Remdesivir, Hydroxychloroquine, Lopinavir, Interferon – keine Wirkung gegen COVID-19? Seltsamkeiten der WHO Ergebnisse

Am 15. Oktober hat das WHO Solidarity trial consortium auf MedRxiv einen Beitrag mit dem Titel “Repurposed antiviral drugs for COVID-19 – innterim WHO SOLIDARITY trials results” – veröffentlicht. Und seitdem ist in der Presse der Teufel los:

Aber nicht nur Remdesivir ist wirkungslos in der WHO-Studie.

Lopinavir ist wirkungslos.
Interferon-β1a

ist wirkungslos.
Hydroxychloroquine ist wirkungslos.

Die Zwischenergebnisse, die das WHO Solidarity trial Consortium veröffentlicht hat, sind frustrierend.
“Nothing works”, um einmal Catweazle zu zitieren.

Dabei ist die Studie eine Studie der Superlative, eben ein Solidarity Trial:

  • 11.266 hospitalisierte Patienten, die in der Regel schwer an COVID-19 erkrankt sind.
  • 405 teilnehmende Krankenhäuser in,
  • 30 Ländern.
  • Alle sechs WHO Regionen vertreten.

Die Grundlagen, um die vier Medikamente zu testen, sind sehr gut.
Und die Zahlen für diejenigen, die mit einem der vier Medikamente behandelt wurden, sind ebenfalls beeindruckend:

  • Remdesivir: 2.750 Patienten;
  • Lopinavir: 1.411 Patienten;
  • Interferon: 2.063 Patienten;
  • Hydroxychlororquine: 954 Patienten;

Der Statistiker in uns bekommt große Augen. Aber natürlich benötigt man, um zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen, nicht nur eine Behandlungsgruppe, also Patienten, die mit einem der vier Medikamente behandelt wurden, sondern auch eine Kontrollgruppe, eine mit Patienten, die keines der vier Medikamente bekommen, die stattdessen ein Placebo erhalten haben.

Und hier beginnen unsere Probleme mit der Studie.



  • Placebos wurden nicht eingesetzt, so steht auf Seite 3.
  • Die Patienten, die am Solidarity Trial teilgenommen haben, wurden zufällig zwischen der Kontrollgruppe und welches Medikament auch immer sie erhalten haben, verteilt, so steht es in der Studie.
  • Die teilnehmenden Krankenhäuser waren so genannte “over-stressed hospitals”, also Krankenhäuser, in denen die Ärzte eigentlich etwas ganz anderes zu tun haben, als Protokolle für die Gabe der jeweiligen Medikamente, welches auch immer gerade vor Ort verfügbar war, wie es im Text heißt, einzuhalten bzw. auszufüllen.
  • Wer nun in der Kontrollgruppe zu finden ist, ist unklar, wohl nicht nur uns unklar, den Mitgliedern des Solidarity Trial Consortiums wohl auch. Sie schreiben:

    ” COVID-19 inpatients were randomized equally between whichever study drugs were locally available and open control (up to 5 options: 4 active and local standard-of-care). […] The four main sets of analyses involve the evenly randomized pairwise comparisons of each study drug vs its controls. The controls for those randomly allocated one particular drug were those patients who could by chance have been randomly allocated that drug (at that moment, in that hospital), but instead got allocated standard of care. If, for a particular study entrant, more than one study drug was available, allocation to standard of care would put that patient into the control group for each of them. Hence, there is partial overlap between the four control groups. Each comparison between a study drug and its controls, however, is evenly randomized (50/50) and unbiased, as both groups are affected equally by any differences between countries or hospitals and by any time trends in patient characteristics or standard of care.

Standard of care, also – wenn man so will, die in einem Land übliche Standard-Behandlung gegen COVID-19 ist somit die Kontrollgruppe, gegen die statistische Analysen für die oben genannten vier Medikamente gerechnet werden, um herauszufinden, ob die vier Medikamente bei schwer erkrankten Patienten zu einer Reduzierung der Mortalität führen. Das Ergebnis, wie gesagt, ist ernüchternd:

“For each of these 4 repurposed non-specific antivirals, several thousand patients have now been randomized in various trials. The unpromising overall findings from the regimens tested suffice to refute early hopes, based on smaller or non-randomized studies, that any will substantially reduce inpatient mortality, initiation of ventilation or hospitalisation duration.”

