoV-2 reduziert Anzahl von Blinddarmentzündung und -operationen

Interessantes Ergebnis, oder?
Zumal: Man würde erwartet, dass jemand, der eine akute Blinddarmentzündung hat, operiert werden muss, weil er sonst an dem, was lange Zeiten in der Menschheitsgeschichte als “Seitenkrankheit” bekannt war, verstirbt.
Insofern ist das Ergebnis, das Matthias Maneck, Christian Günster, Hans-Joachim Meyer, Claus-Dieter Heidecke und Udo Rolle gerade auf MedRxiv veröffentlicht haben, eine Aufforderung zum Denken.

Fangen wir doch mit den Daten an:

  • Daten der AOK;
  • 9,797 Patienten, die 2020 eine Blinddarmoperation hatten;
  • Drei Zeitpunkte für 2020: Operationen im Zeitraum von sechs Wochen vor dem Lockdown, Operationen während der sechs Wochen Lockdown, Operationen im Zeitraum von sechs Wochen nach dem Lockdown;
  • Vergleichsdaten für denselben Zeitraum für die Jahre 2019 und 2018;
  • Drei Stufen der Intensität der Blinddarmentzündung: Komplexe akute Blinddarmentzündung (inklusive Bauchfellentzündung, CAA), einfache Blinddarmentzündung (ohne Bauchfellentzündung, SAA), nicht akute Blinddarmentzündung (Bauchschmerzen etc. NAA).

Von den 9.979 Patienten wurden 23,7% mit komplexer akuter Blinddarmentzündung diagnostiziert, 70,1% mit einfacher akuter Blinddarmentzündung und 6,2% mit nicht akuter Blinddarmentzündung.
Vergleicht man nun die Entwicklung der wöchentlichen Fallzahlen für den Zeitraum sechs Wochen vor dem Lockdown, Lockdown und sechs Wochen nach dem Lockdown mit dem entsprechenden Zeitraum für die Jahre 2019 und 2018, dann ergibt sich das folgende Bild:

Maneck et al. (2020).

Wie man sieht, geht im Zeitraum der Kalenderwochen 12 bis 17, dem Zeitraum des deutschen Lockdowns, die Anzahl der Blinddarmoperationen, denen eine einfache akute Blinddarmentzündung zugrunde liegt, deutlich zurück. Dasselbe gilt für die Blinddarmoperationen, denen eine nicht akute Blinddarmentzündung zugrunde gelegen haben soll. Der Rückgang erfolgt, ohne dass die Anzahl der komplexen akuten Blinddarmentzündungen, die zu einer Operation führen, steigt. Mit anderen Worten, der Lockdown hat nicht dazu geführt, dass notwendige Operationen wegen einer einfachen akuten Blinddarmoperation oder einer nicht akuten Blinddarmoperation hinausgezögert wurden und schließlich als eine Art Notoperation wegen komplexer akuter Blinddarmentzündung durchgeführt werden mussten. Die im Vergleich zu den Jahren 2019 und 2018 durch den Lockdown entstandene Lücke bei SAA (einfach akute Blinddarmentzündung) und NAA (nicht akute Blinddarmentzündung) ist einfach da. Die Fälle, die sie stopfen müssten, sind einfach verschwunden.



Wie erklärt man eine solche Beobachtung?

Zitieren wir zunächst die Autoren und ihren Versuch, das Offensichtliche nicht auszusprechen:

“The numbers of appendectomies for complex acute appendicitis remained unchanged in our series, whereas the numbers for simple acute and non-acute appendicitis were significantly reduced. Interestingly, the number of non-acute appendicitis was reduced by more than 50%. The proportion of acute complex appendicitis raised relatively in the investigated time period in 2020.

Looking at the subgroups, the reduction of appendectomies in female patients, especially due to simple acute or non-acute appendicitis is remarkable. […]

It could be speculated, that during COVID-19 lockdown patients with mild symptoms were not seeking medical care because of concern about acquiring COVID-19 infection. Here additional research is needed, as data from outpatient medical care was not available at the time of analysis.”

Wenn Operationen ausfallen, ohne dass sich dadurch messbare Folgen ergeben, dann fallen uns zwei Erklärungen für diesen Umstand ein:

  • Operationen werden auch dann durchgeführt, wenn sie eigentlich nicht notwendig sind;
  • Patienten dramatisieren ihre Symptome, sodass Ärzte eine Dringlichkeit diagnostizieren, wo keine ist;

Beide Erklärungen können sich gegenseitig verstärken. Die Tatsache, dass die Anzahl der weiblichen Patienten, für die eine Blinddarmentzündung notwendig ist, unter allen Patienten knapp 49% beträgt, während sie unter denen, mit nicht akuten Symptomen vor dem Lockdown 70%, während 66,1% und danach 62,9% betragen hat, weist daraufhin, dass die Gleichstellung der Geschlechter bei der Entnahme von Blinddarmen dadurch erreicht wird, dass Blinddarme weiblicher Patienten, deren Entnahme überhaupt nicht notwendig wäre, dennoch entnommen werden. Ob die Dramatisierung von Symptomen durch weibliche Patienten die Ursache für diese Form der Gleichstellung ist oder ob es bei Ärzten neuerdings eine Frauenquote mit Blick auf Blinddarmoperationen gibt, alles möglich, in diesen irren Zeiten, das ist eine offene Frage.

In jedem Fall kann man feststellen, dass SARS-CoV-2 Blinddarmentzündungen zum Verschwinden gebracht zu haben scheint.


Maneck, Matthias, Günster, Christian, Meyer, Hans-Joachim, Heidecke, Claus-Dieter & Rolle, Udo (2020). Influence of COVID-19 Confinement Measures on Appendectomies in Germany – Administrative Claims Data Analysis of 9,797 Patients. MedRxiv.



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