Tatsächlich zeigen die statistischen Analysen (Cox-Regressionen und Kaplan-Meier-Überlebens-Analysen), dass keines der vier Medikamente die Mortalität im Vergleich zur Kontrollgruppe reduziert. Die Gesamtmortalität in der Stichprobe beträgt 11,8%. Wie man sieht, ist keines der Medikamente in der Lage, hier einen deutlich besseren Wert zu erzielen.

Die höhere Sterblichkeit, die für die Behandlungsgruppe “Hydroxychloroquine” im Vergleich zur Kontrollgruppe “Hydroxychloroquine” oben rechts dargestellt ist, hat uns etwas stutzig gemacht, vor allem, wenn man bedenkt, dass die berichtete Sterblichkeit in der Gesamtstichprobe mit 11,8% über der Sterblichkeit liegt, die in der Studie (Figure 3) für Hydroxychloroquine berichtet wird (10,2%). Das ist seltsam. Und wenn man dann noch bedenkt, dass die Sterblichkeit in der Kontrollgruppe, die der Behandlungsgruppe “Hydroxychloroquine” zugespielt wurde, mit 8,9% unter der Sterblichkeit aller anderen Behandlungs- und Kontrollgruppen liegt, dann fragt man sich, wie das sein kann.



Das Erste, was uns in einem solchen Fall immer einfällt: Die Gruppen sind nicht trennscharf, d.h. in der Kontrollgruppe befinden sich Patienten, die mit einem der vier Medikamente behandelt wurden. Um diese Hypothese zu prüfen, muss das Rätsel um den Begriff “standard of care” gelöst werden. Was ist der “standard of care”. Offenkundig umfasst der standard of care in unterschiedlichen Länder unterschiedliches, aber er besteht ebenso offenkundig immer im Versuch, den COVID-19-Patienten mit Medikamenten zu retten. Wir haben für drei Ländern, die am Solidarity Trial beteiligt sind, geprüft, was jeweils als “standard of care” gilt.

Nach diesen drei Stichproben haben wir den Verdacht, dass es eine große Überlappung im Hinblick auf die verabreichten Medikamenten zwischen Kontroll- und Behandlungsgruppe gibt. Dies würde erklären, dass sich für alle vier Medikamente dasselbe Ergebnis ihrer Nichtwirksamkeit ergibt und dass in allen vier Fällen die Behandlungs- und die Kontrollgruppe sehr – wie die Abbildungen oben zeigen – sehr nahe beieinander liegen und seltsamerweise genau denselben Verlauf zeigen. Und da Hydroxychloroquine in vielen Ländern zum Standard of Care gehört, würde diese Hypothese auch erklären, wieso die Behandlungsgruppe, die Hydroxychloroquine erhalten hat, negativ von der Kontrollgruppe abweicht, denn die Dosis, die den Patienten in der Behandlungsgruppe verabreicht wurde, liegt um ein Vielfaches über der Dosis die z.B. in der erfolgreichen Hydroxychloroquine-Studie des FORD Health Systems in Michigan, die wir hier besprochen haben, zum Einsatz kam. Die geringere Dosis Hydroxychloroquine (1600 mg im Vergleich zu 400 mg) im “Standard of Care” war wohl wirkungsvoller als die höhere Dosis in der Behandlungsgruppe.

Sollte unser Verdacht zutreffen, dann wäre das nicht nur ein handwerklicher Schnitzer erheblichen Ausmaßes, es wäre auch das Ende für die bereits weithin berichteten Ergebnisse. Man könnte sie einstampfen, sie wären null und nichtig.

Wir bedanken uns bei unserer Leserin Dagmar L. die mit einer großzügigen Spende diesen Text ermöglicht hat.



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